Fünf Tipps, wie Versicherer die Kundenabwanderung eindämmen.
Autor: Holger von Seherr-Thoß, CEO & Partner moveXM | TTR Group
Ob für das Auto, die Wohnung oder ihre Gesundheit, die meisten Deutschen besitzen eine Vielzahl an Versicherungen. Potenzielle Kund:innen werden von unterschiedlichsten Anbietern umworben. InsurTechs und Vergleichsportale machen es immer leichter, mit wenig Aufwand zum nächstgünstigeren Anbieter zu wechseln. Darüber hinaus müssen Vertreter dieser Branche eine immer heterogenere Zielgruppe vom eigenen Portfolio überzeugen, deren Vertrauen gewinnen und sie langfristig an sich binden. Nur mit einem tiefen Verständnis für die immer vielfältigeren Konsum- und Kommunikationsgewohnheiten sowie flexiblen IT-Infrastrukturen lässt sich diese Herausforderung lösen. Versicherungsanbieter benötigen, um in der Gegenwart zu bestehen und in Zukunft erfolgreich zu sein, nicht nur ein professionelles Customer Experience Management (CXM), sondern auch die richtigen Technologien, um eine zielgruppengerechte Ansprache und personalisierte Angebotsgestaltung über die relevanten Kommunikationskanäle zu ermöglichen. Sie sollten grundsätzlich in der Lage sein, die Gesamtheit aller Erfahrungen, die Kund:innen mit ihnen machen, zu managen.
Der Wandel bestimmt allgegenwärtig die Lage der Branche. Immer neue Akteure positionieren sich mit attraktiven, preisgünstigeren und vielseitigen Angeboten gegenüber einer Zielgruppe. Diese wird zahlenmäßig zwar schmaler, vom Altersspektrum und den damit einhergehenden Digitalisierungshintergründen aber insgesamt vielfältiger. Sind die einen bereits selbstbewusst auf verschiedensten Kanälen unterwegs und haben hohe Erwartungen an analoge und digitale Services, fühlen sich andere noch in tradierten und persönlichen Settings wohler. Vertrieb und Marketing müssen sich deshalb in Zeiten einer Switching Economy, die den ständigen Neukauf von Produkten beschreibt, immer wieder neu erfinden und dabei wesentlich mehr Kanäle berücksichtigen als in der Vergangenheit.
Was Versicherungsunternehmen brauchen
Kund:innen bewegen sich heute in rasender Geschwindigkeit in einem komplexen Mix aus Kommunikationskanälen. Um mit jedem Einzelnen in Dialog zu treten – digital und persönlich – bräuchte es eine Armada an Personal, die noch dazu hellseherische Fähigkeiten mitbringen müsste. Die Alternative heißt Automation. Die technischen Möglichkeiten dafür sind längst gegeben. Allerdings wickeln Versicherer ihre zentralen Prozesse noch häufig über veraltete Infrastrukturen und Software-Lösungen ab. Moderne und zukunftsfähige IT sieht anders aus. Sie muss in der Lage sein, sich an externe Veränderungen anzupassen.
Abteilungsübergreifender Kundenblick
Ob im Marketing, Vertrieb, Service, Qualitäts- und Beschwerdemanagement, After Sales – überall lagern wertvolle Informationen zu den Bedürfnissen der Zielgruppe und ein kundenzentriertes Handeln kann auf keinen dieser Datenströme verzichten. In der Vergangenheit haben viele Abteilungen im Unternehmen eher für sich agiert, heute greifen deren Zahnräder idealerweise nahtlos ineinander. Eine gut durchdachte IT-Infrastruktur kann eine verlust- und reibungsfreie Kommunikation ermöglichen, denn sie macht Daten und Informationen über Kund:innen für alle gleichermaßen zugänglich. Wenn es auch nur an einer Stelle hakt, leidet die Qualität der Kommunikation, Beratung und Angebote deutlich. Die Churn Rate – der Anteil von Kund:innen, der zur Konkurrenz abwandert – steigt.
Die Investition in die Technologie, die sich lohnt
Dass aufgrund dessen Modernisierungsbedarf besteht, hat die Branche verstanden. Eine Rundumerneuerung ist jedoch ein gewaltiges, disruptives und enorm kostspieliges Projekt. Während Versicherer teilweise noch mit den Budgets für IT-Infrastruktur und Anwendungen hadern, ist es längst kein Geheimnis mehr, dass zufriedene Kund:innen weniger preissensibel sind, mit geringerer Wahrscheinlichkeit den Versicherungsanbieter wechseln, ein höheres Cross- und Upselling-Potenzial mitbringen und durch ihre Weiterempfehlung sogar Akquisekosten reduzieren. All das steht am Ende natürlich für Gewinn- und Umsatzwachstum und spricht für eine flexible und zeitgemäße IT-Infrastruktur.
Der Churn Rate den Riegel vorschieben – 5 Handlungsfelder
Professionelles Customer Experience Management ermöglicht es Versicherungsanbietern, an den richtigen Touchpoints wertvolle Kunden-Insights zu gewinnen und diese als Grundlage zur Verbesserung der Customer Journey zu verarbeiten. Wichtig dabei ist der strategische Blick auf die Kommunikationskanäle, die entscheidenden Kriterien zur Wahl der Touchpoints, ein besonderes Augenmerk auf das Beschwerdemanagement und ein nahtloses Zusammenwirken aller Abteilungen des Versicherers. Um in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess einzusteigen, bieten regelmäßige Kundenumfragen die Möglichkeit, wertvolle KPIs zu generieren, um intern und extern auf Basis belegbarer Zahlen zur Kundenzufriedenheitsentwicklung operieren zu können.
Kundenfeedback: NPS (Bildquelle: moveXM | TTR Group)
1. Kluges Omnichannel-Management macht den Unterschied
Wie in vielen anderen Branchen auch stehen die Zeichen in der Versicherungsbranche auf „Omnichannel“. Kund:innen wünschen sich, die ganze Bandbreite an möglichen Interaktionskanälen, wie Website, Live-Chat, E-Mail, Soziale Medien, Filialen, Telefon, Post, Messenger-Apps, Maklerinnen…), zu ihrer persönlichen Verfügung zu haben. Die Herausforderung hierbei besteht nicht darin, all diese Kanäle gleichmäßig zu bespielen, sondern eben genau diejenigen auszuwählen, die für die Themen relevant sind und von der Zielgruppe am liebsten genutzt werden. Hier gilt es, einen nahtlosen Übergang zwischen diesen zu schaffen. Versicherer sollten im Sinne einer Omnichannel-Strategie deshalb Tools einsetzen, die es ihnen erlauben, Kund:innen auf mehr Kanälen zu erreichen – ohne den Aspekt des persönlichen Kontakts außer Acht zu lassen. Für das Einholen von Feedback der Kund:innen heißt das, Empfangsbereitschaft an digitalen wie persönlichen Kontaktpunkten zu signalisieren. So lassen sich Stimmungen der Zielgruppe frühzeitig erkennen und Probleme beheben.
2. Die ergiebigsten Touchpoints für die Feedback-Generierung
An welchen Touchpoints setzt ein Versicherer trotz Omnichannel-Strategie am besten an, um die richtigen Insights zu gewinnen? Sollten Daten gar an jedem einzelnen Kontaktpunkt erhoben werden? Für die langen und komplexen Customer Journeys, wie sie für die Versicherungsbranche typisch sind, zeichnen sich fünf besonders ergiebige Momente für das Einholen von Feedback ab.
- Der erste findet sich unmittelbar nach dem Beratungstermin, dem in der Branche eine überdurchschnittlich große Bedeutung zukommt, da hier die erste Möglichkeit besteht, Vertrauen aufzubauen. Denn trotz zunehmender Digitalkompetenz in der Bevölkerung hat das persönliche Beratungsgespräch für den Abschluss einer Versicherung nach wie vor eine enorm hohe Relevanz.
- Auch nach Online-Beratungsgesprächen – die sich aufgrund des Trends der digitalisierten Customer Journeys weiter etablieren – sollte eine Rückkopplung erfolgen.
- Nach dem Vertragsabschluss können weitere Insights darüber gesammelt werden, was besonders gut lief – aber auch, wo noch Verbesserungspotenzial herrscht. Mit der Übersendung der Vertragsunterlagen etwa bietet sich die Bitte nach Feedback an.
- Haben Kund:innen und Versicherer diesen ersten Weg erfolgreich miteinander beschritten, bleiben sie über regelmäßige Check-ins in Verbindung. Dabei geht es um eine sehr kurze (online) Umfrage, die die allgemeine Stimmung von Kund:innen erfassen soll.
- Ergeben sich im Unternehmen größere Veränderungen, sollten Versicherer diese in jedem Fall mit Ad-hoc Umfragen flankieren. So vermitteln sie ihren Kund:innen, dass sie loyal und transparent agieren, beispielsweise bei Rebranding, Fusionen, Preis- und Produktentwicklungen sowie strategischen Neuausrichtungen.
Diese fünf Touchpoints stehen für die Haltung, die Anbieterunternehmen ihren Kund:innen gegenüber einnehmen. Sie verdeutlichen, dass es ihnen wichtig ist, sich im Sinne der Zielgruppe weiterzuentwickeln. Versicherer zeigen sich somit interessiert und nahbar – wichtige Signale, um die Churn Rate einzudämmen, denn werden relevante Kundensentiments nicht erhoben, bleiben Probleme unerkannt und ungelöst.
3. Prozesse kundenorientiert und einfach gestalten
Steigt die Gruppe potenziell wechselwilliger Kund:innen stetig, mag das vor allem an mangelndem Service auf der Anbieterseite liegen. Einmal enttäuscht, orientieren sich gerade Versicherungsnehmer:innen, die bevorzugt online abschließen in Windeseile um. Deshalb gilt es, Feedback und Anliegen ernst zu nehmen und diese schnell zu bearbeiten. Ein Blick in die Praxis der Schadensabwicklung verdeutlicht, dass Kund:innen flexible und digitale Angebote brauchen. Wird ein Schadensfall an die Versicherung übermittelt, sucht die betroffene Person möglichst unbürokratische Hilfe, denn in der Regel sorgt der Schaden an sich schon für Frustration. Möglichst einfach durchführbar sollten demnach auch die nächsten administrativen Schritte sein: Meist müssen zunächst Formulare ausgefüllt werden. Geschieht dies online oder in der Filiale, darf der nächste Schritt durchaus über einen weiteren Kommunikationskanal laufen, aber bitte schön nahtlos, möglichst bequem und ohne Redundanzen für den Hilfesuchenden. Der Versicherer sorgt zudem für ein beruhigendes Gefühl auf der Kundenseite, wenn dieser den Bearbeitungsstatus online live verfolgen kann oder er per SMS- oder Email-Benachrichtigung auf dem Laufenden gehalten wird.
4. Beschwerdemanagement technologisch unterstützen und automatisieren
Welche Art Prozess die Kund:innen präferieren, von rein analog bis komplett remote, bedeutet für das Angebotsspektrum von Versicherern einen immensen Spagat, der ohne adäquate technische Basis nicht lösbar ist. Die Vielzahl an möglichen Interaktionen wie auch Informationen, die sich dahinter verbergen, sind Herausforderung und Chance zugleich: Kund:innen zu gewinnen, zu binden und dauerhaft mit gutem Service an zahlreichen Touchpoints zu bedienen. Dafür müssen die richtigen Informationen und Daten zum richtigen Zeitpunkt dem richtigen Ansprechpartner zur Verfügung stehen. So können Mitarbeitende schnell reagieren. Eine KI-gestützte Textanalyse beispielsweise filtert automatisch Problemfälle aus offenen Textfragen, sammelt und delegiert sie. Dass der Aufwand sich lohnt, zeigen Erfahrungen mit Kund:innen, deren Anliegen schnell und vollständig gelöst werden. Sie entwickeln trotz partieller Unzufriedenheit eine höhere Loyalität einer Marke gegenüber, als solche, die nie ein Problem hatten.
CXM-Software: Beschwerdemanagement (Bildquelle: moveXM | TTR Group)
5. IT schafft die Verbindung für eine nahtlose Kundenerfahrung
Denn egal auf welche Art Kund:innen in Kontakt treten – die Versicherung sollte in der Lage sein, Anliegen schnell zu lösen. Das verlangt, dass trotz steigender Komplexität der Vertriebs- und Kommunikationskanäle alle Kundendaten zentral verwaltbar sein müssen. Das Silo-Denken, das in veralteten IT-Infrastrukturen üblich war, sollte der Vergangenheit angehören, denn es verhindert, Kundenanliegen sparten- und abteilungsübergreifend zu managen. Die Verankerung von CXM aber ist eine transsektorale Aufgabe. Dementsprechend muss die CXM-Lösung ebendiesen holistischen Ansatz erfüllen. Um etwaige Reibungspunkte kontinuierlich verbessern zu können, ist es entscheidend, Kundenfeedback über die gesamte Customer Journey hinweg zu erheben. Mittels hybrider Cloud ließe sich eine flexible IT-Struktur aufstellen, die via APIs die anpassungsfähige Anbindung von neuen unterstützenden Lösungen, beispielsweise für CXM, erlaubt. Der Vorteil: Die eigene IT-Infrastruktur muss nicht umgebaut werden. Dabei sollte die Komplexität von Prozessen keinesfalls zu- sondern eher abnehmen. Kunden-Insights werden dann überall und für jeden verfügbar, wenn die CXM-Lösung an ein bestehendes CRM-System mittels bi-direktionaler Schnittstellen angebunden wird. Lassen sich die Ergebnisse zentral verwalten und abrufen, wird eine nahtlose Erfahrung für die Kund:innen möglich.
Fazit
Wer würde nicht gern eine imaginäre Mauer um seinen Kundenstamm ziehen, um die kostenintensive Churn Rate aufzuhalten? Realistischer scheint jedoch der Brückenbau in eine digitale Zukunft. Um die Bindung der Kunden nachhaltig zu gewährleisten, sollten Versicherer heute auf professionelles Customer Experience Management nicht mehr verzichten, denn loyale Kund:innen geben sich weniger wechselwillig und fördern so den wirtschaftlichen Erfolg des Anbieters. Gehen Versicherer mit der Zeit und passen sich der veränderten Kundengeneration an, versetzen sie sich selbst in die Lage, ihre Churn Rate zu minimieren und Kundenzufriedenheit nachhaltig zu steigern.
Weitere Informationen, warum es für Versicherer sinnvoll ist, gerade in kritischen Zeiten auf eine hervorragende Kundenerfahrung zu setzen, und eine Anleitung, wie sie in vier Schritten einfach und skalierbar die Customer Experience verbessern, erfahren Interessierte im aktuellen Whitepaper „Sicher durch Krisen mit professionellem Customer Experience Management. Wie Unternehmen optimistisch auf Zukunftskurs bleiben.» Das Whitepaper kann hier kostenfrei heruntergeladen werden: https://movexm.com/whitepaper-sicher-durch-krisen-mit-cxm/.
Über den Autor
Holger von Seherr-Thoß ist CEO & Partner von moveXM | TTR Group, einem Pionier im Bereich Kundenzufriedenheit und softwaregestütztes CX Management. Er begann seine berufliche Laufbahn bei Ogilvy & Mather in Frankfurt und setzte sie nach Stationen im Ausland bei der KPMG AG im Bereich Customer Consulting fort. Seit 2019 führt er das Unternehmen, das moveXM, die Software-as-a-Service Lösung für ganzheitliches Customer & Employee Experience Management, entwickelt und anbietet – hosted and made in Germany.