Warum Ihre Kunden Ihrer KI (noch) nicht vertrauen

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Enza Iannopollo, VP & Principal Analyst at ForresterEnza Iannopollo, VP & Principal Analyst at Forrester
Enza Iannopollo, VP & Principal Analyst at Forrester

Vertrauen in KI entsteht nicht automatisch, auch nicht bei etablierten Marken. Laut Iannopollo von Forrester sind Empathie, Transparenz und klare Haftungsregeln entscheidend. Der EU AI Act bietet hierfür einen regulatorischen Rahmen und fordert strenge Anforderungen bei Hochrisiko-Anwendungen. Für zukunftsfähige KI-Strategien braucht es interdisziplinäre Teams aus IT, Recht, CX und Marketing. Personalisierte Einwilligungen und verantwortungsvolle Datenverwendung stärken zusätzlich das Vertrauen.

Künstliche Intelligenz ist längst im Alltag vieler Unternehmen angekommen und doch hinkt das Vertrauen der Kundinnen und Kunden oft hinterher. Warum das so ist, welche Rolle Empathie, Transparenz und rechtliche Rahmenbedingungen spielen und wie eine zukunftsfähige KI-Strategie aussieht, erklärt Enza Iannopollo, VP & Principal Analyst bei Forrester, im Gespräch mit Meike Tarabori.

Warum ist Vertrauen in KI heute ein so zentrales Thema? Reicht es nicht, wenn Kundinnen und Kunden einer Marke ohnehin vertrauen?

Enza Iannopollo: Vertrauen in eine Marke überträgt sich nicht automatisch auf den Einsatz von KI. Unsere Studien zeigen: Nur etwa ein Drittel der Konsument:innen in Großbritannien vertraut Unternehmen, die KI im Kundendialog einsetzen. Der Grund? KI wird oft mit Unsicherheit und Risiko verbunden, besonders in sensiblen Anwendungsfällen wie Finanzentscheidungen oder medizinischen Diagnosen. Kundinnen und Kunden fragen sich: Wer erklärt mir das Ergebnis? Wer haftet im Fehlerfall? Woher weiß ich, dass die Entscheidung fair war? 

Welche Faktoren beeinflussen dieses Vertrauen am stärksten?

Enza Iannopollo: Empathie, Transparenz und Verantwortung. Sprache spielt eine zentrale Rolle. Unternehmen sollten sicherstellen, dass KI-Systeme im Kundendialog den Kommunikationsstil der Marke widerspiegeln und empathisch reagieren. Gleichzeitig brauchen wir nachvollziehbare Erklärungen für KI-gestützte Entscheidungen und eine klare Kommunikation darüber, wie Daten verwendet werden. 

Inwiefern kann der EU AI Act Unternehmen dabei helfen, Vertrauen aufzubauen?

Enza Iannopollo: Der EU AI Act ist ein Meilenstein für die Regulierung von Künstlicher Intelligenz in Europa. Er unterscheidet KI-Anwendungen nach ihrem Risikopotenzial von minimalen über begrenzte bis hin zu hohen und unannehmbaren Risiken. Für Hochrisiko-Anwendungen gelten strenge Anforderungen wie Risikobewertungen, Dokumentationspflichten, Transparenzregeln und menschliche Aufsicht. Das Ziel ist, Vertrauen zu schaffen durch klare Regeln für Sicherheit, Fairness und Nachvollziehbarkeit. 

Für Unternehmen bietet der EU AI Act die Chance, vertrauenswürdige KI systematisch zu gestalten. Wer sich frühzeitig mit Transparenz, Datenqualität, ethischen Grundsätzen und Governance-Strukturen befasst, kann nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern auch das Vertrauen seiner Kundinnen und Kunden gezielt stärken. Dabei geht es nicht um reines «Compliance-Ticking», sondern um verantwortungsvolle Innovation. 

Was bedeutet das für die Entwicklung einer KI-Strategie? Wer sollte hier mit am Tisch sitzen?

Enza Iannopollo: Erfolgreiche KI-Strategien entstehen interdisziplinär. Neben IT, Daten- und Rechtsteams braucht es unbedingt auch CX-, Marketing- und Kommunikationsexpertinnen und -experten. Sie kennen die Kundensicht, verstehen emotionale Erwartungen und können helfen, Vertrauen gezielt aufzubauen. Nur wenn alle Perspektiven eingebunden sind, gelingt ein verantwortungsvoller Umgang mit KI. Besonders im Hinblick auf die Anforderungen des EU AI Acts sollten auch ethische Fragestellungen und Transparenzverantwortliche frühzeitig integriert werden. 

Welche Rolle spielt personalisierte Einwilligung bei der Vertrauensbildung?

Enza Iannopollo: Eine grosse! Viele Unternehmen sammeln Daten, nutzen sie aber nicht sinnvoll weiter. Wer Einwilligungen transparent, zum richtigen Zeitpunkt und mit erkennbarem Mehrwert gestaltet wie etwa durch relevante Angebote oder Services, der zeigt Kundinnen und Kunden, dass das Unternehmen die Daten respektiert und etwas dafür zurückgibt. Das stärkt die Beziehung langfristig. Zudem hilft eine personalisierte Kommunikation dabei, die Komplexität rund um KI-Nutzung und Datenverarbeitung zu reduzieren, was wiederum ein wichtiger Aspekt für echte Transparenz, wie sie auch vom EU AI Act gefordert wird. 

Was müssen Unternehmen jetzt tun, um zukunftsfähige KI aufzubauen?

Enza Iannopollo: Sie müssen Ethik, Datenschutz und Governance von Anfang an mitdenken. Vertrauen lässt sich nicht nachträglich auf ein fertiges System aufpfropfen. Wer frühzeitig Verantwortung integriert, schafft nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern vor allem Kundennähe und Differenzierung. Der EU AI Act kann hier als Leitplanke dienen, ist aber nur dann wirksam, wenn er aktiv in Strategie und Prozesse übersetzt wird. Das ist aber letztlich der wahre Wettbewerbsvorteil im KI-Zeitalter. 

Hören Sie dazu auch unseren Podcast mit Enza Iannopollo

Meike Tarabori, Chefredaktorin cmm360

Meike Tarabori

Im Januar 2019 übernahm Meike Tarabori die Position als Chefredakteurin des cmm360, das renommierte Schweizer Magazin für Customer Relations Stars und Service Champions. Als erfahrene Expertin für Marketing und Kommunikation mit Abschlüssen in Business, Marketing und deutscher Literatur hat sie wertvolle Erfahrungen unter anderem bei Unternehmen wie KUKA Robotics und zuletzt beim Cybathlon ETH Zürich gesammelt. Im Rahmen eines umfangreichen Rebranding-Projekts verlieh sie dem cmm360 seine aktuelle, moderne Ausrichtung. Seitdem hat sie nicht nur die Onlinepräsenz des Magazins erfolgreich etabliert, sondern kontinuierlich neue Formate wie die Podcasts «Nice To Meet You», «Meike's Raumzeit» und «ICT Talk» entwickelt. Darüber hinaus fungiert sie als Organisatorin des Schweizer Customer Relations Awards, eine Plattform, die innovative Projekte zur Gestaltung nachhaltiger Kundenbeziehungen und einzigartiger Kundeninteraktionen würdigt und auszeichnet.

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