Servicekultur ist mehr als Kundenfreundlichkeit – sie ist Ausdruck von Haltung, Verantwortung und Zukunftsfähigkeit. Eine nachhaltige Servicekultur verbindet wirtschaftliche Exzellenz mit sozialer und ökologischer Verantwortung. Sie basiert auf klaren Werten, langfristigen Beziehungen und echtem Engagement für Kunden, Mitarbeitende und Gesellschaft. In Zeiten von Wandel, Vergleichbarkeit und neuen Erwartungen wird Service zur strategischen Schlüsselkompetenz. Unternehmen, die Service als Haltung leben, schaffen Differenzierung, Vertrauen und langfristigen Erfolg.
Servicekultur ist weit mehr als exzellente Kundenbetreuung. Sie ist der Ausdruck dessen, was ein Unternehmen ausmacht – seiner Werte, Überzeugungen und seines Umgangs mit Kunden, Mitarbeitenden und der Gesellschaft. In einer Zeit, in der einschneidende Veränderungen die Welt verändern, wird eine nachhaltige Servicekultur zum entscheidenden Faktor für langfristigen Erfolg.
Doch wie entwickelt man eine Servicekultur, die dauerhaft und auch in herausfordernden Zeiten Wirkung zeigt und beeindruckt? Anstatt dem Ansatz «Profit over People» beginnt hier der Weg mit einem gemeinsamen Werteverständnis, das auf einem nachhaltigen, innovativen und kundenorientierten Beziehungs- und Qualitätsmanagement aufbaut.
Was bedeutet nachhaltige Servicekultur?
Nachhaltigkeit in der Servicekultur umfasst nicht nur ökologische Aspekte, sondern auch soziale und wirtschaftliche Verantwortung. Eine nachhaltige Servicekultur verbindet Empathie, Konsistenz und Innovation, um Kunden und Mitarbeitende gleichermassen zu begeistern.
Die drei Säulen der nachhaltigen Servicekultur:
- Werteorientierung: Entscheidungen basieren auf den Kernwerten des Unternehmens.
- Langfristigkeit: Der Fokus liegt auf dem Aufbau von Beziehungen, nicht nur auf schnellen Ergebnissen.
- Verantwortung: Unternehmen übernehmen Verantwortung für ihre Auswirkungen auf Kunden, Mitarbeitende und die Gesellschaft.

Warum eine nachhaltige Servicekultur entscheidend ist
In Zeiten von digitalem Wandel, gesellschaftlichem Umdenken und wachsender Vergleichbarkeit von Produkten hat sich die Erwartungshaltung gegenüber Unternehmen radikal verändert. Kunden kaufen heute nicht nur was ein Unternehmen verkauft – sie kaufen auch wofür es steht.
Eine nachhaltige Servicekultur geht weit über guten Kundenservice hinaus. Sie schafft einen emotionalen Resonanzraum – für Kunden wie für Mitarbeitende – und wirkt damit als langfristiger Differenzierungsfaktor.
Eine Unternehmenskultur kann dann als nachhaltig definiert werden, wenn Service nicht als Pflicht, sondern als Haltung verstanden wird. Sie verbindet:
- Empathie mit Verantwortung
- Lösungsorientierung mit Lernbereitschaft
- Wirtschaftliche Exzellenz mit gesellschaftlicher Wirkung

Die drei wichtigsten Vorteile – mit Beispielen
- Stärkung der Markenbindung: «Kunden bleiben nicht, weil sie müssen – sondern weil sie sich verstanden fühlen.» Unternehmen mit klarer Werteorientierung und konsistenter Servicehaltung binden Kunden über Jahre hinweg.
- Beispiel: Die Outdoor-Marke Patagonia hat nicht nur eine eigene Reparatur-Initiative («Worn Wear») eingeführt, sondern bietet sogar Kundenservice rund um nachhaltigen Konsum.
- Ergebnis: Eine der höchsten Kundenloyalitäten der Branche – bei vergleichsweise geringen Marketingkosten.
- Höhere Mitarbeiterzufriedenheit und Talentbindung: «Wer im Außen glänzen will, muss im Inneren strahlen.»
Eine nachhaltige Servicekultur wirkt auch nach innen. Mitarbeitende erleben Sinn, Stolz und Mitgestaltung.- Beispiel: Das deutsche Unternehmen Vaude lebt Nachhaltigkeit nicht nur im Produkt, sondern auch im täglichen Umgang – vom emissionsarmen Arbeitsweg bis zur familienfreundlichen Unternehmenskultur.
- Ergebnis: Top-Platzierungen bei Arbeitgeberrankings und geringe Fluktuation.
- Wettbewerbsvorteil in gesättigten Märkten: «Service entscheidet, wenn Produktqualität zur Pflicht geworden ist.» Kunden entscheiden sich für Anbieter, die Haltung zeigen – gerade dort, wo die Auswahl groß ist.
- Beispiel: Die Hotelkette Scandic Hotels hat Nachhaltigkeit zum Serviceprinzip gemacht: inklusive CO₂-neutraler Meetings und barrierefreier Zimmerstandards. Das schafft nicht nur Vertrauen, sondern hebt die Marke in einem hart umkämpften Markt deutlich hervor.
Eine nachhaltige Servicekultur stärkt Markenloyalität, reduziert Rekrutierungskosten und fördert echte Differenzierung. Sie ist das Fundament für Kundenvertrauen – und damit der Schlüssel zu langfristigem Unternehmenserfolg.
Wie Unternehmen eine nachhaltige Servicekultur entwickeln können
- Klare Werte definieren: Werte sind der Kompass jeder Servicekultur. Unternehmen sollten ihre Kernwerte klar kommunizieren und sicherstellen, dass sie in allen Interaktionen sichtbar und spürbar werden.
- Mitarbeitende einbinden: Eine Servicekultur beginnt von innen. Mitarbeitende müssen die Werte des Unternehmens nicht nur kennen, sondern auch leben und vorgelebt bekommen. Schulungen, Feedback-Systeme, Spielraum für eigenverantwortliches Handeln und Anreize fördern dieses Engagement.
- Technologie sinnvoll einsetzen: Technologie sollte die Servicekultur unterstützen, nicht ersetzen. KI-Tools und moderne Technologien wie z. B. Predictive Intelligence oder CRM-Systeme können Prozesse effizienter machen, müssen aber immer auf den Menschen ausgerichtet bleiben. D. h. es braucht auch weiterhin im Prozess Gestaltungsräume für alternative Lösungen.
- Nachhaltigkeit integrieren: Kunden legen zunehmend Wert auf soziale und ökologische Verantwortung. Massnahmen wie klimaneutrale Dienstleistungen oder soziale Engagements stärken die Glaubwürdigkeit.
- Konsistenz sicherstellen: Kunden erwarten auf allen Kanälen gute Lösungen und eine kundenorientierte Kommunikation. Eine nahtlose Customer Journey ist der Schlüssel für die Gestaltung positiver Erlebnisse im «Moment der Wahrheit» und zufriedener Kunden.
Risiken und Fallstricke beim Aufbau einer nachhaltigen Servicekultur
So sinnvoll und zukunftsweisend eine nachhaltige Servicekultur ist – ihre Umsetzung ist kein Selbstläufer. Viele Unternehmen scheitern nicht am Wollen, sondern an fehlender Konsistenz, unklaren Prioritäten oder inkonsequentem Verhalten.
Die folgenden Risiken sollten daher unbedingt beachtet werden:
Werte bleiben abstrakt oder unglaubwürdig
- Risiko: Wenn Unternehmenswerte nur als Plakat an der Wand existieren, aber nicht im Alltag gelebt werden, entsteht Zynismus – sowohl bei Mitarbeitenden als auch bei Kunden.
- Fallstrick: Widersprüchliches Verhalten von Führungskräften («Wir sind kundenorientiert» vs. «Der Umsatz zählt zuerst») untergräbt jede Servicekultur nachhaltig.
- Tipp: Werte müssen konkretisiert, trainiert und in Feedback- und Bewertungssysteme integriert werden – z. B. in Form von Value-Based KPIs.
Mitarbeitende werden nicht mitgenommen
- Risiko: Ohne aktives Involvement und ohne emotionale Identifikation mit der Serviceidee bleibt das Konzept folgenlos – oder wird sogar als zusätzliche Belastung wahrgenommen.
- Fallstrick: Top-down-Initiativen ohne Beteiligung der Teams wirken künstlich. Eine Servicekultur kann nicht «verordnet», sondern nur gemeinsam entwickelt werden.
- Tipp: Führen Sie regelmäßige Feedbackrunden, Shadowing-Programme oder Peer-Coachings ein, um eine Bottom-up-Verankerung zu ermöglichen.
Technologie ersetzt Empathie
- Risiko: Ein übermäßiger Fokus auf Automatisierung kann dazu führen, dass Kundenservice zwar schneller, aber unpersönlicher wird – und der Mensch als «Störfaktor» empfunden wird.
- Fallstrick: Self-Service-Portale oder Chatbots, die keine Eskalationsmöglichkeit bieten, wirken frustrierend und entmenschlichend.
- Tipp: Technologie sollte «Service ermöglichen», nicht «Kontakt verhindern». Menschen brauchen das Gefühl, im Zweifel wirklich gehört zu werden.
Greenwashing statt echter Nachhaltigkeit
- Risiko: Nachhaltigkeit wird in der Kommunikation betont, aber in der Umsetzung nicht ausreichend gelebt – das erzeugt Misstrauen.
- Fallstrick: Wenn klimaneutrale Labels genutzt werden, aber gleichzeitig der Kundenservice über Billig-Outsourcing in prekäre Arbeitsverhältnisse verlagert wird, passt das Bild nicht zusammen.
- Tipp: Nachhaltige Servicekultur bedeutet auch soziale Nachhaltigkeit: Faire Arbeitsbedingungen, lokale Verantwortung und transparente Kommunikation.
Inkonsequente Customer Experience
- Risiko: Wenn die Customer Journey an manchen Touchpoints exzellent ist – an anderen aber enttäuschend – entsteht ein Bruch im Vertrauen.
- Fallstrick: Unverbundene Kanäle, wechselnde Ansprechpartner oder Widersprüche zwischen digitalem und persönlichem Kontakt führen zu Frustration.
- Tipp: Denken Sie Customer Experience ganzheitlich – von der ersten Anfrage bis zur Retoure oder Reklamation. Einheitliche Prozesse, Daten und Tonalität sind entscheidend.
Bewusstsein schafft Klarheit – Klarheit schafft Wirkung
Eine nachhaltige Servicekultur zu etablieren bedeutet, bewusst zu gestalten: Kommunikation, Technologie, Mitarbeiterführung und Nachhaltigkeitsstrategie müssen aus einem Guss sein. Nur dann wird Service zu einem echten Differenzierungsfaktor – und zur glaubwürdigen Visitenkarte des Unternehmens.

Petra Rüegg
Petra Rüegg ist Gründerin und Geschäftsführerin von QPM Service Excellence. Sie hat sich auf Themen der Servicekultur und Service-Excellence in der digitalen Welt spezialisiert und bietet Analyse-Methoden und Trainings an, um die Profitabilität durch den laufenden Verbesserungsprozess des Service-Mindsets im Unternehmen zu steigern. Sie ist beratend und im Leadership-Coaching tätig sowie unter anderem Dozentin für Unternehmenskultur, Führung und Kommunikation an der ABB Technikerschule. www.qpm-ms.ch