Die IFZ Generative AI in Finance Studie untersucht, wie Banken und Versicherungen von den Erfahrungen anderer Branchen wie Einzelhandel und Gesundheitswesen profitieren können. Zwei zentrale Frameworks, die Gen AI Skala und der KI-Prozess-Kompass, bieten praxisnahe Werkzeuge zur erfolgreichen Integration von KI in die Finanzbranche. Diese Frameworks helfen, KI-Anwendungen besser zu differenzieren und Implementierungen effizient zu gestalten. Unternehmen erhalten wertvolle Einblicke in die Best Practices und Chancen der Generative AI, um zukunftsfähige Kundenlösungen zu entwickeln.
Die neue Studie ist verfügbar und zeigt erstmalig auf, wie Banken und Versicherungen nicht nur aus der eigenen Branche, sondern vielmehr was sie von anderen Branchen im Hinblick auf Generative AI lernen können. Die Studie zeigt wichtige Anwendungsfelder von Generative AI in der Finanzwelt auf und bringt zwei neue praxisrelevante Frameworks ins Gespräch: Die Gen AI Skala, sowie den KI-Prozess-Kompass.
Bisherige Recherchen zu den Erwartungen von Banken- und Versicherungskunden legen nahe, dass Kunden bei der Auswahl eines Finanzdienstleisters – sei es eine Bank oder eine Versicherung – tendenziell dieselben Bewertungskriterien anwenden, die auch in anderen Wirtschaftssektoren, also in finanzfremden Branchen, wie Retail, Pharmaindustrie oder Unterhaltungsbranche, üblich sind. In diesem Kontext ist der Einsatz modernster Technologien von wesentlicher Bedeutung.
Aus diesem Grund haben wir in der neusten IFZ Generative AI in Finance Studie untersucht, wie andere Branchen wie Einzelhandel, Gesundheit, Tourismus und viele weitere bereits Generative AI nutzen und die Übertragbarkeit dieser Anwendungsfälle auf Schweizer Finanzunternehmen evaluiert.
Um auf der Unternehmensseite, zunächst branchenunabhängig, die heutigen Anwendungen, Chancen und Herausforderungen von Generative AI sowie die ersten Erfahrungen mit diesen Anwendungen zu evaluieren, wurden qualitative Befragungen mit leitenden Mitarbeitenden aus den Bereichen Kundenservice, Informationsdienste, Compliance, Marketing und Kommunikation durchgeführt.
Zusätzlich wurden die Befragungen mit einem Überblicks-Research im Zeitraum vom 01.Mai bis 31. Mai ergänzt.
Schlussendlich wurden die Ergebnisse der Befragungen mit Experten aus der Finanzbranche gespiegelt, um die Übertragbarkeit der Generative AI-Anwendungen auf die Finanzindustrie abschätzen zu können.
Zwei Zentrale Frameworks als Ergebnisse der Studie
Als Ergebnis der Generative AI in Finance Studie 2024 präsentieren wir zwei neue zentrale Frameworks: Die Gen AI Skala und den KI-Prozess-Kompass.
Die Gen AI Skala dient dazu die vielen unterschiedlichen Anwendungen von Generative AI sinnvoll zwischen jenen die eher im Hinblick auf eine direkte Bedienung durch Kunden vorgesehen sind, von denen, die eher eine automatisierte Dunkelverarbeitung ermöglichen differenziert betrachten.
Der KI-Prozess-Kompass bietet Banken und Versicherungen anschliessend ein neues Tool zur erfolgreichen und langfristigen Einführung der Generative AI-Anwendungen.
Der KI-Prozess-Kompass im Detail
Im Rahmen der Analyse der Unternehmens-Befragungen konnten wir bei der Einführung von Generative AI-Anwendungen einige Parallelen feststellen. Diese ergänzt unsere in der Vergangenheit vorgeschlagene Vorgehensweise (Hafner & Hundertmark, 2024) mit konkretem Praxiswissen. Sodass wir gesamthaft daraus folgendes Vorgehen als Best Practice Prozess abgeleitet haben und nun in Form des KI-Prozess-Kompass präsentieren.

Der Prozess beginnt mit einer Analyse der bestehenden Kundendialoge sowie der Interaktionen mit den Kunden, um aktuelle oder zukünftige Herausforderungen zu identifizieren. In diesem Schritt wird auch der Usecase definiert, beispielsweise mithilfe der Value Irritant-Matrix von Price und Jaffe (2008). Anschließend erfolgt eine Machbarkeitsprüfung, um festzustellen, ob der Einsatz von Generative AI zur Lösung der Herausforderungen geeignet ist. Sobald die Machbarkeit bestätigt ist, wird die konkrete Generative AI-Anwendung festgelegt. Dabei werden die erwarteten Chancen und Zielsetzungen definiert, einschließlich der Key Performance Indicators (KPIs). Danach müssen interne Genehmigungen eingeholt werden, was die Sicherstellung des Budgets und die Erfüllung von Compliance-Vorgaben umfasst.
Im nächsten Schritt werden Angebote für die technische Umsetzung eingeholt, wobei eine „Make or Buy“-Entscheidung vorausgeht. Es folgt die Auswahl eines passenden Technologieanbieters oder die Entscheidung für eine interne Umsetzung (Make). An diesem Punkt wird auch festgelegt, welches Sprachmodell verwendet werden soll. Die Daten werden bereitgestellt, und ergänzende Informationen zu Prompts, Finetuning sowie Regeln für das Large Language Model (LLM) werden erstellt. Daraufhin erfolgt die technische Umsetzung, bei der das Sprachmodell, die Daten, die Prompts und das Finetuning miteinander verknüpft werden.
Es folgt eine Phase des Testings und der Optimierung. Gleichzeitig werden alle internen und externen Kommunikationsmassnahmen vorbereitet. Intern werden Schulungen für die Mitarbeitenden durchgeführt, um sie im Umgang mit der neuen AI-Anwendung zu schulen. Je nach Unternehmensstrategie erfolgt der Rollout entweder als Soft-Launch oder direkt als finaler Launch. Externe Kommunikationsmaßnahmen begleiten diesen Prozess. Schliesslich wird das System kontinuierlich überwacht, und Optimierungen werden vorgenommen, um den langfristigen Erfolg zu sichern.
Bei der Einführung von Generative AI-Anwendungen, die Kunden direkt bedienen können, wie beispielsweise Chat- oder Voicebots, muss berücksichtigt werden, dass neben den internen Stakeholdern vor allem auch die Kundensicht in das Projekt einfliessen muss. Die Kunden müssen nicht nur befragt werden, sondern es müssen auch ihre Erwartungen getroffen oder im Idealfall sogar übertroffen werden.
Im Hinblick auf mitarbeiterunterstützende Generative AI-Anwendungen stellen Anwendungen, die den internen Wissensaustausch vereinfachen sollen, eine oft erwähnte Lösung dar. Gemeint sind hier mehrheitlich Anwendungen zur Entlastung der Personalabteilung, in denen Mitarbeitende ihre Fragen rund um die Organisation und zu personalpolitischen Themen mittels einem KI-Chatbot beantwortet bekommen.
Sämtliche dieser Anwendungen erfordern eine saubere Anbindung bzw. Vernetzung der Generative AI mit den internen Wissensquellen.
Für die Anwendung des KI-Prozess-Kompass bedeutet dies, dass er von uns zwar als Best-Practice Beispiel und als ein erfolgreiches Tool zur Einführung von Generative AI-Anwendungen dient. Wenden Unternehmen den Kompass aber an, muss zunächst individuell geprüft werden, welche Prozess-Schritte für das Unternehmen, deren Kunden und Mitarbeitende wirklich relevant sind und welche eher kurzfristig abgehandelt werden können.
Unternehmen, die bis zur Nutzung des KI-Prozess-Kompass noch keinerlei eigene Erfahrungen mit Generative AI-Projekten gesammelt hatten, sollten an dieser Stelle über eine externe Beratung nachdenken. Ebenfalls sehr empfehlenswert sind die vielen Usecase, die in der Studie gezeigt werden. Erfahrungen anderer Unternehmen verdeutlichen immer wieder, wie wichtig der Austausch mit anderen Unternehmen ist. Nur die wenigsten Unternehmen können sich hier als Experten bezeichnen. Vielmehr geht es zu diesem Zeitpunkt noch darum, Wissen zu teilen, von den Erfahrungen anderer zu profitieren und neue Erkenntnisse und Best Practices mit Generative AI zu entwickeln.
HSLU
Die Hochschule Luzern ist die Fachhochschule der sechs Zentralschweizer Kantone und vereinigt die Departemente Technik & Architektur, Wirtschaft, Informatik, Soziale Arbeit, Design Film Kunst, Musik sowie den Schwerpunkt Gesundheit. Mit rund 8'200 Studierenden und rund 12'000 Weiterbildungsteilnehmenden (davon 5000 MAS, DAS, CAS), 326 neuen Forschungsprojekten und 2'109 Mitarbeitenden ist sie die grösste Bildungsinstitution im Herzen der Schweiz.