Die Schweizer und KI: im Schatten von ChatGPT

AutomationChatGPTGenAIKILLM

Die Schweizer und KI: im Schatten von ChatGPT, HASE und IGEL, Bild: Visual GenerationDie Schweizer und KI: im Schatten von ChatGPT, HASE und IGEL, Bild: Visual Generation
Die Schweizer und KI: im Schatten von ChatGPT, HASE und IGEL, Bild: Visual Generation

KI untersucht, was wir von KI wollen – und findet ein Land auf dem Weg in die Konsumentenrolle. Die Schweiz verliert eigene Kompetenzen und die Wirtschaft vernachlässigt Investitionen in Anwendungen mit einem gesicherten Mehrwert für die hiesige Volkswirtschaft.

Kann KI aufdecken, wie die Schweizer KI wahrnehmen? Eine Studie des Technologieunternehmens HASE & IGEL hat diesen Versuch gewagt und mit künstlicher Intelligenz den öffentlichen Diskurs und das Informationsverhalten rund um KI untersucht, um die Muster darin aufzudecken. Die Algorithmen haben ein Abbild der “mentalen Landkarte” der Schweizer produziert und Trends offengelegt. Das Ergebnis ist ein Warnsignal: Die Schweiz, genauso wie Deutschland, ist auf dem Weg in eine blinde Abhängigkeit von intransparenten US-Technologien und verliert eigene Kompetenzen. 

Dies ist das Resultat verschiedener, einander überlagernder Entwicklungen: Im Zuge von Corona-Krise und Ukraine-Krieg ging die Nachfrage nach den KI-Lösungen zugrundeliegenden Technologien ebenso zurück wie jene nach konkreten industriellen KI-Anwendungen. Zugleich wurde ab Ende 2022 durch den enormen Erfolg von Generativer KI (ChatGPT, Midjourney & Co.) der Zugang zu dieser Art künstlicher Intelligenz für Benutzer ohne Vorwissen oder Investitionsbereitschaft viel einfacher. Binnen kürzester Zeit avancierte so die Möglichkeit, automatisch Texte und Bilder zu erstellen und sich mit Chatbots zu unterhalten, zu einem de-facto Synonym für KI, während weitere Anwendungen z.B. in der Datenanalyse oder Prozessoptimierung aus dem Fokus gerieten. In Folge der einfachen Benutzbarkeit beeindruckender Generative AI-Anwendungen lässt parallel der Wunsch, die Technologie dahinter zu verstehen, deutlich nach – während die neuen Lösungen schnell in kommerzielle und lebenspraktische Anwendungen eingebettet werden. Parallel stagniert die Nachfrage nach etablierten Anwendungen im Betrieb wie Process Mining, Automatisierung in der Produktion oder Predictive Analytics.

So trifft eine zunehmende Oberflächlichkeit auf die einfache Nutzung amerikanischer “Black Box”-KI, die ihre Quellen und Entscheidungen nicht überprüfbar macht. Wir adaptieren schnell bequeme Lösungen, die wir nicht verstehen, in einem Anwendungsfeld (Text- und Bilderstellung), dessen wirtschaftlicher Mehrwert noch unsicher ist – und vernachlässigen dafür das Grundlagenverständnis ebenso wie Anwendungen in Gebieten mit gesichertem Mehrwert für unsere Volkswirtschaft (wie z.B. in der Optimierung von Fertigungs- und Wirtschaftsprozessen, der Medizin etc.).

Passend dazu ist KI sehr schnell in der öffentlichen Debatte zu einem zentralen Zukunftsthema geworden und das Unbehagen vor den möglichen Risiken der Technologie wächst – jedoch spielen konkrete Nutzen und Gefahren im breiteren Diskurs bisher kaum eine Rolle. Der Schweiz droht ein Blindflug.

Methodik:

Der deutsche Big Data Analytics-Anbieter HASE & IGEL hat KI-gestützt untersucht, wie das Themenfeld KI in der Schweiz wahrgenommen wird – was verbinden die Schweizer damit und wie verändert sich das über die Zeit? 

Hierzu hat das Unternehmen in seiner Analysesoftware Neutrum Themennavigator mittels Language Models im Zeitraum vom 1.5.2022-31.5.2023 in einer automatischen Erhebung 710.481 öffentliche Beiträge in journalistischen Medien, sozialen Medien und auf Websites sowie 937.937 Reaktionen darauf (Likes, Shares, Kommentare, Leserbriefe, Verlinkungen, Zitate) ausgewertet. Entstanden ist so eine “mentale Landkarte” der Schweizer zum Thema KI, die rein empiriegeleitet aus den Informations- und Kommunikationsprozessen ermittelt, welche Themen im Kontext KI bewegen und wie diese miteinander zusammenhängen.

Für diese Themenkomplexe hat HASE & IGEL mit seiner Analysesoftware Neutrum Marktcheck jene Google-Suchanfragen ermittelt, die statistisch signifikant mit dem jeweiligen Aspekt zusammenhängen. Für diese 237 Suchbegriffe wurden für den Zeitraum vom 1.10.2019-30.9.2023 insgesamt 36.458.784 Suchanfragen ausgewertet und Machine-Learning-gestützten Trendanalysen unterzogen (ARIMA-Modellierung nach LOESS-Dekomposition). So wurde transparent, wie sich das Interesse je Thema über die Zeit entwickelt und welche künftige Entwicklung erwartbar ist.

Die Ergebnisse wurden von den Data Scientists, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern bei HASE & IGEL ausgewertet und zu einem Bericht konsolidiert.

Die Datensätze und Analysen sind im NEUTRUM-System von HASE & IGEL einsehbar, auf Anfrage wird Zugang für Journalisten und Wissenschaftler eingerichtet, Grafiken und Exporte können ebenfalls gern bereitgestellt werden. 

Überblick über Kernergebnisse:

  • Die Schweiz ist noch einmal deutlich KI-begeisterter als Deutschland und Österreich: auf die Bevölkerungsgröße heruntergerechnet interessieren sich die Schweizer um 93% (!) stärker als die Deutschen und 55% stärker als die Österreicher für das Themenfeld.
  • Generative KI ist quasi zum Synonym für KI insgesamt geworden und überdeckt alle weiteren Aspekte bei Weitem. 
  • Klar im Vordergrund mit einem Anteil von 90 Prozent steht ChatGPT (über 1 Million monatlicher Suchanfragen), ganz überwiegend im Kontext der Texterstellung, gefolgt von Generative AI zur Bilderstellung (knapp 42’000 Suchanfragen). Diese auch für Endanwender einfach greifbaren Lösungen haben für viele – auch in der Wirtschaft – überhaupt erst zu einer intensivierten Auseinandersetzung mit KI geführt und lassen Profi-Anwendungen weit zurück (z.B. Predictive Analytics mit 330 (!) Suchanfragen).
  • Viele Zeichen stehen auf Hype: Generative KI, insbesondere ChatGPT und Midjourney, werden als Phänomene ausprobiert, gefeiert und diskutiert – oft ohne, dass nutzbringende Anwendungen erkannt werden.
  • Generative AI wird durchaus bereits früh zur Gewinnerzielung adaptiert. Hierbei führen die Aspekte “ChatGPT-basierte Geschäftsmodelle” (z.B. Vermarktung von Inhalten, die mit ChatGPT erstellt wurden) und die Anwendung im Vertrieb (dort v.A. über Chatbots) – so ist KI in Sales die am drittstärksten gefragte Kategorie in der Schweiz.
  • Während in Deutschland Schüler eine Gewinnerzielung der anderen Art anstreben und die Erledigung von Hausaufgaben zunehmend ChatGPT überlassen, ist dies unter Schweizer Schülern bisher noch die Ausnahme – doch mit über 150% monatlichem Wachstum ändert sich das schnell.
  • Sämtliche anderen, bereits seit Jahren erfolgreich im Einsatz befindlichen Arten und Anwendungen von KI werden nicht nur durch ChatGPT & Co. überschattet:
  • So ist das Interesse an den bisherigen Schlüsselanwendungen von KI zur Prozessautomatisierung und -Optimierung in Unternehmen bereits seit der Corona-Krise (Fertigungsautomation, Process Mining, Predictive Analytics), spätestens aber seit Beginn des Ukraine-Krieges (Geschäftsprozessautomatisierung (RPA)) am Stagnieren. Es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass der diesbezügliche Schwung aus Vor-Pandemie-Zeiten wieder aufgenommen wird.
  • Überdies wollen immer weniger Schweizer die Grundlagen der Lösungen verstehen, mit denen sie immer mehr interagieren: Von Machine Learning bis Language Models ist das Interesse an den zugrundeliegenden Technologien und Modellen parallel zum Hype um Generative AI rapide gesunken, mit weiter negativem Trend.
  • Analytische KI-Anwendungen finden sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch in der breiteren Nachfrage derzeit kaum statt: Trotz der bekannten Probleme von ChatGPT für Recherche- und Analysezwecke (nicht genannte Quellen, erfundene Zitate, falsche Fakten – und vor allem: Black Box, keine Erklärbarkeit der Ergebnisse) wird Generative KI auch in diesen Bereichen zunehmend ausprobiert, während es wenig Bewusstsein dafür gibt, dass für solche Belange längst andere, geeignetere KI-Anwendungen zur Verfügung stehen, die nicht nur zuverlässiger, sondern insbesondere auch erklärbar sind. Ausnahmen sind Nischen wie z.B. Tools für Marketinganalyse. Gerade in Bildung und Forschung ist der Diskurs, wie sich KI sinnvoll für Recherche und Lehre einsetzen lässt, ein reines Nischenphänomen.
  • KI ist als gesellschaftliches Zukunftsthema durch den Hype um Generative KI in eine neue Liga katapultiert worden. Werden gegenwärtige Lösungen wie ChatGPT überwiegend positiv wahrgenommen, dominieren insgesamt die Ängste bzw. vermuteten Risiken. Die Debatte bleibt dabei aber meist abstrakt – die konkrete Sorge vor möglichen Jobverlusten ist zum Beispiel noch kaum im Mainstream angekommen.

 

Über HASE & IGEL

Die HASE & IGEL GmbH ist ein deutscher Entwickler und Anbieter KI-gestützter Datenanalysesoftware. 2018 in Oldenburg gegründet, schafft das inhabergeführte Unternehmen vielfach preisgekrönte Lösungen in Bereichen wie Nachfrageprognosen, Standortbewertung, Zielgruppenanalysen, Unternehmensbewertung und Vertriebsoptimierung. Rund 200 Kunden von Mittelstand bis Großkonzern setzen bereits auf die Produkte des Anbieters, darunter die Sparkassen Finanzgruppe, Schaeffler und Stihl. 2023 wurde HASE & IGEL bei den Stevie Awards von einer internationalen Jury zum zweiten Mal in Folge zum “Innovativsten Technologieunternehmen in DACH bis 100 Mitarbeiter” gekürt und wird vom Deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ebenso gefördert wie vom führenden Prozessorhersteller Nvidia.
 

Mehr zu Automation

Diskussion

Das könnte Sie auch interessieren