Intelligente Leadership: Von Intuition und Ignoranz zu faktenbasierten Entscheidungen

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Intelligente Leadership: Von Intuition und Ignoranz zu faktenbasierten EntscheidungenIntelligente Leadership: Von Intuition und Ignoranz zu faktenbasierten Entscheidungen
Intelligente Leadership: Von Intuition und Ignoranz zu faktenbasierten Entscheidungen

Für die richtigen Entscheidungen in einer komplexen Welt braucht es neben Komplexitätsfähigkeit der Führungskräfte auch gute Datenanalysen mit KI

Die Welt ist heute komplexer als noch vor ein paar Jahren. Ursachen gibt es viele: eine weltweite Pandemie, ein lange nicht für möglich gehaltener Krieg in Europa, eine Renaissance der Diktaturen, die Klimakrise oder wirtschaftliche Verfehlungen, befeuert durch Politik, Zocker und Zentralbanken. Wie gehen wir als Business Leader oder Chief Marketing Officer damit um, wenn es gilt, zukunftsweisende Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen? Oder wie Harry Gatterer, Zukunftsinstitut, in einem Artikel [1] kürzlich gefragt hat: «Wie sollen wir noch Entscheidungen treffen, wenn ständig alles um uns herum zusammenbricht?»

Ein Begriff, der in jüngerer Zeit wieder öfter zu hören ist: VUCA, eingedeutscht auch VUKA. Er steht bekanntlich für Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität. Geprägt wurde er 1985 durch die Wirtschaftswissenschaftler und Universitätsprofessoren Warren Bennis und Burt Nanus in ihrem Buch «Leaders – The Strategies For Taking Charge» und beschreibt die Herausforderungen, die verschiedene externe Faktoren an das Management und die Führung stellen, und die Konsequenzen für die Unternehmensführung. In den frühen 1990er Jahren diente der Begriff dem US Army War College auch dazu, die multilaterale Welt nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Ende des Kalten Krieges zu beschreiben.

Intuition und Voreingenommenheit statt Fakten

Vielleicht lassen sich die Umstände von damals und heute sogar vergleichen, eines ist aber grundsätzlich anders: Heute stehen uns eine ungleich höhere Menge an Daten zur Verfügung, die wir für Entscheidungen einbeziehen können. Nicht nur für Militärstrategen, sondern für alle Führungskräfte – generell und besonders auch in Marketing und Vertrieb.
Doch weshalb tun wir es nicht? Laut einer im September publizierten Umfrage von Gartner [2] sind Marketinganalysen lediglich für die Beeinflussung von etwas mehr als der Hälfte (53 %) aller Marketingentscheidungen verantwortlich. Gartner befragte 377 Nutzer von Marketinganalysen, um die Rolle von Marketing-Analysen bei der Entscheidungsfindung zu untersuchen. Würde man die Nicht-Nutzer von Marketinganalysen miteinbeziehen, ergäbe sich ein noch schlimmeres Bild.

Führungskräfte verlassen sich gemäss der Studie von Gartner oft auf Intuition (24 %) oder suchen sich die Daten heraus, die ihre im Stillen bereits getroffenen Entscheidungen untermauern (cherry picking). Menschen führen sich gerne selbst in die Irre. Das haben schon die prominenten Autoren Jeffrey Pfeffer und Robert I. Sutton, beide Professoren für Organisationstheorie an der Graduate School of Business der Stanford University, in ihrem Bestseller «Hard Facts – Dangerous Half-Truths & Total Nonsense» [3] festgestellt. Sie schreiben, dass viele «fortwährend Erkenntnisse ignorieren, die ihren Ansichten und Überzeugungen widersprechen, und dass ihre eigenen Beobachtungen verfälscht sind durch das, was sie zu sehen erwarten».

Schwindender Einfluss von Marketing-Analytik

So sind beispielsweise kognitive Verzerrungen gemäss Gartner die Ursache dafür, dass der Einfluss der Marketing-Analytik nachlässt. Ein Drittel der Befragten gab an, dass Entscheider sich Daten herauspicken, um eine Geschichte zu erzählen, die mit ihrer vorgefassten Entscheidung oder Meinung übereinstimmt. Darüber hinaus gab etwa ein Viertel der Befragten an, dass die Entscheidungsträger die vom Marketing-Analytics-Team bereitgestellten Informationen nicht überprüfen (26 %) oder deren Empfehlungen ablehnen (24 %). Pfeffer/Sutton dazu: «Tatsächlich lehnen wir den Gedanken ab, dass nur quantitative Daten als Erkenntnisse gelten sollen».

Herausforderung Data Management

Das Problem der kognitiven Voreingenommenheit («cognitive bias») rührt nicht nur daher, dass sich viele Führungskräfte überschätzen und Daten und Fakten ignorieren, sondern auch von den mit der Datenverwaltung verbundenen Herausforderungen. Die Herausforderungen «Daten sind über verschiedene Quellen hinweg inkonsistent» und «Daten sind schwer zugänglich» standen denn in der diesjährigen Umfrage von Gartner auch an erster Stelle.

Nach Gartner reagieren Marketing-Organisationen auf diese Herausforderungen regelmäßig mit der Integration weiterer Daten oder der Anschaffung neuer Technologien, die als Allheilmittel für das Marketingdatenmanagement angesehen werden – ohne jedoch greifbare Auswirkungen auf wichtige Ergebnisse zu erzielen. So würden Marketingexperten beispielsweise die Erfahrung machen, dass der Grenzertrag der Datenintegration abnimmt, wenn sie eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden anstreben.

Hindernisse für den Einsatz von Marketinganalysen bei der Entscheidungsfindung werden aber nicht immer nur durch die Herausforderungen der Datenintegration oder menschliche «Fehlleistungen» verursacht, sondern sind oft auch auf organisationale oder prozessuale Probleme zurückzuführen.

Herausforderungen Hierarchie und Prozesse

Im DACH-Raum vielleicht weniger geläufig als VUCA ist ein anderes Akronym: HIPPO. Es steht für «Highest Paid Person’s Opinion». Der Effekt besagt, dass die Meinung (opinion) der bestbezahlten (highest paid) Person bei einer Entscheidung mehr Beachtung findet, weil diese per se einen höheren Wert hat. Aber es sind oft gerade diese Leute, die aufgrund langjähriger Erfahrung auf eine saubere Datenanalyse verzichten oder sich lieber auf ihr Bauchgefühl verlassen. Auch wenn sich deshalb die Organisation nicht auf den Kopf stellen lässt, so sollte man wenigstens die Prozesse so gestalten, dass den HIPPOs Daten und Fakten in einer verständlichen Form zugeführt werden, bevor diese eine Entscheidung mit Tragweite treffen. Dazu dienen Dashboards – aber nicht solche, die mit zwei Dutzend bunter Grafiken jede Führungskraft überfordern, sondern solche, die unterstützt durch künstliche Intelligenz auch klare Handlungsempfehlungen bieten.

Künstliche Intelligenz für bessere Entscheidungen

Data Analytics-Lösungen, die sich künstliche Intelligenz zunutze machen, sollten weder im Marketing noch sonst wo im Unternehmen ignoriert werden. Sie leisten wesentliche Unterstützung bei der Entscheidungsfindung. So haben zum Beispiel Unternehmen mit den Markt- und Trendanalyseanwendungen von Hase & Igel die richtigen Entscheidungen treffen können für die Erschliessung neuer Geschäftsfelder oder Marktsegmente, die Bereitstellung ausreichender Produktionskapazitäten, die passenden Wettbewerbsstrategien, oder die effektive Positionierung im Markt. Andere Kunden haben daten- und KI-gestützt darüber entscheiden können, ob sie überhaupt in den Markt eintreten sollen, ob es sich lohnt, das Unternehmen weiterzuführen, oder welche Unternehmen gewinnbringend übernommen werden könnten.

«Wir treffen täglich rund 20.000 Entscheidungen, die meisten davon blitzschnell», sagt der Münchner Hirnforscher Ernst Pöppel. Dabei ist es gut, dass wir uns auf die Intuition oder das Bauchgefühl und die Erfahrung verlassen können – sonst würde das System Mensch zusammenbrechen. «Auf einer strategischen Ebene verhält es sich etwas anders, hier müssen Sie heute alles hinterfragen und die grossen Zusammenhänge permanent challengen, um als Organisation vorbereitet und resilient sein zu können», schreibt der eingangs erwähnte Harry Gatterer des der Trend- und Zukunftsforschung verpflichteten Zukunftsinstituts und schlussfolgert, dass eine «Reduzierung von Information notwendig» ist. Weniger sei mehr. Und hier widerspreche ich in aller Deutlichkeit: Wir brauchen nicht weniger Daten, sondern mehr, um die richtigen Entscheidungen in Unternehmen zu treffen. Allerdings muss diese Datengrundlage über entscheidungsorientierte Analysen in Handlungsempfehlungen münden, die die Welt am Ende ein wenig übersichtlicher und griffiger machen. Dabei sollten wir auf Analysetools vertrauen können, die multivariate Statistik beherrschen und künstliche Intelligenz für die Erkennung von Mustern nutzen.

Komplexitätsfähigkeit und KI als Erfolgsfaktoren

Um das Erkennen von Mustern geht es auch Gatterer in seinem Essay, er schreibt dazu: «Darum geht es für Entscheiderinnen und Entscheider. Nur mit dem ganzheitlichen Verständnis für Zusammenhänge und Vernetzungen und die wirklich relevanten Entwicklungen lassen sich Entscheidungen auch in permanenter, unvorhersehbarer Bewegung treffen.» Und resümiert: «Leadership und Management bedeuten, zu entscheiden, und Entscheidungen lassen sich künftig nur noch mit Komplexitätsfähigkeit treffen. Als Wirtschaft und Gesellschaft gehen wir gerade dazu über, das lineare Denken hinter uns zu lassen.» Mein Fazit: Wir lassen nicht nur das lineare Denken hinter uns, sondern auch eine auf reduzierten oder ignorierten Fakten aufbauende Komplexitätsfähigkeit. Es ist an der Zeit, dass wir als Business Leader die künstliche Intelligenz dafür nutzen, bessere Entscheidungen zu treffen – und damit vermeiden, aufzulaufen oder abzustürzen. Denn: Kein Kapitän würde ohne Sonar durch die Untiefen der Meere segeln, kein Pilot ohne Radar durch den Nebel fliegen.

Daniel Renggli

Daniel Renggli

Daniel Renggli ist Marketingexperte mit einer Leidenschaft für Customer Experience und Automation in Marketing, Vertrieb und Service. Aktuell arbeitet er für die Software- und Beratungsunternehmen Hase & Igel und Navtech sowie für die Innovationsagentur Gedankenfabrik und berät Unternehmen zu Marketingstrategie, CX und Vertriebsoptimierung. Seine frühere Laufbahn hat ihn zu global tätigen IT- und Beratungsunternehmen wie Oracle, Microsoft, SAP oder PwC geführt, wo er leitende, teils regionale Positionen in Marketing, Kommunikation und Vertrieb innehatte. Daniel Renggli betätigt sich ausserdem als Autor und Sprecher an Events, und ist Herausgeber des #BeyondCXM Podcasts. www.beyondcxm.podigee.io

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