Kundenservice hat sich von der reinen Supportfunktion zu einem strategischen Werttreiber entwickelt. Moderne Serviceeinheiten verbinden Technologie mit Empathie und sind zentrale Touchpoints entlang der Customer Journey. Der Wandel zeigt sich in neuen Berufsbildern, abteilungsübergreifender Zusammenarbeit und datenbasierter Steuerung. Kunden erwarten personalisierte, vorausschauende Lösungen über nahtlose Kanäle hinweg. Der Customer Effort Score wird dabei zur zentralen KPI. Künstliche Intelligenz automatisiert Routineanfragen, während menschliche Kompetenz dort gefragt ist, wo emotionale Intelligenz und Beratung gefragt sind. Entscheidend bleibt das Gleichgewicht zwischen Effizienz und echter Beziehungspflege. Die Zukunft des Kundenservice liegt in einem Erlebnis, das Technologie und Menschlichkeit sinnvoll vereint – präzise, persönlich und wertschöpfend.
Kundenservice hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert: von der Kostenstelle hin zum strategischen Differenzierungsmerkmal, vom statischen Call Center hin zur empathischen Serviceeinheit. Ein Gespräch mit Peter Peterlechner, Gründer und Manager von customer connection, darüber, wie Technologie, neue Berufsbilder und veränderte Kundenerwartungen diese Entwicklung geprägt haben.
Was ist Service in unserem heutigen Verständnis?
Peter Peterlechner: Aus Kundensicht ist Service heute ein wesentlicher Bestandteil dessen, was Kundinnen und Kunden mit einem Produkt oder einer Dienstleistung erwerben. Dies umfasst auch die Erwartung, dass Fragen schnell beantwortet und Probleme unkompliziert gelöst werden sowie ergänzende Informationen einfach zugänglich sind. Ob durch persönliche Ansprechpartner oder digitale Tools – der Kontaktpunkt muss leicht erreichbar und kompetent sein. Hierbei geht es nicht nur um Effizienz, sondern auch darum, den Kundinnen und Kunden das Gefühl zu geben, in guten Händen zu sein und verstanden zu werden, auch wenn es emotional wird.
Aus Unternehmenssicht hat sich die Rolle des Service grundlegend gewandelt. Früher häufig als reiner Kostenfaktor betrachtet, wird Service heute als strategische Ressource gesehen. Unternehmen erkennen, dass Service nicht nur Probleme löst, sondern auch entscheidend dazu beiträgt, Kundinnen und Kunden durch positive Serviceerlebnisse nachhaltig zu binden und sogar zu Zusatzkäufen zu motivieren. Service hat sich vom operativen «Kellerkind» zu einem integralen Bestandteil des Unternehmenserfolgs entwickelt und stellt heute eine strategisch relevante Erfolgsposition dar.
Ein Blick zurück: Wie haben sich Kundenservice und das Berufsbild im Laufe der Zeit entwickelt?
In den 1990er-Jahren erlebten Kundenservice und Contact Center einen Wendepunkt, als Unternehmen begannen, ihre Innendienststrukturen zu zentralisieren, um effizienter auf Kundenanfragen zu reagieren und Verkaufschancen zu nutzen. Mit der Liberalisierung Mitte der 1990er-Jahre wurden in den Branchen Telekommunikation, Versicherung, öffentlicher Verkehr und im Energiesektor sogenannte «Contact Hubs» eingerichtet, um Service- und Sales-Anfragen zu bearbeiten. Das Telefon wurde zum Allheilmittel – schnell, direkt und hocheffektiv. Hier wurde erstmals die Schlagzahl der First Contact Resolution (FCR) als KPI für Servicequalität etabliert. Internes Telemarketing und die Services externer Dienstleister erlebten einen Boom.
Wie beurteilst du die Abstimmung zwischen den Abteilungen heute?
Die Abstimmung zwischen Service und anderen Abteilungen wie Marketing und Vertrieb funktioniert nur so gut, wie Einigkeit in Prioritäten und Perspektiven besteht. Marketing setzt Markenversprechen, die im Service nicht immer erfüllt werden, was zu Frustration bei Kundinnen und Kunden führt. Zudem haben Service-Mitarbeitende oft mit emotional belastenden Anfragen zu tun, die schwer mit den idealisierten Marketingbotschaften vereinbar sind.
Ein weiterer Grund für diese Friktionen ist die unterschiedliche Nutzung von Daten und KPIs. Jede Abteilung misst den Erfolg anhand spezifischer Kennzahlen, ohne die Verknüpfungen zu anderen Abteilungen zu berücksichtigen, was zu einer fragmentierten Kundenerfahrung führt.
Um diese Friktionen zu vermeiden, sollten Unternehmen ihre Prozesse und Technologien aus der Perspektive von Kundinnen und Kunden bewerten und durch regelmässiges Alignment die Zusammenarbeit zwischen Marketing und Sales mit dem Kundenservice fördern. Initiativen wie interne Roadshows oder Besuche von Führungskräften im Service Center können den Wert des Customer Service für andere Abteilungen sichtbarer machen und das Verständnis für dessen Beitrag zur Wertschöpfung fördern. Dies schafft realistische Erwartungen und eine konsistente Kundenansprache, was wiederum die Kundenloyalität stärkt.
Hast du konkrete Kennzahlen im Kopf, die einer besseren Zusammenarbeit dienlich wären?
Der Customer Effort Score (CES) hat die Servicekultur nachhaltig verändert und den Schwerpunkt auf die Vereinfachung der Kontaktnahme zur Lösung von Anfragen gelegt. Unternehmen haben darauf reagiert, indem Prozesse vereinfacht und Technologien eingeführt wurden, die Selbstbedienung ermöglichen. Dabei hat man aber manchmal mit der übermässigen Vereinfachung übers Ziel hinausgeschossen und den persönlichen Kontakt verloren.
Die Bedeutung des CES sollte jedoch nicht im Kundenservice enden. Als unternehmensweite Kennzahl kann der CES vielmehr helfen, Silos aufzubrechen, Daten effizient zu nutzen und die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen zu fördern. Moderne CRM- und BI-Systeme ermöglichen darüber hinaus proaktive, datenbasierte Entscheidungen und schaffen ein einheitliches Kundenerlebnis.
Welche Rolle spielen Kundenerwartungen in diesem Zusammenhang?
Kundenerwartungen treiben das Servicedesign voran. Kundinnen und Kunden von heute wissen, dass es Unternehmen möglich ist, massgeschneiderte Services zu erbringen – und erwarten das dementsprechend auch. Hier kommen dann prädiktive und präventive Services zum Einsatz, welche die Kundin oder den Kunden Wertschätzung erleben lassen.
Kundenerwartungen umfassen auch die viel zitierten nahtlosen Customer Journeys. Hier gibt es spannende Beispiele aus der High-End-Hotellerie und Gastronomie. Dabei geht es immer um den «Signature Moment», der ein nachhaltig wirksames Kundenerlebnis kreiert, welches beziehungsintensivierend wirkt. Es liegt an den Unternehmen, diese Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern sie idealerweise zu übertreffen. Das ist der Massstab, an dem sich moderner Kundenservice und Kundenloyalität messen lassen muss.
Wie kann solch ein nahtloses Kundenerlebnis realisiert werden?
Ein durchgängiges Kundenerlebnis erfordert eine ganzheitliche Betrachtung der Customer Journeys. Unternehmen müssen klar definieren, was Kundinnen und Kunden in jeder Phase erleben sollen und das regelmässig überprüfen und optimieren. Alle Abteilungen – von Marketing bis Kundenservice – müssen ihre Beiträge kennen und reibungslose Übergänge zwischen den Phasen sicherstellen. Verantwortlichkeiten müssen präzise abgestimmt sein.
Technologien spielen dabei eine entscheidende Rolle, besonders bei der Integration von Kanälen und der Bereitstellung relevanter Echtzeitdaten, die es ermöglichen, den Dialog mit der Kundin oder dem Kunden zu personalisieren. Doch auch klare Prozesse und Schulungen sind unerlässlich. Auch KPIs müssen abteilungsübergreifend verknüpft werden. Das alles bildet die Grundlage, damit die Unternehmens- und Servicekultur bewusst gelebt und gezielt weiterentwickelt werden kann. Verantwortung lässt sich nicht anordnen, sie entsteht aus einer Kultur des Vertrauens, der Selbstverpflichtung und der Möglichkeit, eigene Entscheidungen treffen zu dürfen. Ein durchgängiges Kundenerlebnis ist ein iterativer Prozess, der Technologie, kulturelle Veränderungen und Zusammenarbeit erfordert. Der Erfolg liegt in der konsequenten Umsetzung durch harte Arbeit und eine klare Kundenorientierung.
«Wirksamer Kundenservice stärkt Beziehungen.»
Wie sieht die Zukunft des Kundenservices aus?
Die Zukunft des Kundenservice wird durch Künstliche Intelligenz (KI) geprägt sein, die einfache Anfragen automatisiert beantwortet und Mitarbeitende bei komplexen Anfragen unterstützt. Dies schafft Raum für anspruchsvolle Aufgaben. Dabei sind Empathie und exzellente Kommunikationsfähigkeiten entscheidend, um echten Mehrwert für Kunden und Unternehmen zu schaffen.
In Bereichen, wo gezielte Beratung gefragt ist und der Kontakt von Kunden- und Unternehmensseite gewünscht wird (Stichwort: Nils Hafners «Value-Irritant-Matrix»), entsteht das wahre Serviceerlebnis: personalisiert, sinnstift end und mit einem «Signature Moment», der die Kundenbeziehung stärkt. Dies ist der «Holy Grail» des modernen Kundenservice.
Der Schlüssel für den Erfolg im Kundenservice liegt vor allem darin, die gesamte Customer Journey nicht nur zu verstehen, sondern sie gezielt zu veredeln und als kontinuierlichen Wertschöpfungsprozess zu gestalten. Unternehmen müssen klar definieren, was Kundinnen und Kunden in jeder Phase erleben sollen und das regelmässig überprüfen und optimieren. Die Umsetzung erfordert eine strategische Orchestrierung von Prozessen, Daten und Interaktionen. Hier wird die Herausforderung darin bestehen, die Balance zwischen Technologie und Mensch so zu justieren, dass ein sinn- und nutzenstiftendes Zusammenwirken entsteht.
Wie sieht deine Vision für den Kundenservice der Zukunft aus?
Ich stelle mir den Kundenservice der Zukunft wie ein High-End-Restaurant-Erlebnis vor: nahtlos, engagiert und unvergesslich. Jede Interaktion – ähnlich wie jeder makellos aufgetragene Gang eines Menüs – sollte perfekt vorbereitet und mit einer menschlichen Note präsentiert werden. Und dabei ist es ok, wenn der Grossteil vorkonfektioniert ist. Wichtig ist aber, dass der Kontakt mit der Kundin oder dem Kunden gehalten wird. Technologie wie KI kann dabei unterstützen, Prozesse zu optimieren und relevante Daten bereitzustellen, aber der finale berührende und bewegende Moment bleibt menschlich. Nur ein Mensch mit Kompetenz, Verstand und Herz kann eine Lösung so präsentieren, dass individuelle Wertschätzung empfunden wird, auch wenn die Lösung nicht den Erwartungen entspricht.
Um diese Vision zu erreichen, braucht es eine Balance aus technologischen Innovationen und menschlichem Können. Technologie unterstützt, ersetzt aber nicht den Menschen. Daher müssen Unternehmen in die Schulung und Förderung ihrer Mitarbeitenden investieren, um vor allem deren kommunikative und emotionale Fähigkeiten zu stärken.
Peter Peterlechner
Peter Peterlechner brennt seit 30 Jahren leidenschaftlich für die Förderung von exzellentem Kundenservice. Als vielseitig einsetzbarer Berater, Trainer und Coach begleitet er Menschen in Unternehmen beim Auf- und Ausbau wertvoller und profitabler Kundenbeziehungen. Als verantwortlicher Leiter des Vorbereitungslehrgangs und der Prüfung zur «Teamleiterin/ Teamleiter Kundenservice mit eidg. Fachausweis» beim renommierten Branchenverband callnet.ch engagiert er sich für die kontinuierliche Weiterentwicklung und Qualifikation von Fachkräften im Kundenkontaktmanagement. customerconnection.ch