Marketing und Service müssen zusammenrücken

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Marketing und Service müssen zusammenrücken

Marketing und Customer Service müssen enger zusammenarbeiten, um das Werbeversprechen über die gesamte Customer Journey hinweg zu erfüllen. Der «Second Moment of Truth» entscheidet oft über die Kundenzufriedenheit und -loyalität. Ein kohärentes Kundenerlebnis über alle Kanäle, unterstützt durch Technologien wie KI und Self-Service-Lösungen, ist entscheidend. Einheitliches Branding, schnelle Reaktionszeiten und personalisierte Unterstützung stärken das Vertrauen der Kunden und führen zu langfristigen Beziehungen. Silodenken muss überwunden werden, um kundenorientierte Prozesse zu schaffen.

Wer hat sich nicht schon durch ein schönes Werbeversprechen zum Kauf eines neuen Produktes verleiten lassen und ist später enttäuscht worden? Das Werbeversprechen – im Marketingjargon: der «Brand Promise» – wurde nicht erfüllt. Die Ursachen können vielseitig sein: Marketingabteilungen oder Werbetreibende haben bei der Bewerbung eines Produktes oder einer Dienstleistung stark übertrieben, das Produkt weist Funktionsmängel auf, es wird unvollständig oder gar defekt ausgeliefert.

Der «Second Moment of Truth»

In allen Fällen wird das Kundenerlebnis strapaziert. Doch entscheidet sich oft erst in der Interaktion mit dem Kundendienst, ob ein Unternehmen in der Gunst der KundInnen letztlich gewinnt oder verliert. Dieser «Second Moment of Truth», wie ihn Jan Carlzon (1992) erstmals beschrieb, ist besonders wichtig für Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität. Aus diesem Grund sollten sich Marketers an einen Tisch mit den KollegInnen der Customer Service-Abteilung setzen.

Zusammen sollten sie dafür sorgen, dass KundeInnen unkompliziert und schnell Hilfe erhalten. Digital affine Menschen suchen sich erst Hilfe auf Support-Seiten der Unternehmen oder in Anwenderforen. Diese Suche wird durch Dienste wie Perplexity oder ChatGPT Search im Kontext von Entwicklungen rund um Generative Intelligence Optimization (GIO) noch vereinfacht und kann schnell zum gewünschten Resultat führen: dem entscheidenden Tipp, einem ausführlichen Benutzerhandbuch oder einem Video Tutorial. Der feine Unterschied liegt im Wort «kann». Längst nicht alle Unternehmen haben verstanden, dass sich dieser Aufwand lohnt. Zu viele lassen ihre KundInnen sich bei Problemen durch Dutzende «häufig gestellte Fragen» wühlen, nur dass diese dann frustriert feststellen müssen, dass es für ihr Problem keine schnelle Lösung gibt. Die Eskalation des Ärgernisses führt dann vielfach über Anwenderforen bis hin zum verzweifelten Versuch, eine Telefonnummer einer Hotline zu finden.

Es wird nicht zu Ende gedacht!

Damit zurück zum Werbeversprechen: Es ist erstaunlich, wie viele Marketingabteilungen nicht bis zum Ende denken! Für viele scheinen die Aufgaben des Marketings spätestens mit der Bestellung oder der Vertragsunterzeichnung erledigt. Dabei sind mit dem sechsten «P» für Prozess im klassischen Marketingmix (McCarthy; Booms & Bitner, 1995) alle Aktivitäten gemeint, die eine nahtlose Customer Journey sicherstellen – von der ersten Wahrnehmung über den Kauf bis hin zum Beschwerdemanagement. In einem Omni-Channel-Umfeld ist es wichtig, ein kohärentes Kundenerlebnis über alle Kontaktpunkte hinweg zu bieten. Dazu gehört ein schneller und effektiver Support über alle Kanäle, damit KundInnen überall dort Unterstützung erhalten, wo sie interagieren möchten.

Weitere wichtige Aspekte, die es für ein kohärentes Kundenerlebnis zu beachten gilt, sind:

  • Einheitlicher Auftritt der Marke: Sicherstellen, dass Branding, Botschaften und Kundeninteraktionen auf allen Plattformen, sei es im Geschäft, online oder über mobile Apps, einheitlich sind.
  • Zentrale Kundendaten: Pflegen eines zentralen Systems, das Kundeninformationen und Feedbacks aus allen Kanälen zu einer 360-Grad-Sicht konsolidiert und damit ein besseres Verständnis der Kundenpräferenzen schafft
  • Nahtlose Kanalübergänge: KundInnen ermöglichen, während ihrer Reise mühelos zwischen den Kanälen zu wechseln.
  • Personalisierung: Kundendaten nutzen, um Erlebnisse und Kommunikation individuell anzupassen, was Engagement und Zufriedenheit steigert.
  • Einheitliches Bestandsmanagement: Echtzeit-Einblicke in den Lagerbestand über alle Kanäle hinweg, um Kundenerwartungen hinsichtlich Produktverfügbarkeit und Lieferoptionen zu erfüllen.
  • Kanalübergreifendes Loyalitätsprogramm: Schaffen eines Programmes, welches Einkäufe on- und offline honoriert.
  • Konsistentes User Experience Design: Schnittstellen und Interaktionen entwerfen, die über alle Plattformen hinweg intuitiv und einheitlich sind, um Benutzerfreundlichkeit und Kundenzufriedenheit zu erhöhen.

Entscheidend für das Gelingen aller Anstrengungen von Marketing und Customer Service ist einerseits, dass Silodenken überwunden wird und End-zu-End-Prozesse geschaffen werden. Andererseits sind es die Daten, die kundenorientierte Prozesse überhaupt erst ermöglichen. Wir müssen unsere KundInnen kennen! Und wir müssen sicherstellen, dass Kundenfeedback zu Produkt- oder Serviceverbesserungen führt.

Technologie kann unterstützen, eine kundenzentrierte Organisation zu schaffen. Im Vordergrund stehen dabei folgende Anwendungen:

  • 360°-Sicht auf die Kunden: Selten beinhalten CRM-Systeme alle Informationen über Kunden. Eine Customer Data Platform, die alle Kundendaten zusammenführt, auch solche aus dem Back-Office (ERP) oder dem Customer Service, ist dafür besser geeignet, gleichzeitig aber auch komplex und weitaus teurer. KI-Lösungen können hier eine Alternative bieten, indem sie Daten zu Kaufhistorie, Reaktionen zu Marketingkampagnen, Beschwerden, Social Media-Interaktionen, etc. aus verschiedenen Quellen zusammensuchen und daraus einheitliche Kundenprofile erstellen. Maschinelle Lernalgorithmen analysieren diese Daten, um Muster zu erkennen und zukünftiges Verhalten vorherzusagen, was gezielte Marketingstrategien und personalisierten Kundenservice ermöglicht.
  • Sentiment-Analysen: Oft werden mit der Erhebung des NPS (Net Promoter Score) Freitextfelder zur Verfügung gestellt. Diese im Vergleich zum Score viel wichtigeren Informationen lassen sich mit KI-Lösungen auslesen, kategorisieren und in Echtzeit an die richtige Stelle weiterleiten, die dadurch ein Abwandern der unzufriedenen KundInnen verhindern kann.
  • Bots: Analytische und generative KI unter Anwendung der Retrieval-Augmented Generation (RAG) genannten Technik zur Optimierung der Large Language-Modelle ermöglicht es via Chat und Voice Bots, innert Sekunden auf die jeweilige Kundensituation passende Hilfestellungen zu bieten und so den Kundendienst zu entlasten.
  • Self-Service: In eine ähnliche Richtung gehen Self Service-Anwendungen, die über einfache Suchen auf der Webseite eines Unternehmens passende und nach einer Identifikation vor allem auch personalisierte Antworten liefern, Gebrauchsanweisungen oder Links zu Video Tutorials zur Verfügung stellen.
  • Guided Customer Service: Sollte ein Kontakt mit einem Service-Agent explizit gewünscht sein, dann sollte man diesen nicht verhindern, sondern die Agents für eine möglichst schnelle «First Contact Resolution» (FCR) mit einer KI unterstützen, die Lösungen vorschlägt und die richtigen Dokumente oder Links zur Verfügung stellt.
  • Voice Routing: In der Schweiz kennt man es vielleicht von Swisscom – man wird gebeten in einigen Sätzen zu beschreiben, wo der Schuh drückt und mit dieser durch eine KI ausgewerteten Information direkt an die richtige Stelle geleitet. Das spart auf beiden Seiten Zeit und trägt zur Kundenzufriedenheit bei.
  • Betriebliche Effizienz: Generell kann der Einsatz von KI-Lösungen Abläufe optimieren, indem Daten gesammelt, analysiert und Kundeninteraktionen automatisiert oder mittels prädiktiver Analysen Kundenbedürfnisse und -verhalten vorhergesagt werden. Diese Anwendung verkürzt Reaktionszeiten und senkt Betriebskosten, während die Servicequalität erhalten bleibt.

Fazit

Marketing darf nicht beim Werbeversprechen aufhören – es muss die gesamte Customer Journey mitdenken. Besonders der Customer Service entscheidet oft darüber, ob KundInnen bleiben oder abspringen. Eine nahtlose, technologiegestützte Customer Experience über alle Kanäle und Kontaktpunkte hinweg, mit schnellen Lösungen und personalisiertem Support, ist der Schlüssel zu langfristiger Kundenzufriedenheit und -loyalität. Ausserdem bieten sich im Kundenservice gute Chancen für «Delighters» (nach Noriaki Kano) – Differenzierungsmerkmale, die begeistern.

Daniel Renggli

Daniel Renggli

Daniel Renggli ist Management Consultant für Digitalisierung und künstliche Intelligenz in den Bereichen Marketing, Verkauf und Kundenservice. Er berät mittelständische Unternehmen auf strategischer und konzeptioneller Ebene. Daniel ist Partner von 123C Digital Consulting, einem Beratungsunternehmen mit Sitz in Berlin und Wien, und Associate Partner von Hase & Igel, einem mehrfach ausgezeichneten deutschen Scale-up im Bereich KI-gestützter Entscheidungsintelligenz. Außerdem unterrichtet er als Gastdozent zu Automation und KI an der Universität Basel, schreibt regelmäßig Artikel für verschiedene Medien, spricht an Veranstaltungen und hat seinen eigenen Podcast: „BeyondCXM – Customer Experience Management weitergedacht“.

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