KI im E-Commerce: Trends, Chancen und Herausforderungen

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Prof. Dr. Darius Zumstein, Professor für Digitales Marketing an der FHNWProf. Dr. Darius Zumstein, Professor für Digitales Marketing an der FHNW
Prof. Dr. Darius Zumstein, Professor für Digitales Marketing an der FHNW

Der E-Commerce steht vor einem Wandel: KI, Social Commerce und datengetriebene Strategien gewinnen an Bedeutung. Unternehmen müssen sich an veränderte Kundenbedürfnisse anpassen, Prozesse automatisieren und personalisierte Erlebnisse schaffen. Besonders Direct-to-Consumer-Modelle und Marktplätze verändern den Wettbewerb. Trotz grosser Chancen stellt die Implementierung von KI viele Händler vor Herausforderungen wie Datenqualität, Systemintegration und Datenschutz. Doch eines ist klar: Wer früh investiert, steigert Effizienz, Kundenbindung und Wettbewerbsfähigkeit in einem dynamischen Markt.

Der Online-Handel wächst, doch die Herausforderungen steigen: Die Konkurrenz wird grösser, Kundenerwartungen verändern sich und neue Technologien wie KI und Social Commerce revolutionieren den Markt. Prof. Dr. Darius Zumstein, Professor für Digitales Marketing an der FHNW, forscht seit Jahren im Bereich E-Commerce und Customer Experience. In diesem Interview gibt er Einblicke in die neuesten Entwicklungen, Herausforderungen für Händler und die wachsende Bedeutung von KI und datengetriebenen Strategien.

Herr Prof. Zumstein, Sie führen regelmässig die Online-Händler-Befragung durch. Welche Erkenntnisse haben Sie in der neuesten Studie besonders überrascht?

Eine der grössten Überraschungen ist der Trend zu Direct-to-Consumer (D2C), auch bekannt als Factory-to-Consumer. Immer mehr Hersteller verkaufen direkt an Endkunden und umgehen traditionelle Vertriebswege. Gleichzeitig sorgt der Markteintritt von Plattformen wie Temu für Verunsicherung, da viele Händler nicht wissen, wie sie sich gegenüber dieser günstigen Konkurrenz aus China positionieren sollen.

Interessant ist auch, dass trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten 58% der Online-Händler weiterhin Wachstum verzeichnen. Doch der Markt wird komplexer: Social Commerce, KI und Automatisierung gewinnen massiv an Bedeutung, während sich Konsumentenverhalten und Erwartungen rasant verändern.

Wie verändert Social Commerce die Customer Journey und den Vertrieb im Online-Handel?

Social Media ist längst kein reiner Kommunikationskanal mehr – es wird immer stärker zu einem direkten Vertriebskanal. Plattformen wie Instagram, TikTok und Facebook ermöglichen es, Produkte direkt zu präsentieren, zu bewerben und sogar über In-App-Käufe zu verkaufen.

Besonders TikTok-Shops sind ein wachsender Trend. Hier entsteht eine neue Form der Kundenreise: Von der Inspiration durch Influencer und Community-Empfehlungen direkt zum Kauf – oft ohne den klassischen Online-Shop zu besuchen. Das bedeutet für Händler, dass sie ihre Marketing- und Vertriebskanäle enger verzahnen und sich an diese neuen Konsumgewohnheiten anpassen müssen.

Was bedeutet das für Unternehmen? Müssen Marketing, Sales und Kundenservice enger zusammenarbeiten?

Definitiv. Die Zeiten, in denen Marketing, Vertrieb und Kundenservice isoliert arbeiteten, sind vorbei. Der E-Commerce von heute erfordert ein nahtloses Zusammenspiel dieser Bereiche – und das gelingt nur mit den richtigen Tools und Prozessen.

Wir sehen, dass Marketing Automation, CRM-Integration und datengetriebenes Kundenmanagement immer wichtiger werden. Unternehmen nutzen beispielsweise Salesforce, HubSpot oder Microsoft Dynamics, um Kundeninteraktionen über verschiedene Kanäle hinweg zu verknüpfen. Besonders im B2B-Bereich wird gezieltes Lead-Nurturing immer relevanter.

Zudem zeigen unsere Studien, dass Unternehmen, die ihre Kundendaten intelligent nutzen, ihre Kundenbindung und ihren Umsatz deutlich steigern können.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz im E-Commerce?

KI ist einer der grössten Gamechanger im Online-Handel. Die wichtigsten Einsatzbereiche sind derzeit:

  • Texterstellung & Übersetzungen: Händler nutzen KI-Tools wie ChatGPT oder DeepL, um Produktbeschreibungen, Werbetexte und mehrsprachige Inhalte effizienter zu erstellen.
  • SEO & Suchmaschinenoptimierung: KI hilft, Inhalte zu optimieren, damit Shops bei Google und in KI-gestützten Suchsystemen besser gefunden werden.
  • Personalisierung & Kundeninteraktion: Von KI-gestützten Produktempfehlungen bis hin zu Chatbots für den Kundenservice – Unternehmen, die ihre Services anpassen, steigern die Conversion Rate.
  • Automatisierung im Kundenservice: Intelligente Service- und Verkaufs-Chatbots unterstützen Kunden rund um die Uhr und entlasten Support-Teams.

Der grosse Vorteil von KI ist die massive Zeit- und Kostenersparnis. 90% der Händler in unserer Studie gaben an, dass sie durch KI ihre Effizienz steigern konnten – sei es durch schnellere Content-Erstellung, Automatisierung von Prozessen oder optimierte Kundenkommunikation.

Welche Herausforderungen sehen Sie in der KI-Implementierung?

Trotz des enormen Potenzials stehen viele Unternehmen laut unserer Befragung vor folgenden Hürden:

  • Know-how-Mangel: Viele Unternehmen haben noch nicht das nötige Wissen, um KI gezielt einzusetzen. Hier sind Weiterbildungen und Pilotprojekte entscheidend.
  • Datenqualität & Systemintegration: KI funktioniert nur so gut wie die zugrunde liegenden Daten. Wer unstrukturierte oder veraltete Kundendaten hat, wird keinen Nutzen aus KI-Anwendungen ziehen.
  • Technische Implementierung: Während grosse Unternehmen massgeschneiderte KI-Lösungen entwickeln können, greifen KMU oft auf Standard-Tools zurück. Die Herausforderung liegt darin, diese effizient in bestehende Prozesse zu integrieren.
  • Datenschutz & Ethik: Der sichere Umgang mit sensiblen Kundendaten ist essenziell – hier gibt es noch viele offene Fragen zur Regulierung und Compliance.

Dennoch ist klar: KI ist gekommen, um zu bleiben. Unternehmen sollten sich aktiv mit der Technologie auseinandersetzen, Testprojekte starten und Erfahrungen sammeln, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Wie sieht die Zukunft des E-Commerce aus? Welche Trends sollten Händler im Blick behalten?

Der E-Commerce wird noch dynamischer, datengetriebener und individueller. Weitere wichtige Entwicklungen, die wir in unserer Befragung erkennen konnten, sind:

  • KI-gestützte Personalisierung: Kunden erwarten massgeschneiderte Erlebnisse – von individuellen Angeboten bis hin zu automatisierten Produktempfehlungen.
  • Social Commerce boomt: TikTok, Instagram & Co. werden zunehmend zu direkten Verkaufskanälen. Händler müssen hier präsent sein.
  • Marktplätze & D2C-Strategien: Unternehmen müssen entscheiden, ob sie auf Plattformen wie Amazon verkaufen oder ihre Marke durch Direct-to-Consumer-Modelle stärken.
  • Automatisierung & Effizienzsteigerung: KI-gestützte Content-Erstellung, Chatbots und Prozessoptimierung sparen Zeit und Kosten.

Für Händler bedeutet das: Flexibel bleiben, neue Technologien nutzen und datengetriebene Entscheidungen treffen.

Ihr Fazit: Was raten Sie Unternehmen, die sich im E-Commerce behaupten wollen?

Unternehmen, die im E-Commerce erfolgreich bleiben wollen, sollten KI aktiv testen und sich kontinuierlich weiterbilden. Der intelligente Einsatz von Kundendaten ermöglicht personalisierte Erlebnisse und stärkt die Kundenbindung. Gleichzeitig ist ein kanalübergreifender Ansatz entscheidend. Automatisierung durch KI hilft zudem, Prozesse effizienter zu gestalten, Kosten zu senken und Skalierbarkeit zu ermöglichen. Unternehmen, die jetzt handeln, haben die Chance, sich im wachsenden E-Commerce-Markt zu positionieren und Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Das gesamte Gespräch mit Prof. Dr. Darius Zumstein gibt es auch als Podcast

Meike Tarabori, Chefredaktorin cmm360

Meike Tarabori

Im Januar 2019 übernahm Meike Tarabori die Position als Chefredakteurin des cmm360, das renommierte Schweizer Magazin für Customer Relations Stars und Service Champions. Als erfahrene Expertin für Marketing und Kommunikation mit Abschlüssen in Business, Marketing und deutscher Literatur hat sie wertvolle Erfahrungen unter anderem bei Unternehmen wie KUKA Robotics und zuletzt beim Cybathlon ETH Zürich gesammelt. Im Rahmen eines umfangreichen Rebranding-Projekts verlieh sie dem cmm360 seine aktuelle, moderne Ausrichtung. Seitdem hat sie nicht nur die Onlinepräsenz des Magazins erfolgreich etabliert, sondern kontinuierlich neue Formate wie die Podcasts «Nice To Meet You», «Meike's Raumzeit» und «ICT Talk» entwickelt. Darüber hinaus fungiert sie als Organisatorin des Schweizer Customer Relations Awards, eine Plattform, die innovative Projekte zur Gestaltung nachhaltiger Kundenbeziehungen und einzigartiger Kundeninteraktionen würdigt und auszeichnet.

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