Künstliche Intelligenz im Contact Center: Bearbeitungszeiten verkürzen und Kundenverhalten vorhersehen

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Künstliche Intelligenz im Contact Center-Bearbeitungszeiten verkürzen und Kundenverhalten vorhersehen, Photo by Arlington Research on UnsplashKünstliche Intelligenz im Contact Center-Bearbeitungszeiten verkürzen und Kundenverhalten vorhersehen, Photo by Arlington Research on Unsplash
Künstliche Intelligenz im Contact Center-Bearbeitungszeiten verkürzen und Kundenverhalten vorhersehen, Photo by Arlington Research on Unsplash

Autor: Noam Fine, Head of AI bei Vonage

Zufriedene Mitarbeiter, eine bessere Customer Experience und geringere Kosten durch kundenbezogene Prozesse

Corona hat das Leben von Verbrauchern und Unternehmen grundlegend verändert. Aus Angst vor dem Virus wurden die unterschiedlichsten Branchen lahmgelegt – vom Reise- und Kultursektor bis hin zum Einzelhandel. Auch an den Contact Centern ging die Pandemie nicht spurlos vorbei: Sie mussten ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schicken, um ihren Betrieb aufrechterhalten zu können. Doch die eigentliche Herausforderung war die schwankende Nachfrage während der Krise. Sie warf alle bislang geltenden saisonalen Konsummuster über den Haufen, was die Prognosen und Ressourcenplanung deutlich erschwerte.

Zudem verlagerte sich das Konsumverhalten der Verbraucher: Online-Einkäufe stiegen auf ein nie da gewesenes Hoch – laut Statista von 16,07 Milliarden Visits im Januar 2020 auf fast 22 Milliarden im Juni 2020. Der stärkere Online-Konsum und der Wunsch nach kontaktlosen Einkaufsmöglichkeiten sind die Hauptgründe, warum Contact Center immer öfter auf Selfservice-, Automatisierungs- und proaktive Messaging-Lösungen setzen. Das reduziert die Servicekosten und schaufelt Mitarbeiterressourcen frei.

Die grösste Herausforderung bleibt es herauszufinden, was der Kunde will – und das mit einem kanalübergreifenden Angebot, das Ergebnisse liefert und nicht zu komplex wird. Hier kommt künstliche Intelligenz ins Spiel: Sie hilft, den Kunden im Rahmen eines normalen gesprochenen oder geschriebenen Dialogs in fast jeder Sprache zu verstehen. KI kann an jedem beliebigen Punkt, an dem Menschen Kontakt aufnehmen, ansetzen: auf der Website, in der App oder am Telefon. Mit anderen Worten: Der Kunde spricht oder tippt seine Frage ein, die KI erkennt sein Anliegen und liefert ihm die bestmögliche Unterstützung.

Werfen wir einen Blick darauf, welche Möglichkeiten es gibt oder in baldiger Zukunft geben wird, um künstliche Intelligenz in Contact Centern einzusetzen.

KI im Self Service sorgt für zufriedene Verbraucher

Ein Kunde möchte einen Flug buchen: Ein einfacher Vorgang, den er via Self Service abwickeln kann. Er besucht die Website des Reiseveranstalters, gibt Flugziel, Reisedatum und seine persönlichen Daten ein und schliesst die Buchung mit der Bezahlung ab – alles bequem über das Buchungssystem des Veranstalters. Für diesen selbst ist der Vorgang jedoch nicht so simpel: Er muss die Transaktion des Kunden in verschiedene Systeme und Abläufe integrieren, etwa in seine eigene Kundendatei und das externe Passagiersystem der Airline. Eine Self Service-Lösung sollte also verschiedene Anbindungsoptionen bieten, um alle Elemente einer Transaktion zu unterstützen. Kommt das Programm beispielsweise zur Vermittlung von Reiseinformationen zum Einsatz, spielt die Integration mit Knowledge-Management-Ressourcen eine wichtige Rolle. In diesem Fall hilft künstliche Intelligenz dabei, Inhalte leichter aufzufinden und per Empfehlung mit anderen zu teilen.

In puncto Customer Experience stösst ein erfolgreicher Self Service, der durchgehend intuitiv und mit wenig Aufwand verbunden ist, stets auf positives Feedback. Die Nutzer erhalten 24 Stunden am Tag Zugriff und können sowohl Art als auch Gerät der Interaktion selbst wählen. Das vermittelt ihnen das Gefühl, die Dinge selbst in der Hand zu haben.

Ähnliche Vorteile geniessen auch die Mitarbeiter: Self Service-Lösungen können laut Forrester das Anfragevolumen für die Beschäftigten um bis zu 23 Prozent verringern. Die Berater können ihre Zeit und ihr Know-how so in wichtigere Angelegenheiten investieren.

Besonders in turbulenten Zeiten mit unerwartet hohem Kundenandrang ist das Gold wert: Ohne Self Service laufen die Live-Kanäle vor lauter Anfragen über, die deshalb nicht rasch genug bearbeitet werden können. Ein Beispiel: Die Pandemie warf 2020 Urlaubs- und Reisepläne in nie gekanntem Ausmass über den Haufen. Ebenso riesig war die Zahl der Anfragen von Verbrauchern, die ihre Reise stornieren wollten. Mithilfe von Self Service-Lösungen lässt sich dieser immense Ansturm auf die Contact-Center-Mitarbeiter eingedämmen. Gerade in unsicheren Zeiten ist die Fähigkeit, auf unvorhergesehene, von alten Prognosemustern abweichende Bedarfsspitzen angemessen zu reagieren, enorm wichtig.

KI im Mitarbeiter-Service liefert Agenten automatisch Gesprächsinformationen

Manchmal übersteigt eine Interaktion allerdings die Fähigkeiten der künstlichen Gesprächsintelligenz, weil das Thema nicht erkannt wird oder der Dialog eine überraschend emotionale oder komplexe Wendung nimmt. In diesen Fällen muss ein Mitarbeiter aus Fleisch und Blut übernehmen, der Zugriff auf sämtliche Kontextinformationen zum Kundenanliegen und zur Gesprächshistorie hat. Hier greift die KI dem Contact Center-Agenten unter die Arme, indem sie ihm beispielsweise einschlägige Artikel und Antworten auf häufig gestellte Fragen und relevante Abläufe vorschlägt. Die Vorschläge basieren auf der Echtzeiterkennung der Kundenabsicht und der Fähigkeit, den Verlauf der Konversation vorhersagen zu können.

Auch mit Produktivitätstipps unterstützt KI die Angestellten: Während einer Chat-Session kann sie beispielsweise komplette Gesprächsblöcke vorschlagen oder begonnene Sätze automatisch vervollständigen. Das ist besonders dann praktisch, wenn der Mitarbeiter zwischen mehreren Chats hin- und herspringen muss. Die Dialoge lassen sich auf diese Weise zudem schneller abschliessen – laut Forrester verkürzt sich die durchschnittliche Bearbeitungszeit um zehn bis 47 Sekunden pro Chat-Session. Dank des raschen Zugriffs auf relevante Informationen können die Mitarbeiter ihre Kunden fachlich kompetenter beraten, ohne Schulungen absolvieren oder mehrere Jahre Berufserfahrung vorweisen zu müssen.

Selbst die Stimmung des Verbrauchers lässt sich mit künstlicher Intelligenz in Echtzeit erfassen: Beispielsweise registriert sie, wenn ein Kunde aufgebracht ist. Bevor es zu einer Eskalation kommen kann, wird die Angelegenheit an einen Agenten weitergeleitet. .

Von diesem Konzept profitieren vor allem Unternehmen aus stark regulierten Branchen, etwa aus dem Finanzsektor oder der Energiewirtschaft. Sie reduzieren das Risiko, dass unerfahrene Berater falsche Informationen weitergeben. Dieser Ansatz ist auch für Vertriebsabteilungen nützlich, denn mit KI lassen sich die allerneuesten Informationen zu häufig wechselnden und deshalb schwer zu überschauenden Discounts, Aktionen und Sonderangeboten korrekt abrufen. Die KI verhindert, dass der Fall komplett neu aufgerollt werden muss, da die Gesprächsdaten sämtlicher Kanäle vorliegen.

Tendenzen im Kundenverhalten aufspüren

Aus Kundengesprächen lässt sich ein enormer Nutzen ziehen. Besonders dann, wenn mithilfe von Natural Language Processing ermittelt wird, was warum passiert und welche Schlüsse sich daraus ziehen lassen. Mit der richtigen Analyse- und Berichtslösung kann künstliche Intelligenz diejenigen Aspekte der Customer Journey identifizieren, die verbessert werden müssen. Sie weist die Berater darauf hin, welche Gespräche gut gelaufen und wo neue Ansätze erforderlich sind. Weit über die üblichen Contact Center-Kennzahlen hinaus zeigt KI operative Trends und Tendenzen im Kundenverhalten auf. Sie erkennt, was bei den Kunden an oberster Stelle steht und macht Führungskräfte auf wichtige neue Themen aufmerksam. Traditionelle Methoden des Qualitäts-, Performance- oder Customer-Experience-Managements, die mit Stichproben und häufig mit manuellen Analysen arbeiten, können hier nicht mithalten.

Ein weiterer Vorteil: Mit KI gelingt es, die Kundenabsicht in Voice- und Textinteraktionen nach dem „Always on“-Prinzip zu entschlüsseln, beispielsweise anhand von automatischen Chats. Sie liefert Conversation Designern den Rahmen für die Entwicklung strukturierter Dialoge. Je detaillierter die vom Kunden geäusserten Wünsche zutage treten, desto komplexer lassen sich im Laufe der Zeit auch die Dialoge gestalten. So ist es vorstellbar, dass in Zukunft in Servicegesprächen mehrere Themen statt nur eines erörtert werden.

Fazit

Künstliche Intelligenz ist in der Contact Center-Branche bereits fest verankert und verändert die Art und Weise, wie Dienstleistungen konzipiert und erbracht werden. Sie gibt den Rahmen für die Optimierung verschiedener Kontaktkanäle vor. Mobile Apps und Web-Anwendungen, smarte Geräte, Bots, Sprachdialogsysteme und Messaging-Plattformen: Überall lassen sich heute moderne Kommunikationsfunktionen einbinden.

Die Agenten arbeiten effizienter und haben mehr Zeit, sich auf anspruchsvolle Anfragen zu konzentrieren. Das Ergebnis: zufriedene Mitarbeiter, eine bessere Customer Experience und geringere Kosten durch die kundenbezogenen Prozesse.

Und es wird stetig besser – die KI-Technologie befindet sich nach wie vor in einer rasanten Entwicklungsphase, in der die Grenzen des Möglichen ständig neu ausgelotet werden. Das Marktforschungsunternehmen Gartner prognostiziert sogar, dass bis zum Jahr 2023 40 Prozent der Contact Center-Interaktionen komplett automatisch ablaufen.

Über den Autor

Vonage_Noam_Fine-1Noam Fine ist Head of AI bei Vonage. Vorher war er CEO bei Over.ai (mittlerweile von Vonage übernommen), einer von ihm mitbegründeten KI-basierten Voice-Plattform für Contact Center.

Zuvor gründete und leitete Fine weitere Unternehmen: Sensiya by i.am+, eine Machine-Learning-Plattform, Widdit, ein führender Anbieter von Lösungen zur Nutzerbindung und Monetarisierung von Apps, sowie Predictad, eine Plattform für prädiktive Suchalgorithmen. Seinen Bachelor of Science im Fach Industrial Engineering absolvierte Fine an der Universität Tel-Aviv.

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