Service: Neue Währung von Kommunikation, Marketing und Sales

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Prof. Dr. Uwe SeebacherProf. Dr. Uwe Seebacher
Prof. Dr. Uwe Seebacher

In einer volatilen Geschäftswelt prägt Service als strategisches Instrument die Zukunft. Vertrauen, Personalisierung und nahtlose Kundenerlebnisse sind entscheidend. Unternehmen müssen Silos in Kommunikation, Marketing, Vertrieb und Service überwinden, um Effizienz und Loyalität zu steigern. KI, Predictive Intelligence und Automatisierung ermöglichen proaktive, personalisierte Erlebnisse. Mit messbaren KPIs wie NPS und CLV wird Service zum zentralen Hebel für langfristigen Erfolg. Nur Vorreiter, die Service in ihre DNA integrieren, sichern sich eine nachhaltige Marktposition.

Einleitung: Ein Paradigmenwechsel in turbulenten Zeiten

Die Geschäftswelt steht vor einer epochalen Transformation. In einer von Unsicherheit und Volatilität geprägten FIBS-Welt – geprägt durch Fake News, Isolating Bubble Filters, Burgeoning Populism und Storms of Conspiracy Theories (Seebacher, 2024) – genügt es nicht mehr, Produkte oder Dienstleistungen allein über klassische Marketing- und Vertriebskanäle zu vermarkten. Organisationen müssen die Rolle von Service als strategisches Instrument neu bewerten.

Service ist längst nicht mehr nur ein unterstützender Faktor; er ist die neue Währung, die Vertrauen, Loyalität und langfristige Kundenbindung schafft. Insbesondere in Krisenzeiten, wenn Budgets knapp und Unsicherheiten hoch sind, wird der strategische Einsatz von Service zum entscheidenden Erfolgsfaktor für Organisationen.

In diesem Artikel beleuchten wir, warum Service im Kontext von Kommunikation, Marketing und Sales unverzichtbar geworden ist, und wie Unternehmen dieses neue Paradigma effektiv implementieren können, um gestärkt aus den Herausforderungen der nächsten Jahre hervorzugehen.

Die FIBS-Welt und ihre Implikationen für Service

Die volatile Natur der heutigen Märkte zwingt Unternehmen, agiler und kundenorientierter zu agieren. In einer Welt, in der Kundenloyalität fragil ist und die Geschwindigkeit des Wandels exponentiell zunimmt, wird Vertrauen zur entscheidenden Währung.

Laut @Frances Frei und Anne Morriss (2017) ist Vertrauen ein Schlüsselelement für nachhaltige Kundenbeziehungen. Ihre Forschung zeigt, dass Unternehmen, die Vertrauen über konsistenten Service und klare Kommunikation aufbauen, langfristig erfolgreicher sind. Die Fähigkeit, eine konsistente, serviceorientierte Kommunikation zu gewährleisten, ist daher in einer FIBS-Welt unverzichtbar.

Service als Differenzierungsmerkmal

In gesättigten Märkten, in denen Produkte und Preise zunehmend austauschbar sind, wird Service zum entscheidenden Differenzierungsfaktor. Kunden erwarten nahtlose, personalisierte Erlebnisse, die über reinen Produktnutzen hinausgehen. Dies erfordert ein Umdenken in der gesamten Organisation: Service ist nicht länger ein isoliertes Element, sondern eine strategische Leitlinie, die alle Abteilungen durchdringt.

Überwindung des Silodenkens: Kommunikation, Marketing, Sales und Service vereint

Traditionell agieren Marketing und Sales als voneinander getrennte Einheiten mit oft widersprüchlichen Zielsetzungen. Diese Trennung wurde durch die Einführung von Corporate Communication und Service als zentrale Elemente weiter herausgefordert. Heute zeigen viele verschiedene Forschungsarbeiten und Studien, wie entscheidend es ist, die Unternehmenskommunikation neu zu gestalten (Seebacher, 2024)

Das neue Zusammenspiel

  • Marketing: Ziel ist es, die Marke zu positionieren und Leads zu generieren.
  • Sales: Fokus auf Conversion und Umsatz.
  • Corporate Communication: Aufbau von Vertrauen und Reputationsmanagement.
  • Service: Kundenbindung, Zufriedenheit und Upselling.
Integration der Geschäftsbereiche
Integration der Geschäftsbereiche – Bild: Prof. Dr. Uwe Seebacher

Ein integrierter Ansatz, der diese Funktionen vereint, ist entscheidend, um Synergien zu schaffen und eine kohärente Customer Journey zu gewährleisten. Unternehmen wie Salesforce oder HubSpot sind Vorreiter in der Integration dieser Bereiche und demonstrieren, wie Service als strategisches Bindeglied zwischen Marketing, Sales und Kommunikation fungieren kann (Kotler et al., 2021).

Bestehende Kunden: Der Hebel für Wachstum

Laut Studien von Bain & Company (Reichheld & Sasser, 1990) sind die Kosten für die Akquise eines neuen Kunden im Durchschnitt achtmal höher als die für die Bindung eines bestehenden Kunden. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird diese Erkenntnis umso relevanter.

Upselling und Cross-Selling als Schlüsselstrategien

Service spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung von Upselling und Cross-Selling. Kunden, die bereits Vertrauen in eine Marke oder ein Unternehmen haben, sind deutlich offener für zusätzliche Angebote – vorausgesetzt, diese sind wertstiftend und werden über eine konsistente Kommunikation vermittelt.

Der menschliche Faktor im digitalen Zeitalter

Trotz der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung bleibt der menschliche Touchpoint entscheidend. Frei und Morris (2017) betonen, dass gerade in kritischen Momenten persönliche Interaktionen den Unterschied machen können. KI-gestützte Tools wie Chatbots oder Predictive Analytics sollten daher ergänzend und nicht als Ersatz für den menschlichen Kontakt eingesetzt werden.

Predictive Intelligence, Generative Experience und die Zukunft von Service

Die Integration von Technologien wie Predictive Intelligence (PI) und Generative Intelligence Optimization (GIO) revolutioniert die Art und Weise, wie Unternehmen Service verstehen und umsetzen können.

Predictive Intelligence: Antizipation statt Reaktion

Durch die Analyse von Kundenverhalten und -präferenzen können Unternehmen proaktive Service-Erlebnisse schaffen. Ein Beispiel: Banken nutzen PI, um den Bedarf an Finanzprodukten wie Krediten oder Sparplänen vorherzusehen und gezielt anzubieten.

Generative Experience: Personalisierung auf höchstem Niveau

Mit GIO, einer Weiterentwicklung der Conversion Rate Optimization (CRO; Trummer 2023), können Unternehmen nicht nur personalisierte Inhalte erstellen, sondern auch emotionale Erlebnisse generieren, die Vertrauen und Bindung fördern (Seebacher, 2024).

Service als Teil der Conversion-Optimierung

Ein herausragender Service, der nahtlos in die Customer Journey integriert ist, wird zum zentralen Hebel, um Conversions zu maximieren. Laut einer Studie von McKinsey & Company (2022) führt exzellenter Service in Kombination mit KI-gestützten Empfehlungen zu einer Umsatzsteigerung von bis zu 20 %.

Die neuen Prinzipien für Erfolg

Um Service als die neue Währung zu etablieren, müssen Organisationen einige grundlegende Prinzipien umsetzen:

  1. Kundenfokus in der DNA: Alle Unternehmensbereiche müssen sich auf den Kunden ausrichten.
  2. Integration von Service in die Strategie: Service ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in Kundenbindung.
  3. Technologie als Enabler: KI, Predictive Intelligence und Automatisierung sind Werkzeuge, die den Service personalisieren und skalierbar machen.
  4. Menschlicher Kontakt bleibt entscheidend: Gerade in kritischen Momenten zählt der menschliche Faktor.
  5. Messbare KPIs: Erfolg muss anhand klarer Service-Kennzahlen wie NPS (Net Promoter Score) oder Customer Lifetime Value (CLV) bewertet werden.
Strategische Elemente für verbesserten Kundenservice
Strategische Elemente für verbesserten Kundenservice – Bild: Prof. Dr. Uwe Seebacher

1. Kundenfokus in der DNA: Alle Unternehmensbereiche müssen sich auf den Kunden ausrichten

Die Bedeutung von Kundenorientierung als strategischer Imperativ wird zunehmend von führenden Unternehmen erkannt. Laut Narver und Slater (1990) führt eine konsequente Kundenorientierung, die tief in der Unternehmenskultur verankert ist, zu einer nachhaltigeren Wettbewerbsfähigkeit und einer höheren Rentabilität. Dies bedeutet, dass alle Unternehmensbereiche – von Produktentwicklung über Vertrieb bis hin zu Corporate Communication – auf den Kunden ausgerichtet sein müssen.

Ein Unternehmen, das Kundenfokus in seiner DNA trägt, nutzt systematische Feedbackmechanismen und datengestützte Analysen, um Kundenbedürfnisse proaktiv zu antizipieren (Kohli & Jaworski, 1990). Diese organisationsweite Ausrichtung sorgt nicht nur für eine nahtlose Customer Journey, sondern schafft auch emotionale Bindung und Vertrauen, die in der heutigen FIBS-Welt unverzichtbar sind.

2. Integration von Service in die Strategie: Service ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in Kundenbindung

Lange Zeit wurde Service in Unternehmen als reiner Kostenfaktor betrachtet. Heutige Studien zeigen jedoch, dass Service eine Investition mit signifikantem Return on Investment (ROI) ist. Zeithaml et al. (1996) belegen, dass ein hochwertiger Kundenservice direkt mit einer Steigerung des Customer Lifetime Value (CLV) und einer Reduktion der Abwanderungsrate verbunden ist.

Darüber hinaus erhöht ein durchdachter Serviceansatz die Wahrscheinlichkeit von Wiederkäufen und Cross-Selling-Potenzialen um bis zu 25 % (Rust, Zeithaml, & Lemon, 2004). Entscheidend ist, dass Service nicht nur operativ, sondern auch strategisch positioniert wird. Unternehmen wie Amazon oder Zappos haben gezeigt, dass eine konsequente Service-Philosophie langfristig nicht nur die Kundenbindung, sondern auch den Markenwert steigert (Heskett, Sasser, & Schlesinger, 1997).

3. Technologie als Enabler: KI, Predictive Intelligence und Automatisierung personalisieren den Service

Moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Predictive Intelligence und Automatisierung haben den Kundenservice revolutioniert. Diese Werkzeuge ermöglichen es Unternehmen, personalisierte Erlebnisse auf einer nie dagewesenen Skalierbarkeit zu bieten. Beispielsweise ermöglichen KI-gestützte Chatbots, Kundenanfragen in Echtzeit zu beantworten, während Predictive Analytics proaktiv auf Kundenbedürfnisse eingehen kann, bevor diese ausgesprochen werden (Davenport & Ronanki, 2018).

Die Studien von Brynjolfsson und McAfee (2017) zeigen, dass Unternehmen, die diese Technologien effektiv integrieren, eine signifikante Steigerung ihrer Servicequalität sowie ihrer operativen Effizienz erreichen können. Wichtig bleibt jedoch, dass Technologie den menschlichen Kontakt ergänzt und nicht ersetzt. Die Integration solcher Tools sollte stets im Kontext einer durchdachten Customer Experience Strategy erfolgen (Lemon & Verhoef, 2016).

4. Menschlicher Kontakt bleibt entscheidend: Gerade in kritischen Momenten zählt der menschliche Faktor

Trotz aller technologischen Fortschritte bleibt der menschliche Kontakt ein zentraler Bestandteil des Kundenservice, insbesondere in kritischen oder emotional belasteten Momenten. Unsere Arbeiten im Kontext von Industriezyklusanalysen der Hochschule München ergeben, dass in Zeiten von immer mehr KI in den Wertschöpfungsprozessen, die menschliche Komponente immer mehr an Bedeutung gewinnt. Wir erwarten ähnliche Entwicklungen, wie wir diese im Bereich des eBooks aber auch der Compact Disc gesehen haben. Das klassische Buch aber auch die klassische Polyvinyl-Schallplatte haben sich heute zum Luxusgut entwickelt und ebenso werden Unternehmen in Zukunft als Differenzierungsmerkmal bewusst auf realen, humanen Vertrieb setzen, um dem Kunden den entsprechenden Stellenwert vermitteln zu können. Natürlich wird dieser Human Sales mit dem Wissen aus der Predictive Intelligence den Kunden bestmöglich beraten und begleiten können. Frei und Morris (2017) argumentieren, dass Vertrauen – eine der wichtigsten Währungen im Kundenkontakt – nur durch authentische und empathische Interaktionen aufgebaut werden kann.

Laut einer Studie von Deloitte (2020) bevorzugen 60 % der Kunden in schwierigen Situationen den persönlichen Kontakt, selbst wenn digitale Alternativen verfügbar sind. Dieser „Human Touch“ ist oft der entscheidende Faktor, der Kundenloyalität und Markenvertrauen aufrechterhält. Unternehmen müssen daher eine hybride Service-Strategie verfolgen, bei der Technologie und menschliche Interaktion optimal kombiniert werden (Parasuraman, Zeithaml, & Berry, 1985).

5. Messbare KPIs: Erfolg anhand klarer Service-Kennzahlen wie NPS und CLV bewerten

Ohne klare Messkriterien bleibt der Erfolg von Serviceinitiativen unsichtbar. Key Performance Indicators (KPIs) wie der Net Promoter Score (NPS) oder der Customer Lifetime Value (CLV) sind unverzichtbare Werkzeuge, um die Wirkung von Service auf den Geschäftserfolg zu bewerten. Der NPS misst die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden ein Unternehmen weiterempfehlen, und hat sich als zuverlässiger Indikator für Kundenloyalität erwiesen (Reichheld, 2003).

Der CLV hingegen gibt Aufschluss über den langfristigen wirtschaftlichen Wert eines Kunden und zeigt, wie effektiv ein Unternehmen in die Kundenbindung investiert (Gupta, Lehmann, & Stuart, 2004). Beide KPIs ermöglichen es Unternehmen, Service nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ zu bewerten und daraus strategische Entscheidungen abzuleiten.

Fazit: Die Zukunft gehört den Service-Vorreitern

Unternehmen, die Service als die neue Währung schnell und effektiv in ihre Strategien integrieren, werden nicht nur die aktuellen Herausforderungen meistern, sondern gestärkt aus ihnen hervorgehen. In einer Welt, in der Vertrauen, Personalisierung und nahtlose Kundenerlebnisse entscheidend sind, ist Service der Schlüssel zur langfristigen Differenzierung und zum Erfolg.

Die nächsten Jahre werden zeigen, welche Organisationen diesen Wandel aktiv gestalten – und welche im Wettbewerb zurückfallen. Der Weg zu einer servicezentrierten Organisation, die es schafft die Silos innerhalb der Distributionsfunktionen bestehend aus Kommunikation, Marketing, Vertrieb und Service zu überwinden und dadurch diese synergetisch zu nutzen, ist komplex, doch die Belohnungen sind immens.

Prof. Dr. Uwe Seebacher

Prof. Dr. Uwe Seebacher ist ein international führender Methodiker und Strukturforscher. Er ist unter anderem Professor für Data Science und Predictive Intelligence an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München und Professor für Marketing und Kommunikation an der Fachhochschule Wien.

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