Seit dem 1. Juli 2018 gilt für die Contact- und Call Center-Branche ein allgemein verbindlicher Gesamtarbeitsvertrag. Neu gelten einheitliche Mindeststandards bei den Arbeits- und Lohnbedingungen.
Bis zum Beschluss des Bundesrats, verschiedene Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrags allgemein verbindlich zu erklären, war es ein langer Weg. Peter Weigelt, Verwaltungsratspräsident der Schweizer Capita-Unternehmen, und Milo Stössel, Verwaltungsratspräsident der MS-Direct-Gruppe, haben sich von Beginn weg in den langwierigen Prozess eingebracht und ihn zu einem positiven Abschluss gebracht. CMM hat die beiden zum Interview getroffen.
CMM: Seit dem 1. Juli 2018 gilt der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Contact- und Callcenter-Branche als allgemein verbindlich und damit für alle Dienstleister in der Schweiz. Sie haben die Initiative für diesen ersten allgemein verbindlichen GAV der Branche ergriffen. Welche Motivation stand dahinter?
Peter Weigelt: Es muss nicht verheimlicht werden, dass es gerade in der Contact- und Callcenter-Branche immer wieder zu negativen Vorfällen rund um die Sozialpartnerschaft gekommen ist. Letztlich haben diese Fehlleistungen von Unternehmen in unserem Branchenumfeld das Image der Gesamtbranche beschädigt; dies nicht nur gegenüber unseren Kunden und gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auch gegenüber unseren Mitarbeitenden und vor allem gegenüber potenziellen Mitarbeitenden. Da wir aber wie alle Branchen einem ausgetrockneten Arbeitsmarkt gegenüberstehen, ist es von zentraler Bedeutung, dass eine Branche ein positives Image ausstrahlt. Dies gilt insbesondere bezüglich Fachkräften und immer stärker auch gegenüber Lernenden, die sich früh für eine Branche entscheiden müssen.
CMM: Vor welchem Hintergrund wurde die flächendeckende Regelung der Arbeitsbedingungen von Callcenter-Agenten sowie die Festlegung von einheitlichen Mindeststandards in Angriff genommen?
Milo Stössel: Am Anfang verhandelten nur die Mitgliedsfirmen von contactswiss, Arbeitgeberverband der Contact- und Callcenter-Branche, mit den Gewerkschaften. Die in diesem Verband zusammengeschlossenen Unternehmen hatten alle Arbeitsbedingungen und Lohnstandards, die deutlich über dem Branchendurchschnitt lagen. Im Zentrum der Verhandlungen standen weniger unsere direkten Interessen. Vielmehr versuchten wir, wirtschaftlich tragfähige und administrativ vertretbare Standards für unsere Branche festzulegen. Sie sollten sowohl branchenintern als auch nach aussen hin Anerkennung finden.
CMM: Würden Sie den allgemein verbindlichen GAV als Meilenstein für die Contact- und Callcenter-Branche bezeichnen?
Peter Weigelt: Ja, absolut. Die Branche ist in den letzten Jahren sehr stark gewachsen und war von Beginn weg sehr kleinräumig strukturiert. Mit dem allgemeinverbindlichen GAV erhält sie nun eine Struktur, die nach unten absichert und damit Vertrauen und Transparenz schafft. Diese Pluspunkte überwiegen die mit einem GAV verbundenen Einschränkungen, die natürlich auch nicht verschwiegen werden dürfen. Wir sind aber überzeugt, dass die in den letzten Jahren gewachsene Gesprächskultur zwischen den Sozialpartnern sicherstellt, dass auch in Zukunft beide Seiten Augenmass anwenden und an einer florierenden Contact- und Callcenter-Branche interessiert sind.
CMM: Worauf sind Sie den GAV betreffend besonders stolz und für welche Bereiche erscheint Ihnen der GAV besonders gelungen?
Milo Stössel: Der wichtigste Meilenstein war sicherlich die Einigung darüber, dass es in einem GAV für unsere Branche zwingend regional unterschiedliche Lohnstrukturen braucht. Dies ist uns gelungen. Im GAV werden die Mindestlöhne entsprechend den regionalen Unterschieden abgebildet. Letztlich war aber die Allgemeinverbindlicherklärung durch den Bundesrat unsere zentrale Zielsetzung. Mit dem Entscheid der Landesregierung per Mitte 2018 haben wir dies in Rekordzeit erreicht, was uns durchaus stolz macht.
CMM: Betrifft der allgemein verbindliche GAV nur Dienstleister der Contact- und Callcenter-Branche oder auch Inhouse Contact- und Callcenter?
Peter Weigelt: Es war von Anfang an klar, dass wir nur einen GAV für Dienstleister anstreben, die Aufträge für Dritte erfüllen. Alles andere wäre von Beginn weg zum Scheitern verurteilt gewesen, da bei vielen Unternehmen mit Inhouse-Contact- und Callcentern andere Gesamtarbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen bestehen. Natürlich haben wir ein Interesse daran, dass sich auch Inhouse-Contact- und Callcenter an unseren allgemein verbindlichen Standards orientieren. Ich bin überzeugt, dass dies auch der Fall sein wird, stehen diese doch auch im Kampf um qualifizierte und flexible Mitarbeitende. Wie so oft wird der Markt auch hier für Ausgleich sorgen.
CMM: Werden mit dem GAV Unternehmen bevorzugt oder benachteiligt?
Milo Stössel: Aus meiner Sicht lautet die Antwort hier klar Nein. Denn gerade die im Markt gut eingeführten und leistungsfähigen Unternehmen hatten schon bisher höhere Standards als die Mindeststandards des allgemein verbindlichen GAV. Am unteren Ende der Skala gibt es sicherlich Firmen, die durch den GAV herausgefordert werden und dies als Nachteil empfinden. Für mich ist es aber gerade aus Sicht der Branche wichtig, dass sich auch diese Firmen im Markt so positionieren, dass sie ihre Leistungen nicht nur über Tiefstpreise verkaufen. Wir sind eine sehr personalintensive Branche und deshalb gilt es dem «Rohstoff» Mitarbeitende besondere Beachtung zu schenken.
GAV Vollzug: In der Paritätischen Kommission Contact- und Callcenter-Branche wirken die GAV-Vertragsparteien – der Arbeitgeberverband contactswiss, vertreten durch Hans Jürgen Dregger, TELAG, und Milo Stössel, MS Direct, der Branchenverband CallNet.ch, vertreten durch Samuel Ryter, Callpoint, und die Gewerkschaft syndicom – vertreten durch Giorgio Pardini, Daniel Hügli und Urs Zbinden, mit. callcenter.vollzug.ch