Mobilitätsdienste bieten Menschen vielfältige Möglichkeiten, von A nach B zu gelangen. Ob Bus und Bahn, Fahrrad oder e-Scooter, Car-Sharing oder eigenes Auto: Die Optionen nehmen stetig zu und können erheblich zu einer nachhaltigeren, günstigeren und gesünderen Mobilität beitragen. Die Wahl des passenden Verkehrsmittels hängt stets von den Umständen ab: Welche Angebote sind verfügbar, wie entwickelt sich das Wetter, gibt es viel Verkehr oder wenig Parkplätze am Zielort? Nahtlose Mobilität bedeutet, für jede Teilstrecke das geeignetste Verkehrsmittel wählen und dazwischen bequem und schnell wechseln zu können.
Doch was ist überhaupt das optimale Fortbewegungsmittel für meine Situation? Wie kann man bei den vielen Angeboten den Überblick behalten? »Mit Künstlicher Intelligenz!«, lautet die Antwort. Karlsruher Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Verkehrsbetriebe wollen gemeinsam eine App entwickeln, die sämtliche verfügbaren Verkehrsdaten bündelt und den Bürgerinnen und Bürgern fundierte Vorschläge macht, mit welchen Verkehrsmitteln sie ihr jeweiliges Ziel optimal erreichen.
Fokus des Projekts DAKIMO (Daten und KI als Befähiger für nachhaltige, intermodale Mobilität) ist, die regiomove-App des Karlsruher Verkehrsverbunds KVV auszubauen. Die Partner untersuchen dafür, wie das Potential der vielen bereits verfügbaren Daten etwa aus mobilen Apps, ÖPNV-Betrieb sowie Verkehrs- und Wettervorhersage ausgeschöpft werden kann, um Anwenderinnen und Anwendern passgenaue Vorschläge für Verkehrsmittel machen, die optimal zu ihren Bedürfnissen und ihrer Route passen, Dienstleistungen zu verbessern und Nutzungshürden bei umwelt- und klimafreundlichen Verkehrsmitteln abzubauen. Damit soll das zugrundeliegende Forschungsziel erreicht werden, die Möglichkeiten von KI-basierter Datenauswertung im Mobilitätsanwendungsfall systematisch zu analysieren sowie Verfahren und Architekturen methodisch zu entwickeln. Ihre Eignung wird fundiert am realen Anwendungsfall evaluiert, um die Zukunftspotentiale des Ansatzes zu bewerten.
Individuelle, situations- und bedarfsgerechte Empfehlungen für Verkehrsmittel
Die Daten öffentlicher Verkehrsbetriebe, von Städten und Kommunen, Endnutzerinnen und Endnutzern sowie der regiomove-Ports (Knotenpunkten, an denen sich Bürgerinnen und Bürger über unterschiedliche Mobilitätsangebote in der Region Karlsruhe informieren und zwischen diesen wechseln können), werden mit Umgebungsinformationen zu Wetter und Verkehr zusammengeführt. Das Fraunhofer IOSB setzt KI ein, um diese Datenmengen aufzubereiten und so zu analysieren, dass sie zu individuell sinnvollen Empfehlungen für Verkehrsmittel führen. Neben der technischen Realisierung stehen insbesondere die Sicherstellung der Nachhaltigkeit, die Benutzungsfreundlichkeit und der Datenschutz im Vordergrund: Eingesparte CO2-Emissionen durch eine effizientere Nutzung der Verkehrsmittel sollen abgeschätzt, die Akzeptanz in Studien mit Probandinnen und Probanden untersucht, und ein umfassendes Datenschutzkonzept erarbeitet werden.
Dass äussere Umstände wie etwa das Wetter uns bei der Entscheidung beeinflussen, welches Verkehrsmittel wir jeweils nutzen möchten, erscheint zunächst wenig überraschend. »Soll diese Entscheidung aber im Sinne der Verkehrswende positiv ausfallen, also möglichst für umwelt- und klimafreundliche Verkehrsmittel wie Bus, Bahn oder Fahrrad, müssen wir den Nutzerinnen und Nutzern als Entscheidungsgrundlage optimale Informationen bieten«, sagt Dr. Martin Kagerbauer vom Institut für Verkehrswesen (IfV) am KIT. Bisher gingen Verkehrsmodelle, die als Grundlage für Verkehrspolitik und Planung dienen, davon aus, dass alle Verkehrsteilnehmenden gleich gut informiert seien. »Das ist in der Praxis aber überhaupt nicht der Fall«, erläutert Kagerbauer. Dazu blieben individuelle Faktoren wie Alter und sozialer Status unberücksichtigt. »Für unser Nachfragemodell in mobiTopp, das wir für das Projekt regiomove entwickelt haben, erheben wir solche Daten durch Befragungen«, sagt Gabriel Wilkes vom IfV. MobiTopp bildet bereits sämtliche Wege aller Personen in Karlsruhe ab. Jetzt integrieren die Forschenden des KIT auch Wetter- und Informationsdaten, um die Mobilitätsentscheidungen der Bürgerinnen und Bürger noch genauer zu simulieren.
Nachhaltige Verkehrsplanung dank Mobilitätsdatenbank
Die INIT entwickelt integrierte Soft- und Hardware-Lösungen für die gesamte Prozesskette im öffentlichen Nahverkehr. Eines der wichtigsten Werkzeuge von Verkehrsunternehmen ist die Leitstellen-Software (genannt ITCS). Diese erlaubt eine Echtzeit-Überwachung ihrer Fahrzeuge und ermöglicht im Bedarfsfall das Auslösen sogenannter dispositiver Massnahmen (wie z. B. Umleitungen). Das ITCS ist gleichzeitig für die Verteilung relevanter Daten wie Echtzeit-Informationen an das Fahrgastinformationssystem und Fahrgastzahlen aus den Zählsystemen an das Statistik-Tool zuständig. Damit ist das ITCS ein wertvoller Datenlieferant.
Die INIT wird im Projekt DAKIMO die verschiedenen Daten, die in der Leitstellen-Software zusammenlaufen, mit im Projekt gewonnen ÖPNV-externen Daten anreichern und für externe Systeme interpretierbar machen. Ziel ist es, über die dadurch entstehende umfassende Mobilitätsdatenbank, Einsichten in die Mobilitätsprozesse des Verbundes zu gewinnen und Verkehrsbetriebe in die Lage zu versetzen, ihr Angebot an das intermodale Umfeld anzupassen und Mobilitätsverhalten von Nutzerinnen und Nutzern im Sinne der Nachhaltigkeit zu fördern.
Die INOVAPLAN GmbH beforscht die Integration der Ergebnisse in die Verkehrsplanungspraxis vor allem für Städte und Gebietskörperschaften. Erkenntnisse aus der Nutzung der vielfältigen Datenquellen im Projekt ermöglichen es, kommunale Fragestellungen in der Verkehrsplanung und -steuerung zukünftig besser zu beantworten und neue Ideen oder bisher limitierende Möglichkeiten in der Verkehrsmodellierung zu erweitern. »Durch eine zunehmende Verfügbarkeit von Daten wird deren Integration in die kommunale Verkehrsplanungspraxis immer wichtiger, so dass wir hier einen wichtigen Beitrag liefern, um zeitgemäß zu planen«, so Dr. Tim Hilgert, Projektleiter der INOVAPLAN.
regiomove-App mit offenem, modularem System
Die raumobil GmbH entwickelt nachhaltige, digitale Internetlösungen im Sharing- und Mobilitätsbereich. Die App regiomove ist aus einem von raumobil entwickelten Baukastensystem (Mappkit) für Mobilitätsanwendungen entstanden. Charakteristisch für die Produkte ist, dass sie über ein offenes modulares System verfügen, wodurch neue Schnittstellen und Informationen neuer Dienstleister jederzeit eingebunden werden können. Das ist die Grundlage für die Integration und Nutzbarmachung zusätzlicher mobilitätsrelevanter Datenquellen aus dem Projekt DAKIMO, welche das Nutzungserlebnis der App durch Personalisierung sowie die Bereitstellung zusätzlicher Informationsdienste steigern sollen und den Endnutzerinnen und Endnutzern Zugang zu passgenauen und leicht zugänglichen Mobilitätsangeboten bietet.
»Das DAKIMO-Projekt soll aufzeigen, im welchem Masse Methoden der KI gesellschaftliche Anliegen wie die Mobilitätswende unterstützen, und dabei nachhaltigen, nachweisbaren Mehrwert schaffen können«, sagt Gesamtprojektleiter Dr. Thomas Usländer vom Fraunhofer IOSB. Dazu hat DAKIMO im Oktober 2021 mit einem Budget von etwa 5 Millionen Euro die Arbeit aufgenommen. Die Forschenden treiben in den kommenden drei Jahren die Entwicklung und Umsetzung entsprechender Lösungen im virtuellen Datenraum sowie im realen Verkehr der Region Karlsruhe voran.
An dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 3,5 Millionen Euro geförderten Projekt sind beteiligt: raumobil GmbH, INIT GmbH, INOVAPLAN GmbH, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), KVV und Fraunhofer IOSB.
Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut.
Über die Frauenhofer-Geschellschaft
Die Fraunhofer-Gesellschaft ist die weltweit führende Organisation für anwendungsorientierte Forschung. Unter ihrem Dach arbeiten 75 Institute und Forschungseinrichtungen an Standorten in ganz Deutschland. Eines davon ist das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB mit rund 700 Mitarbeitenden in Karlsruhe, Ettlingen, Ilmenau, Lemgo, Görlitz, Rostock und Peking. Zu seinen Schwerpunkten zählen das industrielle Internet der Dinge, Informationsmanagement, bildgebende Sensoren und die automatisierte Auswertung der anfallenden Daten, bis hin zur Entwicklung von Entscheidungsunterstützungssystemen und (teil-)autonomen Systemen, sowie die Nutzbarmachung Künstlicher Intelligenz in praktischen Anwendungen.