Ein Gespräch mit Edgar Baumeler, Senior Managing Consultant CX Contact Center Solutions bei NTT DATA DACH und Stephan Fehlmann, Country Manager DACH bei der Spitch AG, über Kundenerwartungen an Banken im Wandel der Digitalisierung.
Wie haben sich Kundenerwartungen während und seit Beginn der Pandemie verändert?
Stephan Fehlmann: Die Verwendung der Kommunikationskanäle hat sich zugunsten von Telefon und Online verschoben und die Service-Zeiten haben sich geändert. Was früher in den Randstunden erledigt wurde, wird heute viel mehr 7×24 abgefragt. Dies verstärkt wiederum den Druck auf Unternehmen, Services rund um die Uhr anzubieten.
Welche Kanäle nutzen Kund:innen heute vermehrt, um ihre Bank zu kontaktieren?
Stephan Fehlmann: Der Wechsel zum Omnichannel hat sich weiter verstärkt. Die Kundin oder der Kunde agiert heute über alle Kanäle: Kontakt am Schalter, am Telefon, über den Voice- und Textbot sowie auf Social Media. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Wenn der Dialog mit einem Bot auf der Webseite beginnt und komplexer wird, übernimmt in der Regel ein Live-Agent. Das Ausfüllen der Formulare erfolgt abschliessend auf der Webseite. Dabei erwartet die Bankkundin oder der Bankkunde, dass die bereits kommunizierten Informationen weiter verwendet und nicht neu erfasst werden müssen. Zudem gehen Kund:innen davon aus, dass «Online-Services» wie Voice- und Textbots rund um die Uhr an allen Wochentagen verfügbar sind und, dass die Erfassung ihres Anliegens nicht mehr in einer reinen «Batch»-Verarbeitung geschieht, die erst am nächsten Morgen verarbeitet wird. Erweist sich dieser Dialog jedoch als schleppend, verlieren Kund:innen das Vertrauen in diesen Kanal respektive in die Bank. Bestehende Kunden sind sicher etwas geduldiger als potenzielle Neukunden, die in so einem Fall schnell zur nächsten Bank wechseln.
Wo liegen die grössten Herausforderungen, um Kundenerwartungen gerecht zu werden?
Edgar Baumeler: Es gibt noch grosse Unterschiede von Bank zu Bank. Eine umfassende und voll integrierte Omnichannel-Infrastruktur ist mit Aufwand und Kosten verbunden. Der Aufwand wiederum hängt sehr stark vom jeweiligen Use Case ab. Ein «Bot»-Projekt beispielsweise ist prädestiniert für ein agiles, schnelles Vorgehen. Bei der Erkennung von Anliegen sind in der Regel allerdings mehrere Abteilungen beteiligt, deren unterschiedliche Vorstellungen und Anforderungen berücksichtigt werden müssen. Ziel eines jeden Use Cases ist es aber in jedem Fall, bei Nutzer:innen ein positives Kundenerlebnis zu schaffen. Daher ist es empfehlenswert, erst einmal mit ein oder zwei Cases zu starten, um Erfahrungen zu sammeln und auch im Sinne eines «Time-to-Market» schnell agieren zu können. Die Einführung eines solchen Use Cases inklusive der Plattform und einer Anbindung an eine erste Schnittstelle dauert circa zwei bis drei Monate. Dafür wird in der Regel ein kleines Team bestehend aus zwei bis vier Personen benötigt, das für die Planung und Implementierung verantwortlich ist. Anschliessend kann das System laufend um weitere Use Cases erweitert werden.
Im Vorfeld muss einiges geklärt werden: Welche Prozesse lassen sich automatisieren, wann übernehmen die Mitarbeitenden und wie lässt sich die Lösung nahtlos in die vorhandene Infrastruktur integrieren. Technisch liegen die Daten oft noch in Silos, und es gibt ein komplexes Feld an unterschiedlichen Systemen für verschiedene Abteilungen und Bereiche mit mehreren Betreibern. Häufig fehlen moderne, leicht anzubindende Webschnittstellen zur Nutzung und Verbreitung von Daten. Gerade die Integration von KI-Systemen in eine bestehende Systemlandschaft kann somit Zeit in Anspruch nehmen. Darüber hinaus befinden sich Banken in der Transformation oder auf dem Weg dahin und Umsysteme verändern sich laufend. All diese Voraussetzungen gilt es in der Architektur und dem Design zu berücksichtigen, damit Anpassungen am KI-System minimal bleiben, wenn sich die Systemlandschaft verändert.
Inwiefern erfüllen Schweizer Banken die Anforderungen an Qualität und Quantität der Kundendaten?
Edgar Baumeler: Die Qualität der Daten ist bei Schweizer Banken generell sehr gut. Da in der Regel das Kernbanken-System als Basis genutzt wird, sind die entsprechenden Daten aufgrund regulatorischer und rechtlicher Vorgaben korrekt und aktuell. Dies wiederum trägt dazu bei, dass ein CRM-System, das oft lediglich eine Erweiterung des Kernbankensystems darstellt, reibungslos funktioniert.
Kundenrelevante Daten, die nicht direkt für die eigentlichen Kernprozesse benötigt werden, sind deutlich weniger umfangreich, als das in anderen Branchen der Fall ist. Die 360°-Sicht auf die Kundin oder den Kunden ist daher nicht immer vorhanden. Zumal relevante Kundendaten oft historisch gewachsen eher in den Köpfen der Kundenberater:innen existieren und aus diesem Grund bisher nicht vollständig von CRM-Systemen genutzt werden können.
Wie gut kennen Banken Ihre Kund:innen entlang der Customer Journey – Stichwort ganzheitliche, abteilungsübergreifende Kundendaten?
Edgar Baumeler: Grundsätzlich ist es für alle Banken eine Herausforderung, Kund:innen nahtlos über alle Kanäle entlang der gesamten Customer Journey zu kennen. Oft sind Services noch an interne Strukturen orientiert, was Kund:innen wiederum nicht interessiert. Sie erwarten Antworten und Lösungen. Daher bemühen sich Banken verstärkt darum, ihre Kund:innen und speziell deren Anliegen entlang der Customer Journey besser kennenzulernen. Ziel ist es, sie personalisiert bedienen und auch proaktiv Self Services anbieten zu können.
Welche Möglichkeiten bietet Conversational AI und Automatisierung?
Stephan Fehlmann: Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Banken die Betriebskosten reduzieren und gleichzeitig den Kundenservice erhöhen, was grundsätzlich im Widerspruch steht! Denn mehr «Service» kostet in den meisten Fällen auch mehr Ressourcen und mehr Geld. Conversational AI ermöglicht es Banken, teure Mitarbeiter:innen mithilfe von KI von einfachen und wiederkehrenden Aufgaben zu entlasten und ihnen sie wiederum mehr Zeit für wertschöpfende Beratungsgespräche zu geben.
Der Voice- und Textbot steht rund um die Uhr ohne Wartezeit immer sofort zur Verfügung und kann alle Fragen effizient beantworten. Die Erfahrung zeigt, dass ein gut entwickelter Bot Bankmitarbeiter:innen am Telefon um bis zu 20 % entlasten kann.
Mit einer Conversational AI-Lösung, wie diejenige von Spitch, schafft sich die Bank eine einheitliche Plattform für das Bauen, Integrieren und den sicheren Betrieb einer KI-basierten Omnichannel-Kundendialog-Plattform. Die Schnittstellen in die Umsysteme müssen für die Voice- und Textbots nur einmal erstellt werden und auch die einzelnen Prozess-Komponenten (Bsp. Kundenidentifizierung und -verifizierung) können einmalig erstellt und mehrfach verwendet werden. Dies führt zu einer Reduzierung des Aufwands, einer Verbesserung der Umsetzungsgeschwindigkeit und einer Erhöhung der Sicherheit.
Gibt es Schweizer Banken, die Conversational AI bereits erfolgreich einsetzten?
Stephan Fehlmann: Conversational AI ist nichts Statisches, was ich heute einführe und dann die nächste fünf Jahre nicht mehr anfasse. Conversational AI ist ein Prozess, welchen die Bank laufend den Kundenanforderungen anpasst. Spitch hat eine grosse Anzahl von Bankkunden, die auf diesem Weg zusammen mit uns sehr erfolgreich unterwegs sind. Unter anderem die Migros Bank, ZKB, Raiffeisen, Swisscard und in Deutschland diverse Volksbanken.
Was haben diese Banken richtig gemacht?
Edgar Baumeler: Eine neue Technologie bedingt auch immer einen Lerneffekt. Durch den Einsatz der neuen Technologie und die Integration der Plattform in bestehende Ökosysteme konnten Banken wertvolle Erfahrungen sammeln. Dadurch sind sie sowohl in Bezug auf ihr Wissen als auch technologisch bereit, kurzfristig auf neue Marktbedürfnisse zu reagieren. Auch den Kund:innen wird ermöglicht, Erfahrung mit der Technologie zu sammeln. Das wiederum eröffnet den Banken die Möglichkeit, die Bedürfnisse der Kunden besser zu verstehen und Produkte sowie Services zu optimieren. Nicht zuletzt bieten Banken, die Bots einsetzen, dem Kunden den Mehrwert, bestimmte Prozesse mit der Stimme zu steuern, was in der Regel als ein verbesserter Service wahrgenommen wird.
Worin liegt aus Sicht der Mitarbeiter:innen im Kundenservice der Mehrwert?
Stephan Fehlmann: Die meisten Bots eignen sich für einfache und/oder häufig wiederkehrende Antworten. Zudem arbeitet der Bot, ohne zu meckern, 7×24 und das in allen möglichen Sprachen. Genau in diesen Punkten kann der Bot viel unangenehme Arbeit übernehmen und der Mitarbeiter kann sich auf «wertvermehrende» Gespräche konzentrieren.
Stellt eine solche KI-gesteuerte Plattform nicht auch ein Sicherheitsrisiko dar?
Edgar Baumeler: Selbstverständlich bestehen Risiken, die mit guten Partnern, wie Spitch und NTT professionell gemanaged werden. Einerseits stellt ein «doofer» KI-Bot ein Risiko für die Reputation des Unternehmens dar. Einigen ist sicher noch das erste KI-Bot TAY von Microsoft in Erinnerung, der nach ein paar Tagen gestoppt werden musste, weil der KI-Bot von Benutzer:innen rassistische und sexistische Antworten gelernt hatte und entsprechende Antworten gab. Andererseits stellt eine KI-Plattform auch immer eine Schnittstelle in das Unternehmen dar, was Sicherheitsrisiken mit sich bringt, die es gilt, entsprechend zu überwachen.
Wichtig ist, dass kein unbefugter Zugriff auf sensible Daten möglich ist. Dies lässt sich mit spezifischen Sicherheitsmerkmalen und einer sprachbiometrischen Authentifizierung sicherstellen. Auch die Ergebnisse der Lösung, speziell bei automatisierten Use Cases, sollten regelmässig durch das Prinzip der menschlichen Aufsicht stichprobenartig überprüft und optimiert werden. Darüber hinaus verfügen KI-Lösungen in der Regel Boardmittel, um Anomalien besser und schneller zu erkennen als mit herkömmlichen Arbeitsweisen.
Ein weiterer Punkt sind hohe Sicherheits- und Datenschutzanforderungen, die Schweizer Banken haben. Anbindungen des Bankensystems einerseits, aber auch Verbinden des «Voice»- oder «Chat» Kanals an einen «Internetservice» zu bekannten globalen Providern werden oft nicht akzeptiert. Gewünscht wird die End-to-End Kontrolle der Daten und Prozesse. Hier gilt es individuelle Lösungen zu erarbeiten, die diese Kundenanforderungen berücksichtigen.
Wie sieht der Kundenservice von Schweizer Banken in drei Jahren aus?
Stephan Fehlmann: Wie eingangs erwähnt, wird der Trend zu einer Omnichannel Bank sicher weitergehen. Und das Wort «Omni» sagt bereits, dass es die Bankmitarbeiterin oder den Bankmitarbeiter am Telefon oder am Schalter weiterhin braucht. Die Kundin oder der Kunde wird aber in der Zukunft einfache Anfragen und Geschäfte vermehrt selbstständig ausführen und mit einem KI-Bot kommunizieren.
Edgar Baumeler: Die Kund:innen müssen mit der neuen Technologie auch Erfahrungen sammeln können, wie das analog mit E-Banking oder mit Self Scanning-Kassen der Fall war. Mit der Nutzung lernen Kund:innen auch die Vorteile der neuen Lösungen kennen. In der Finanzbranche sind die sogenannten «Agent:innen» meist hochqualifizierte Kundenberater, die durch Technologie von Routineaufgaben wie der Anliegenqualifizierung oder der Kundenauthentifizierung entlastet werden. Damit wird es ihnen möglich, mehr Zeit für komplexe Anfragen zu haben und somit Mehrwert für Kunden und die Bank zu schaffen. Im besten Fall entsteht damit eine Win-win-Situation.
Conversational AI: Best Practice am Swiss Customer Relations Forum
Sie möchten mehr über das Thema und andere Use Cases erfahren? Dann haben Sie die Möglichkeit, Spitch und NTT DATA am Swiss Customer Relations Forum am 31. August 2023 zu treffen. Sowohl Spitch als auch NTT DATA werden mit einem eigenen Stand vertreten sein und stehen gerne für weitere Fragen zur Verfügung. Zudem wird die Migros Bank in einer Best Practice Session Einblicke in ihre erfolgreiche Umsetzung der Spitch-Sprachlösung geben, die von NTT DATA integriert wurde.
Über Spitch und NTT DATA
Spitch und NTT DATA sind enge Partner bei der Implementierung digitaler Sprach- und Textlösungen. Namhafte Schweizer Kunden gehören bereits zu ihren Kunden. Weitere Informationen erhalten Sie unter info@spitch.ch oder info-ch@nttdata.com.
Die Schweizer Spitch AG feiert 2024 ihr zehnjähriges Bestehen. Mit Präsenz in zahlreichen europäischen Ländern und Nordamerika ist das Schweizer Unternehmen ein führender Entwickler und Anbieter von Sprach- und Textdialogsystemen für Unternehmen und Behörden. Spitch-Systeme verstehen nicht nur Wörter und Sätze, sondern insbesondere auch den Sinn des Gesagten. Hierzu setzt Spitch auf durchgängig eigenentwickelte Software, die Natural Language Processing (NLP), Artificial Intelligence (AI) und Machine Learning (ML) und Large Language Models (LLM) kombiniert. Je nach Anforderungen werden unterschiedliche Module auf Grundlage einer einheitlichen Omnichannel-Plattform zu einer kundenspezifischen Lösung zusammengeführt. Spitch-Systeme arbeiten in namhaften Call- und Contact-Center, Banken und Versicherungen, Telekommunikationsfirmen, der Automobil- und Transportbranche, dem Gesundheitswesen und im öffentlichen Dienst.