Erstkontakt zählt: Was Kunden wirklich zufrieden macht

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Erstkontakt zählt: Was Kunden wirklich zufrieden macht | Maribel Pietzner als PraktikerinErstkontakt zählt: Was Kunden wirklich zufrieden macht | Maribel Pietzner als Praktikerin
Erstkontakt zählt: Was Kunden wirklich zufrieden macht | Maribel Pietzner als Praktikerin

Was sorgt für echte Zufriedenheit im Kundenservice? Eine neue Studie mit fast 2000 Teilnehmenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz liefert klare Antworten: Die Erstlösung – also die Klärung des Anliegens beim ersten Kontakt – ist der stärkste Zufriedenheitstreiber. Transparente Kommunikation und kompetente Prozessführung sind wichtiger als Technik oder übertriebene Freundlichkeit. Besonders Chatbots schneiden in der Wahrnehmung schlecht ab. Die Diskussion zwischen Expert:innen zeigt, warum Servicequalität mehr mit Prozessklarheit als mit Hightech zu tun hat.

Vor dem Hintergrund, Hebel für langfristige Kundenbindung zu identifizieren, stellt die Studie von Iskander Business Partner, RUF Beratung und freenet Fragen nach theoretischen Kundenerwartungen und Kundenbewertungen von tatsächlichen Servicekontakten. Knapp 2000 Teilnehmer aus der DACH-Region im Alter von 18 bis 75 Jahren mit einem Dauerschuldverhältnis (Abo, Laufzeitvertrag) wurden in einer Online-Umfrage gefragt: Was macht ein Serviceerlebnis zufriedenstellend oder sogar begeisternd? Welche Erwartungen stellen Kunden an Services insbesondere in einer digitalisierten Welt? Wie unterscheidet sich die Wahrnehmung der Servicequalität in Abhängigkeit von Faktoren wie z. B. dem gewählten Kontaktkanal, dem Serviceanliegen und den individuellen Kundenmerkmalen und welche Faktoren im Kundenkontakt / Service relevant für die Kundenzufriedenheit sind?

Matias Musmacher leitete das Gespräch und stellte die Fragen an die Expert:innen. Zum Einstieg erinnerte er daran, dass im Jahr 2025 drei Unternehmen die Daten einer umfassenden Studie mit über 2000 Befragten zu den Einflussfaktoren der Zufriedenheit mit Kundenservice in der DACH-Region veröffentlicht haben. Ziel der Studie war es, ein fundiertes Verständnis darüber zu gewinnen, welche Faktoren maßgeblich zur Kundenzufriedenheit beitragen und wie verschiedene Variablen – darunter Kanalwahl, Kontaktgrund und Produktart – die Bewertung des Kundenservices beeinflussen.

Heute haben zwei Expert:innen ein paar Minuten Zeit gefunden, um die Kernthemen der Kundenservice-Zufriedenheitsstudie aus ihrer jeweiligen Perspektive kritisch zu beleuchten – Roland als Co-Autor der Studie und Maribel als Praktikerin, deren Tagesgeschäft die Zufriedenheit der Endkund:innen ist. Im Marketinglärm rund um KI gerät oft in den Hintergrund, was Kundinnen und Kunden tatsächlich wichtig ist – genau das wurde hier deutlich aufgezeigt.

Für Kunden ist die Lösung ihres Anliegens im Erstkontakt wichtiger als alles andere

Maribel, wie siehst Du die Kernaussage der Studie «TopTreiber ist die Erstlösung (FCR): Das Anliegen wird im ersten Kontakt gelöst»?

Maribel Pietzner: Zuallererst Hut ab und Danke für diese detaillierte Studie! Denn sie fokussiert darauf, was wirklich wichtig ist: Kunden die Lösung ihres Anliegens zu geben. Im Erstkontakt. Was für mich neu war: Der starke Wunsch des Kunden nach Transparenz im Prozess und bei der Lösung – Stichwort Zusammenfassung an den Kunden. Manche Faktoren, die von Kundenservice-Organisationen oft für wichtig gehalten werden, sind dagegen unwesentlich.

Roland Ruf: Transparenz. Das ist ein psychologisches Bedürfnis für eine reale Einschätzung einer Situation. Was hast du da als unwesentliche Faktoren im Auge?

Maribel Pietzner: Na, zum Beispiel das Thema der namentlichen Ansprache, also dass der Kunde bis zu dreimal im Gespräch mit seinem Namen angesprochen wird. Wir Dienstleister wurden über Jahre darauf gedrillt. In vielen Qualitätsauswertungsbögen von Auftraggebern war das ein Kriterium. Deine Studie zeigt: Ob und wie häufig Kunden mit ihrem Namen angesprochen werden, ist unerheblich für deren Zufriedenheit.

Roland Ruf: Klar, die Ansprache kann man als Auftraggeber gut messen, bringt aber wenig. Genauso wie der Einsatz der neuesten Technologie den Kunden nicht berührt. Dem Kunden geht es um die Lösung des Anliegens. Ob das jetzt mit neuester Technologie oder gut gemanagten Prozessen passiert, ist erstmal für den Kunden zweitrangig. Genauso: Freundlichkeit wird erwartet, man kann damit aber keine fachlichen Defizite gutmachen.

Liegt das nicht auch daran, dass die Studie im DACH-Raum durchgeführt worden ist?

Maribel Pietzner: Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterscheiden sich in einigem, aber in einem sind sie gleich: Sie möchten ihr Problem schnell und einfach gelöst haben. In Nordamerika wäre sicher mehr Gewicht auf Freundlichkeit.

Was sind die wichtigsten Learnings der Studie?

Roland Ruf: Man muss deutlich mehr in die Customer Journey oder ins Prozessmanagement investieren. Nichts frustriert den Kunden mehr als fehlgeschlagene Automatisierungs- oder Kontaktvermeidungsversuche bei der Lösung eines Problems. Versetzt man sich mal in einen Kunden: Da hat er sich durch den Self-Service durchgearbeitet, die höchst clever versteckte Rufnummer gefunden, sich 7 Minuten mit dem Bot rumgeärgert, und muss dann das Problem dem Mitarbeiter von Neuem erzählen, der offensichtlich schlecht ausgebildet ist…

Ein Ergebnis der Studie war, dass bei nur 37% der Kunden die Chatbots ein gutes Image haben und somit der am schlechtesten bewertete Service-Kanal sind. Zum Vergleich: E-Mail lag bei 80%. Wie schaut Ihr auf dieses Ergebnis?

Maribel Pietzner: Dass Chatbots schlecht abschneiden, verstehe ich voll. Schließlich ist das, was Kunden da geboten wird, meist unterirdisch: nur Info à la FAQ und keine Möglichkeit, einen Prozess auszulösen und keine Übergabe an Kundenberater, wenn der Bot nicht mehr weiterweiß. Aber wie schlecht sie abschneiden, hat mich erstaunt.

Roland Ruf: Mich nicht. Ich kenne wenige Chatbots, die mein Problem wirklich gelöst haben. Und das liegt nicht an der Technologie, sondern wie immer an der Umsetzung. Chatbots sind technisch erstmal recht einfach auf eine Webseite einzubauen. Allerdings sollte man das aus Kundensicht betrachten: Wir haben da eine Abkürzung: GAA (Guide, Answer, Act). Der Chatbot muss den Nutzer führen können, Fragen beantworten und Aktionen durchführen. Hier kommt ein Folge-Aufwand bei der Implementierung der Prozesse bzw. der Trainings der Chatbots auf die Unternehmen zu. Und wieviel Aufwand das ist, wird oft unterschätzt. Das bedeutet, dass die technische Implementierung super klappt, die fachliche Implementierung jedoch oft unterlassen wird.

Die Psychologie kennt das ConfirmationDisconfirmationParadigma: Zufriedenheit entsteht, wenn Erwartungen erfüllt oder leicht übertroffen werden. Treffen wir die Erwartungen im Kundenservice?

Maribel Pietzner: Rolands Studie hat wieder eines gezeigt: schlechter Kundenservice ist ein Risiko, aber sehr guter nicht unbedingt eine Chance. Vermeidung von Unzufriedenheit ist das Gebot. Wir sollten uns also darauf konzentrieren: richtige Info an den Kunden, Transparenz und die Lösung im Erstkontakt. Und das kann bei der heutigen Komplexität durchaus schwierig sein. Anstatt die Kür zu priorisieren, würde ich sagen: Die Pflicht ist bereits die Kür. Schlussendlich geht es um das ökonomische Prinzip und die Konzentration von Ressourcen auf das Wichtige.

Roland Ruf: Richtig. Kunden rufen selten an, wenn alles super ist. Sie gehen somit erstmal unzufrieden in ein Gespräch und der Mitarbeiter muss diese Unzufriedenheit beseitigen.

Gartner schreibt, dass durch Kundenservice-Interaktionen es viermal so wahrscheinlich ist, Kunden-Disloyalität zu erzeugen, als Kunden-Loyalität zu unterstützen. Fokussieren wir uns im Kundenservice darauf, die Kundenbeziehung zu retten, oder können wir noch mehr leisten? Und mit welchen Kennzahlen machen wir diesen Mehrwert transparent?

Roland Ruf: Eigentlich geht es beim Kundenservice erstmal ums Heilen einer unzufriedenstellenden Thematik. Aber man kann mit Kundenbegeisterung auch Punkte gutmachen, dazu führen wir ja den SES ein.

Maribel Pietzner: Den Sinn eines zusätzlichen Service Excitement Score sehe ich nicht. Klar macht es Sinn, eine Zufriedenheitskennzahl nach der Interaktion mit dem Kundenservice abzufragen. Und klar macht es Sinn, genau eine Zahl und nicht fünf abzufragen. Trotzdem: Zufriedenheit und Begeisterung sind für mich nur unterschiedliche Temperaturen auf der gleichen Thermometer-Skala. Und mit CSAT oder einem auf die Service-Interaktion bezogene NPS-Zahl, also den “transactional NPS” haben wir die schon.

Roland Ruf: Ich habe drei Gegenargumente: Der Service Excitement Score SES zeigt auf, wann die Kunden wirklich begeistert sind. Und das ist ein Riesenunterschied zur Zufriedenheit. Wir leben in Deutschland in einer Service-Wüste, in der die Kunden schon zufrieden sind, wenn ihr Problem nicht mit dem Erstkontakt gelöst ist. Zweitens zeigt der SES härter auf, wann der Kunde Folgeaktionen haben wird wie Folgekäufe oder Kündigungen. Drittens ist der SES stärker auf den Service-Kontakt fokussiert, während auch der NPS in der transaktionellen Befragung (tNPS) starke Einflüsse des Marken-Images und der Produktqualität hat. Und man sollte bedenken, dass, der NPS sehr oft zur Außendarstellung verwendet wird bzw. zum Vergleich mit anderen Unternehmen und weniger, um die Ursachen für Unzufriedenheit zu verstehen und Maßnahmen einzuleiten. Und das verleitet zur Manipulation.

Maribel Pietzner: Die Kritik, die ich gerne am NPS zulasse, ist die Psychologie der Metrik. Für uns hört sich alles schlecht an, was nicht nahe 100% ist. Ein NPS ab 25 bis 30% ist aber fast schon Königsklasse erfahrungsgemäß müssen dazu die Kunden nämlich auf der 1 10 Skala durchschnittlich 8,5 angeben haben. Und weil sich ein NPS von 30% nicht so schön anhört, wird entweder viel geschummelt beim NPS oder er erst gar nicht angegeben.

Kundenservice – Chance zur Begeisterung oder Stolperstein für die Unternehmen

Was ist Euer Fazit nach der Diskussion: Sollen wir Kundenservice nutzen, um Begeisterung auszulösen oder geht es darum mit dem Kundenservice Unzufriedenheit zu verhindern?

Maribel Pietzner: Wichtig ist es, sich darauf zu konzentrieren in allen Kontakten, Probleme zu heilen und damit Unzufriedenheit zu vermeiden. Im Service Begeisterung zu erzeugen, ist aufgrund der Voraussetzungen nahezu unmöglich, denn der Kunde kommt mit einem Problem und möchte das gelöst haben. Und daher gehört der Begriff «Begeisterung» eher in die Marketingschublade von Dienstleistern, als das als Ziel auszurufen.

Roland Ruf: Was ist guter Kundenservice? Wie oben schon erwähnt geben wir uns in der DACH-Region schon mit einem Kundenservice zufrieden, der das Problem NICHT im Erstkontakt löst. Und natürlich geht es immer auch um einen cleveren Einsatz der verfügbaren Ressourcen und somit Effizienz. Wir haben 39 Service-Aspekte betrachtet. Einige sind ein Muss im Kundenservice, aber nicht alle. Hier bietet unsere Studie wichtigen Input – eine Investition in die FCR (First Contact Resolution) bringt mehr, also eine kurze Wartezeit die Kunden vergeben dem Dienstleister eine etwas längere Wartezeit, wenn das Problem beim Erstkontakt gelöst wird, was begeistert.

Und Begeisterung weckt Emotionen und bleibt positiv im Gedächtnis, was wiederum Einfluss auf Folgekäufe und Loyalität hat. Eine «normale» Kundenzufriedenheit hat hier deutlich weniger Impact.

Matias Musmacher: Danke Euch beiden für die lebhafte Diskussion. Einigkeit haben wir, dass die Erstlösung generell – aber gerade auch im DACH-Raum – der Top-Zufriedenheitstreiber ist. Uneinig sind wir uns bei der Notwendigkeit einer neuen Kennzahl. Aber wir diskutieren endlich auf der Basis von Daten und Fakten und müssen nicht auf das Bauchgefühl von Experten vertrauen, welche Kennzahl wohl die richtige ist. Ich freue mich auf die nächste Studie oder Diskussion mit Euch: Vielleicht beleuchten wir einmal Eure Meinungen zum Customer Effort Score? Oder erörtern, ob Kundenbegeisterung auf Dauer möglich ist?

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