CEX Trendradar 2025: Viel zu tun im Service

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CEX-Trendradar, by Nils Hafner und Harald HennCEX-Trendradar, by Nils Hafner und Harald Henn
CEX-Trendradar, by Nils Hafner und Harald Henn

Der CEX Trendradar 2025 zeigt: Customer Experience steht vor einer neuen Phase der Integration. Trotz technologischer Fortschritte bei Generative AI und Conversational Automation fehlt es vielerorts an einer kohärenten organisatorischen und technologischen Verknüpfung von CX-Massnahmen. Besonders beim Journey Management und Multiexperience droht Effizienzverlust durch Komplexität. Employee Experience bleibt stabiler Treiber – gestützt durch Agent Assist und bessere Arbeitsbedingungen. CX-Governance entwickelt sich zur Schlüsselaufgabe, um Silos aufzubrechen und eine vernetzte Kundenorganisation zu schaffen. Personalisierung wächst über das Marketing hinaus. 2025 wird zum Jahr der Verknüpfung von Daten, Systemen und Prozessen mit einem klaren Ziel: CX wirksam, wirtschaftlich und kundenzentriert umzusetzen.

Ende Januar haben wir zum sechsten Mal den CEX Trendradar vorgelegt. Auf 140 Seiten ist die Entwicklung einzelner Trends, die Verschiebung von Prioritäten und die Geschwindigkeit, mit der sich Themen bei den Unternehmen durchsetzen, besonders spannend zu registrieren. Wie immer basieren unsere Ergebnisse auf eigenen Untersuchungen und neu entwickelten Instrumenten, vielen Gesprächen und Diskussionen, präsentierten Leuchtturm-Projekten sowie methodisch nachvollziehbaren Studien. In diesem Artikel möchten wir aufzeigen, was das genau für den Kundenservice bedeutet.

Unsere Prognosen für 2025 betrachten wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge. So sehr wir uns über das Engagement – z. B. bei VoC Programmen, Personalisierung oder Generative AI freuen, so sehr sehen wir mit Sorge die Defizite bei der zielgerichteten Analyse und Nutzung von Daten sowie die fehlende organisatorische und technologische Verknüpfung und Vernetzung der CX-Massnahmen. Dies ist besonders deutlich beim Customer Journey Management und bei der Multiexperience. Häufig ist der Kundenservice nur unzureichend in organisationsweite CX-Programme eingebunden. Budgets werden nicht zielgerichtet eingesetzt. Hier fehlen offenbar schlicht die Ideen für eine organisatorische Veränderung vom Cost Center zum Value Center. Personalisierung und vor allem Individualisierung durch Generative AI sowie Conversational Automation bei Sprach- und Chatbots werden auch in 2025 weiterhin stark im Fokus stehen. Hier werden die begonnenen Pilotierungen vorangetrieben.

Im Trendradar 2025 haben wir zwei Trends umbenannt und in Bezug auf die Begrifflichkeit erweitert. Aus Marketing Automation wird Personalisation Automation; dies spiegelt nach unserem Verständnis sehr viel besser wider, dass Personalisierung weit über den Einsatz in Marketing Automation hinausgeht. Die Service Cloud wird zur CX-Cloud. Die Grenzen der Customer Service Systeme zu anderen Software-Kategorien wie z. B. Customer Engagement oder Digital Customer Experience verschwimmen immer mehr. Mit dem Begriff CX-Cloud fassen wir alle diese Kategorien unter einem Dachbegriff zusammen.

Die Business Partnerschaft mit führenden Anbietern, die wir in den letzten Jahren begonnen haben, führen wir 2025 fort und bauen sie sukzessive aus. Die vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren langjährigen Partnern BSI und VIER sowie in diesem Jahr neu mit Sandsiv+ und TheyDo eröffnet uns wertvolle Einblicke in Technologiethemen und Kundenprojekte. Daraus resultieren für diesen Report eine ausgebaute Beschreibung von Leuchtturm-Projekten, anhand derer deutlich wird, wie die von uns beschriebenen Trends zusammenspielen.

Was erwarten wir für 2025?

Erstes Trendterzil «People»: CX-Strategie: der lange Weg zur vernetzten Sicht und Vorgehensweise. Employee Experience: Gewinner auch im dritten Jahr in Folge.

  • Eine CX-Strategie ist der erste Schritt. Mitarbeitende benötigen Leitplanken, klare Vorgaben, aus denen sich für Prozesse und Systeme konkrete Umsetzungsschritte und damit verbunden OKRs (Objectives and Key Results) ableiten lassen. Unserer kleinen Euphorie, dass sich in diesem Arbeitsgebiet etwas tut, folgt die Ernüchterung. Viele Unternehmen sind der Meinung, nachdem sie eine Strategie erarbeitet haben, verfolgt sich diese wohl von selbst. Jedoch ist die Kommunikation und die Umgestaltung der Organisation zu einer silo-übergreifenden Kundenorganisation mühsam und häufig auch langwierig. Es fehlen hier schlicht die Betriebsmodelle oder auch Target-Operating-Models (TOM) der Kundenorientierung.
  • CX-Governance: Ein Schritt vor, zwei zurück. Die Umsetzung der CX-Strategie in eine funktionierende Kundenorganisation harzt. Das hat vor allem an der fehlenden Integration zwischen den Dimensionen «Mitarbeitende», «Prozesse» und «Technologie» zu tun. Das integrierte Denken und die damit verbundene Übernahme von Verantwortung fehlt. Daraus resultiert häufig die Forderung nach einem «Chief Customer Officer», die wir in dieser Konsequenz für falsch halten. Es geht darum, Fähigkeiten der gesamten Organisation systematisch zu entwickeln und dafür konkrete Regeln und Gremien zu entwickeln. Der Dienst am Kunden ist – wie schon 2024 gefordert – eine funktionsübergreifende Aufgabe. Doch viele Organisationen sind in Silos zersplittert und nicht für die bereichsübergreifende Arbeit ausgelegt. Der Kunde kann das Bindegewebe sein, das die Organisation vernetzt und ausrichtet. Dafür müssen aber Strukturen geschaffen werden. Wir haben 2024 ein CX-Organisations-Assessment erarbeitet, welches den Reifegrad der untersuchten Unternehmen recht genau widerspiegelt und waren (bei niedriger Erwartungshaltung) doch etwas verwundert. Immerhin bewegen sich führende Organisationen bereits im Stadium der «bewussten Inkompetenz» und arbeiten hier an Lösungen, Betriebsmodelle zu implementieren.

  • Employee Experience: Wer Fachkräfte hat, muss heute viel investieren, um sie zu halten. Das gilt vor allem in der Contact Center Organisation. Dazu zählen neben adäquater Entlohnung vor allem flexible Arbeitsbedingungen, die Ausstattung mit den Systemen, die Spass machen, sowie eine abwechslungsreiche und interessante Arbeit. Agent Assist Systeme, die die Mitarbeitenden von monotonen, zeitfressenden Tätigkeiten entlasten, bewirken eine höhere Mitarbeitenden-Zufriedenheit und gleichzeitig eine höhere Produktivität. Die Unternehmen befinden sich hier auf einem guten Weg. Wir wurden im vergangenen Jahr mehrfach nach dem idealen Messinstrument für Employee Experience gefragt. Dieses sollte sich inhaltlich und methodisch an der Evaluation der Customer Experience orientieren. Unser im Report geschildertes Leuchtturmprojekt beim Kantonsspital Winterthur zeigt auf, wie es geht.

Trendterzil «Process»: Kurskorrektur bei Customer Journey Management. Multiexperience: Komplexität killt Effizienz und Kundenerlebnis.

  • Customer Journey Management zählt zu den schnell wachsenden Trends im CX-Management. Diese Entwicklung haben wir schon vor zwei Jahren prognostiziert und halten auch für 2025 daran fest. Gleichzeitig stellen wir fest, dass zwei erfolgskritische Voraussetzungen für ein integriertes Customer Journey Management fehlen – bzw. dringend mehr Aufmerksamkeit und Fokus erfordern: das Einbeziehen der Kundenabsichten, das gewünschte Ergebnis (das sich aus dem «jobs to be done»-Ansatz ergeben sollte) und die Sicherstellung, dass die angestrebten Ziele der Customer Journey gewährleistet werden. Die entsprechende Umsetzung in den Geschäftsprozessen, die Bereitstellung von Daten und das Training der Mitarbeitenden wären dafür nötig. Hier sehen wir aktuell die grössten Defizite, die sich unmittelbar auf den Customer Service und die Contact Center niederschlagen und damit zum Boomerang werden können. Man steuert, aber in die falsche Richtung.

  • Multiexperience Management: Den Kunden mehr Wahlmöglichkeiten bei den Touchpoints zu bieten, wurde lange Zeit nicht hinterfragt. Heute kommen zu Telefon, Fax, E-Mail, dem persönlichen Gespräch und dem Brief weitere Optionen wie Chat, Instant Messenger, Chat- oder Voicebots hinzu. Für eine durchgängige Customer Journey müssen diese Systeme jeweils per API angebunden und vernetzt werden. Die entsprechend relevanten Daten wie z. B. Lieferverfügbarkeit sind an den Touchpoints bereitzustellen. Die Komplexität steigt mit jedem weiteren System exponentiell an. Bei gleichbleibenden IT-Budgets weitet sich der Anspruch nach aussen zum Kunden breit zu fächern, zu einem massiven organisatorischen und kostenseitigen Problem aus. Eine Fokussierung auf weniger Möglichkeiten, dafür aber bessere Durchgängigkeit und Qualität ist notwendig. Weniger Touchpoints anzubieten, diese aber fehlerfrei zu betreiben, führt dazu, dass sowohl der Kunde seine Ziele als auch das Unternehmen seine Profitabilitätsvorgaben erreicht: insgesamt ein besseres Ergebnis.
  • CX-Cockpit: Auch wenn es in 2024 einige Entwicklungen in die falsche Richtung gab (das Betteln um einen guten NPS-Score), so sind wir doch generell optimistisch, dass sich die Cockpit Systeme weiter in Richtung einer integrierten Steuerung bewegen und die Kennziffern nicht um ihrer selbst willen erhoben werden. Nicht zuletzt, weil z. B. aus den Marketing Automation Systemen die Ergebnisse von Personalisierungs-Strategien zu verwertbaren Ergebnissen führen. Die Möglichkeit, unstrukturierte Daten aus Dialogen – schriftlich wie mündlich – auswerten zu können und darauf basierend Erkenntnisse für eine Optimierung von z. B. Customer Journeys zu gewinnen, sind bei einer Verankerung im CX-Cockpit wertvolle Entscheidungshilfen.

Trendterzil «Technology»: Personalisation Automation und Conversational Automation wachsen sehr stark weiter; Generative AI wird auf breiter Front produktiv und gewinnbringend – aber langsamer als viele erwarten.

Unsere Prognosen zur Entwicklung von Conversational Automation, Customer Analytics, der zunehmenden Nutzung von Customer Data Platforms und der Integration mit Marketing Automation sind weitgehend eingetroffen. Die Quick Wins bei der Personalisierung – hier durch Content-Erstellung – sind geerntet. In der nächsten Phase wird es darum gehen, die Customer Intents stärker einzubeziehen und die Nutzung von Produkt- und Kundendaten aus einer Customer Data Plattform oder anderen Systemen intensiver zu nutzen. Personalisierung wird dann auch weitere Bereiche ausserhalb des Marketings erobern. Wir tragen dem Rechnung, indem wir zukünftig von Personalisation Automation sprechen. AI wird eine grosse Rolle dabei spielen – sowohl durch die Mustererkennung bei unstrukturierten Daten als auch bei der Vorhersage von Kundenverhalten. Gerade im Contact Center führt das zu einer wesentlich besseren Arbeitsplanung und damit zu besserer Erreichbarkeit. Die notwendige Integration kostet allerdings Zeit. Die Zeitspanne, bis Generative AI auf breiter Front den Unternehmen einen ROI beschert, dauert daher länger, als manche Unternehmen hoffen.

Ähnliches gilt für Conversational Automation. Auch hier ist die erste Phase der ersten, schnellen Implementierung von Voice- oder Chatbots abgeschlossen. Je komplexer die Anwendungsfälle werden, die durch diese Systeme bearbeitet werden sollen, desto intensiver und langwieriger sind die Integrationsaufwände. Darunter fallen auch die bislang von uns nicht explizit erwähnten Begriffe Agent Assist und Agentic AI. Agent Assist, die Unterstützung und Entlastung der Menschen von monotonen, wiederkehrenden und nicht wertschöpfenden Tätigkeiten im Contact Center, steigert nicht nur die Effizienz, sondern steigert auch die Employee Experience und damit die Mitarbeiterzufriedenheit. Nicht verwunderlich, dass Agent Assist mittlerweile eine Standardfunktion von Contact Center- und Customer Service-Lösungen ist. Agentic AI, wie beispielsweise Companion Systeme, läuten eine nächste Stufe bei Conversational Automation ein. Solche Systeme erledigen eigenständig und autark komplexe Aufgaben – sowohl im Frontend als auch im Back Office. Zukünftig sollen ja die Agenten der Unternehmen mit den Agenten der Kunden reden. Zukunftsmusik, zugegeben. Aber die Fortschritte der Automatisierung durch Künstliche Intelligenz haben uns ja bereits mehrfach überrascht.

Customer Analytics wird nach unserer Einschätzung eine tragende Rolle für das Customer Experience Management einnehmen. Ein vielversprechendes Tätigkeitsfeld wird die Muster-Erkennung bei grossen, unstrukturierten Datenmengen. Neue, bislang mit anderen Methoden kaum erschliessbare Erkenntnisse zu Kundenverhalten und Kunden-Einstellungen werden damit ans Licht befördert. Customer Analytics ist und wird zu einem der wesentlichen Datenlieferanten. Weiter gestärkt wird damit auch die Rolle des CX-Cockpits. In der letzten Konsequenz muss Customer Analytics in der Lage sein, dem Management kurz und bündig zu sagen, welche CX-Verbesserungen jetzt im Unternehmen angegangen werden müssen. Hierbei sehen wir erste sehr vielversprechende Ansätze.

Gesamthaft sind wir der Ansicht, dass 2025 ein Jahr der Integration und Vernetzung von CX-Massnahmen mit Systemen, Daten und Geschäftsprozessen wird. CX Governance wird wichtig, um die eine auf den Kunden ausgerichtete Organisation zu schaffen. Viele Organisationen sind nach wie vor isoliert agierend und nicht für eine bereichsübergreifende Arbeit ausgelegt. CX muss das Bindegewebe sein, das die Organisation vernetzt und kundenfokussiert ausrichtet.

Prof. Dr. Nils Hafner, Hochschule Luzern

Prof. Dr. Nils Hafner

Prof. Dr. Nils Hafner ist internationaler Experte für den Aufbau profitabler Kundenbeziehungen. Er ist Professor an der Hochschule Luzern und Alumnus des Marketingnetzwerks MTP. In seinem Blog «Hafner on CRM» versucht er dem Thema seine interessanten, spannenden, skurrilen und lustigen Seiten abzugewinnen. Ende 2017 erschien bei Haufe sein Amazon Nr. 1 Bestseller «Die Kunst der Kundenbeziehung». www.nilshafner.ch

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