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Trevor Noah anlässlich der Zendesk Relate 2025Trevor Noah anlässlich der Zendesk Relate 2025
Trevor Noah anlässlich der Zendesk Relate 2025

Trevor Noah ist bekannt als scharfzüngiger Comedian, ehemaliger Host der «Daily Show» und politischer Beobachter. Dass er auch reflektierter und neugieriger Denker über technologische Entwicklungen ist, mag überraschen, zeigt sich aber im Gespräch auf der Zendesk Relate-Konferenz mit Adrian McDermott, CTO von Zendesk. Hier sprach er über seine Rolle als «Chief Questions Officer» bei Microsoft, seine Begeisterung für Technik – und darüber, warum echte Gespräche heute seltener geworden sind, aber wichtiger denn je.

Meike Tarabori berichtet live von der Zendesk Relate 2025 in Las Vegas

Technologie, die uns sieht: Trevor Noah über KI, Verbindung und den Wert echter Gespräche

„Wir haben gelernt, schneller zu kommunizieren – aber verlernt, wirklich miteinander zu sprechen.“

Kommunikation ohne Verbindung

Unsere heutige Zeit sieht Trevor Noah vermehrt als eine Welt, in der Debatten und Austausch immer kürzer, zugespitzter und polarisierter werden. Social Media habe aus Kommunikation oftmals nur noch das Rufen von Meinungen gemacht. «Wenn die Welt wie Social Media wäre, wäre es hier in Las Vegas, so, dass jeder oder jede, der oder die durch die Gegend läuft dabei laut ruft: ‹Ich hasse diesen Laden!› oder ‹Du bist hässlich!› oder ‹Folge mir!› – das ist kein Gespräch.»

Diese Entwicklung sei nicht nur sozial problematisch, sondern gefährlich für jede Form von Zusammenarbeit. Denn in den «Grauzonen» von längeren Gesprächen, so Noah, liege das eigentliche Verstehen: «Wer dir eine einfache Antwort auf komplexe Themen wie KI, Migration oder Politik gibt, hat das Thema wahrscheinlich nicht verstanden.»

Echte Gespräche schaffen Verbindung – nicht nur durch Worte, sondern durch Zuhören, durch das Anerkennen von Ambivalenz. Und genau diese Verbindung sei heute das, was Menschen und Organisationen dringend brauchen: «Ein Gespräch ist keine Schlacht mit Argumenten, sondern ein Raum, in dem Menschen sich gegenseitig entdecken.»

Fragen statt Antworten

Trevor Noahs «Karriere» als Tech-Enthusiast begann, als er zufällig den Microsoft-Präsidenten Brad Smith traf und daraufhin die Hardware-Labore besichtigen durfte. «Ich war wie ein Fünfjähriger. Überall fragte ich: Was ist das? Warum macht ihr das so?» Diese spiegle einfach seine Art, seine Neugier und sein Interesse für Technologie wider. Sein Lieblingsbeispiel für seine umfassende Technikbegeisterung: das Scharnier. Ja, wirklich. «Ein gutes Scharnier kann dein Leben verändern. Früher musste man Schubladen vorsichtig schliessen. Heute? Du schmeisst sie zu und am Ende gleiten sie sanft hinein.» Technik, so Noah, kann den Alltag erleichtern, wenn sie mit Bedacht gestaltet ist. Diese Haltung überträgt er auch auf KI: Nicht jede Antwort zählt. Aber die richtigen Fragen bringen uns weiter.

KI zwischen Hype, Nutzen und Verantwortung

Noah beschreibt die aktuelle Phase der KI-Entwicklung als «Zwischenzeit»: «Wir haben jetzt Programme, die Programme bedienen, die andere Programme bedienen. Aber wir sind noch nicht in einem KI-Utopia.»

Er spricht über die Faszination neuer Tools, über sprunghafte Entwicklungen – aber auch über erste Plateaus. KI sei kein Weltuntergang, aber auch kein Wunderwerk. Sie sei vor allem: ein Werkzeug. Und: ein Gradmesser für die Innovationskraft von Unternehmen. Er zitiert Jensen Huang, CEO von NVIDIA, in diesem Zusammenhang: «Jedes Unternehmen, das KI nutzt, um Mitarbeitende zu entlassen, ist ein Unternehmen, dem die Ideen ausgegangen sind.»

Technologische Disruption sei nie einfach. Doch sie sei gestaltbar. «Früher dachte man, Telefonistinnen wären unersetzlich. Heute gibt es Millionen neue Jobs in der Telekommunikation.»

Kundenservice zwischen Frust und Effizienz

Der Bereich, in dem KI besonders sichtbar wird, ist der Kundenservice. Trevor Noah nimmt kein Blatt vor den Mund: «Wer wurde je glücklich durch 45 Minuten Warteschleife?» Das sei keine menschliche Verbindung, sondern eher ein Machtgefälle: «Gefangener trifft auf Gefängniswärter.»

KI-Agenten könnten hier echte Hilfe leisten. Wenn das Problem effizient gelöst wird, sei kein menschlicher Kontakt nötig. Entscheidend sei die Qualität der digitalen Erfahrung. «Ich gehöre nicht zu denen, die sofort ‹Agent! Agent!› rufen. Aber wenn ich im Loop stecke, dann irgendwann schon.» Sein Punkt: Menschen wollen nicht zwingend mit Menschen sprechen – sie wollen gehört, verstanden und geholfen werden.

Sawubona: Ich sehe dich (immer noch)

In einer der berührendsten Passagen des Gesprächs spricht Trevor Noah über die südafrikanische Begrüssungskultur. «Sawubona» bedeutet: Ich sehe dich. Und die Antwort lautet: «Sikhona» – Ich sehe dich auch, immer noch. Das ‹immer noch› sei für ihn der Schlüssel, so Noah. Es bedeutet: Du bist da. Du bist wertvoll. Du wirst wahrgenommen.

Er warnt davor, dass genau diese Art von Verbindung im technologischen Fortschritt verloren gehen könnte. Gleichzeitig sieht er Chancen: «Wenn KI uns daran erinnert, den Bruder anzurufen, den Freund zu treffen, die Mutter zu sehen – dann schafft sie Verbindung.»

Emotionale Nähe durch synthetische Systeme?

Trevor Noah beschreibt, wie ihn selbst gut gemachte KI manchmal berührt: «Wenn eine KI sagt: ‹Gute Idee›, fühlt sich das gut an. Obwohl ich weiss, dass es keine echte Person ist.» Diese kleinen Momente zeigen, dass auch Maschinen Verbindung schaffen können – wenn sie empathisch, kontextsensibel und klug eingesetzt werden.

Doch er warnt auch: KI kann isolieren. Wenn Menschen sich in rein synthetische Beziehungen zurückziehen, geht echte Gemeinschaft verloren. Das sei aber kein technologisches Problem, sondern ein menschliches: «KI ist, was wir daraus machen. Wir entscheiden, wozu sie dient.»

Neugier statt Panik: Ein Appell an alle Generationen

Zum Schluss gibt Trevor Noah drei Botschaften für verschiedene Lebensphasen:

  • Für Junge: Habt keine Angst. Probiert aus. Nutzt die neuen Werkzeuge, spielt mit ihnen. «Vielleicht erleben wir gerade die Bildungsrevolution, auf die wir so lange gewartet haben.»
  • Für Führungskräfte: Nutzt Technologie, um Leben besser zu machen – nicht nur Prozesse. «Glückliche Menschen sind bessere Mitarbeiter.»
  • Für alle anderen: Seid neugierig. Lernt. Beobachtet. Nicht alles muss sofort verstanden werden. Aber alles darf erforscht werden.

Veränderung läse sich gut. Aber sie zu erleben, sei oft beängstigend. Trotzdem: Niemand weiss, wie die KI-Entwicklung ausgehen wird. Und genau darin läge auch etwas Wunderschönes, so Noah weiter.

Fazit: Trevor Noahs Gespräch ist mehr als ein Interview über Technik. Es ist ein Plädoyer für Menschlichkeit, für gute Fragen, für Verbindung. Und für die Erkenntnis, dass wir die Zukunft mit KI nicht erleiden müssen – sondern sie gestalten können.

„Vielleicht ist es das grösste Versprechen von KI: Dass sie uns genug Zeit schenkt, um einander wirklich zu sehen.“

Meike Tarabori, Chefredaktorin cmm360

Meike Tarabori

Im Januar 2019 übernahm Meike Tarabori die Position als Chefredakteurin des cmm360, das renommierte Schweizer Magazin für Customer Relations Stars und Service Champions. Als erfahrene Expertin für Marketing und Kommunikation mit Abschlüssen in Business, Marketing und deutscher Literatur hat sie wertvolle Erfahrungen unter anderem bei Unternehmen wie KUKA Robotics und zuletzt beim Cybathlon ETH Zürich gesammelt. Im Rahmen eines umfangreichen Rebranding-Projekts verlieh sie dem cmm360 seine aktuelle, moderne Ausrichtung. Seitdem hat sie nicht nur die Onlinepräsenz des Magazins erfolgreich etabliert, sondern kontinuierlich neue Formate wie die Podcasts «Nice To Meet You», «Meike's Raumzeit» und «ICT Talk» entwickelt. Darüber hinaus fungiert sie als Organisatorin des Schweizer Customer Relations Awards, eine Plattform, die innovative Projekte zur Gestaltung nachhaltiger Kundenbeziehungen und einzigartiger Kundeninteraktionen würdigt und auszeichnet.

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