Autoren: Timoor Taufig, CEO und Co-Founder von Userlike gemeinsam Patrick Staufenbiel, Prozessmanager bei Hermes Germany
Mail und Telefon sind Kommunikationskanäle der Vergangenheit. Viel zu oft genügen sie nicht mehr, um den enormen Ansturm an Kundenanfragen zu bewältigen, mit denen Unternehmen wie Hermes tagtäglich konfrontiert sind. Deutschlands zweitgrösster Paketdienstleister stellte seine Kundenkommunikation daher bereits 2019 um. Seitdem heisst es Bots und Messaging statt Warteschleifen und mühsamer Mailverkehr. Zwei Jahre später lohnt sich ein Fazit: Wie kann Hermes den gewachsenen Ansprüchen der verschiedenen Zielgruppen seither begegnen? Und wie sieht eine erfolgreiche Umsetzung der Kundenkommunikation via Chatbots und Messaging-Apps aus?
WhatsApp: Die einzige Option?
Klassische Anrufe sind auf dem absteigenden Ast. Fragt man die Deutschen, wie sie am häufigsten kommunizieren, fällt die Antwort recht eindeutig aus: WhatsApp ist das Mittel der Wahl. In konkreten Zahlen heisst das: zwei Milliarden Nutzer weltweit, allein in Deutschland sind es rund 33,4 Millionen. Unternehmen sollten diese Gewohnheit für sich nutzen und ihrer Zielgruppe die Kommunikationskanäle anbieten, die diese ohnehin alltäglich verwendet.
Doch WhatsApp ist nicht der einzige Messenger, der für die deutschen Verbraucher von Relevanz ist: Auch Telegram, Threema oder der Facebook Messenger weisen eine hohe tägliche Nutzerzahl auf. Es bietet sich daher stets an, im Kundenservice auf einen gebündelten Omnichannel-Support zu setzen – wie es auch Hermes macht.
„Ich bin Bo, wie kann ich helfen?”
Das Aufkommen an Kundenanfragen, das Hermes täglich über die verschiedenen Kanäle stemmen muss, ist enorm. Täglich gibt es über 40.000 Kontakte auf allen Kanälen. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig. Kunden wollen z.B. wissen, wann ihr Paket ankommt, wie lange es noch braucht, bis es am Ziel ist oder mit welchen Kosten sie rechnen müssen, wenn sie etwas versenden. Um Mitarbeitende zu entlasten und Kunden ein möglichst angenehmes Nutzererlebnis zu bieten, entschloss sich Hermes daher im letzten Jahr als erster der grossen deutschen Paketdienstleister dazu, WhatsApp in die Kundenkommunikation einzubinden. Zudem implementierte das Unternehmen den hauseigenen Chatbot „Bo“ in den Messenger. Bo wurde eigens für Hermes entworfen und kam bereits zwei Jahre zuvor im Kundenportal myhermes.de zum Einsatz. Dort beantwortete er ursprünglich ausschliesslich Fragen rund um den Sendungsstatus. Inzwischen ist er auch bei WhatsApp aktiv und rund um die Uhr erreichbar.
Dabei stärkt Bo vor allem den Conversational Commerce von Hermes. Denn der Kunde möchte vor allem auf die Art und Weise Kontakt aufnehmen, wie es gerade zu seiner Situation passt. Dialogorientierte Kanäle wie Live-Chat oder Instant-Messenger schaffen dabei eine ideale Ergänzung zu bereits vorhandenen Kommunikationskanälen wie Telefon, E-Mail oder auch Twitter. Die zeitnahe Reaktion mit einer Information oder Lösung sind häufig wichtiger als der Kanal. Der Kunde möchte nicht darüber nachdenken müssen, für welches Anliegen welcher Kanal am besten geeignet ist. Hermes möchte seinen Kunden das Gefühl geben, dass es egal ist, wie diese mit dem Unternehmen kommuniziert.
Bos Entwicklung – von der Implementierung bis heute
Doch Chatbots können nicht unmittelbar nach ihrer Implementierung alle Anfragen eigenständig bearbeiten. Sie benötigen erst Input oder Regeln, auf denen ihre Intelligenz aufbauen kann. Da der Assistent von Hermes auf KI-Technologien basiert, lernt er mit der Zeit dazu und entwickelt sich auf diese Weise immer weiter. Das bedeutet auch, dass er nach und nach immer komplexere Anfragen beantworten kann.
Auch Bo hat sich seit 2019 weiterentwickelt. „Wo ist meine Sendung“ oder „Wann kommt mein Paket an“ gehören nach wie vor zu den Standardanfragen. Doch Bo verrät zum Beispiel auch, ob eine Sendung an einen Nachbarn oder an einen Paketshop zugestellt wurde. Um die Kunden bestmöglich vorzubereiten, spielt er außerdem Wetterfrosch und weist sie darauf hin, wenn es am Standort des Paketshops regnet. Zusätzlich bietet er eine Verwaltung der Paketzustellung an. Das bedeutet, dass Kunden ihre Sendungen beispielsweise an einen Paketshop umleiten können, wenn sie nicht zu Hause sind. Bo organisiert diese Wunschzustellung per Dialog bis zur fertigen Umbuchung. Er nimmt zudem Beschwerden auf und leitet diese weiter. Im Falle beschädigter Sendungen verweist Bo dann mit dem korrekten Link zum Schadenformular. Ausserdem nimmt er Daten auf und registriert, wenn es zu Problemstellungen durch falsche Adressangaben gekommen ist: In diesem Fall fragt er nach einer korrekten Adresse und informiert einen Agenten im Customer Service, damit diese entsprechend angepasst wird.
Aber: Bo ist und bleibt ein Bot. Und der kommt hin und wieder an seine Grenzen, etwa weil er eine Anfrage nicht versteht oder die Antwort darauf noch nicht kennt. Und das ist vollkommen in Ordnung, schliesslich soll und wird er keine menschlichen Kollegen vollends ersetzen. Tritt der Fall ein, dass Bo bei einem Anliegen einmal nicht weiterkommt, leistet er dennoch wertvolle Vorarbeit. Er fragt wichtige Kundendaten ab und kann zudem einordnen, in welchem Themenfeld sich die Anfrage verorten lässt, ehe er an einen geeigneten Mitarbeitenden übergibt. Auf diese Weise können sich seine menschlichen Kollegen auf das Wesentliche konzentrieren und haben mehr Zeit, umfangreichere Kundenanfragen zu beantworten.
Die vielseitigen Vorteile eines Chatbots
Die Entlastung der Mitarbeitenden und eine durchgehende Erreichbarkeit sind Pluspunkte, die in der Form über eine Abwicklung via E-Mail nicht realisierbar wären. Darüber hinaus kann ein Chatbot dem Unternehmen aber auch eine Stimme und Persönlichkeit verleihen. Je nachdem, welche Tonalität der Bot anschlägt, welchen Namen er trägt und hinter welchem Avatar er sich verbirgt, kann er das Unternehmensimage positiv beeinflussen. Bo etwa begrüßt hin und wieder mit “Moin”, schliesslich ist er ein echter Hamburger. Er benutzt emotionale Ausdrücke, wenn es ein Problem gibt, wie z.B. “oh nein” oder “oje”. Auch lautmalerische Wörter wie “hmm…” oder “ups…” treten im Gespräch auf. Ausserdem reagiert er auf Beleidigungen, denn diese lässt er sich nicht gefallen.
Bots sind ausserdem gut darin, Kundendaten im Blick zu behalten. Durch automatisierte Abläufe speichern sie wichtige Informationen und können eventuell sogar Schlüsse über das Verhalten der Kunden ziehen. Hierzu kann ein Chatbot so programmiert werden, dass er KPIs wie Suchbegriffe, Kundeninteraktionen, Nutzerzufriedenheit und Kaufgewohnheiten zusammenfasst. Das ist besonders wertvoll für Unternehmen und wesentlich leichter als manuelles Recherchieren und Reporten.
Auch auf Kundenseite gibt es einen weiteren Punkt, der für einen Chatbot spricht: Vielen Menschen fällt es leichter, mit einem nicht-menschlichen Ansprechpartner zu sprechen. Das liegt unter anderem daran, dass weniger Erwartungsdruck besteht. Zudem können sie bestimmte Formalitäten überspringen, die in einem echten Gespräch angebracht wären und stattdessen direkt zur Sache kommen.
Der digitale Kundenservice ist stets im Wandel. Hermes ist der praktische Beweis. Bo wird sich weiterentwickeln, neue Services anbieten und auch die Kundenkommunikation via WhatsApp wird sich fortlaufend an die Bedürfnisse der Zielgruppen anpassen. Darüber hinaus könnte Bo zukünftig auch eine echte Stimme haben. Denn das Team von Hermes hat die Idee, den Bot perspektivisch auch am Telefon einzusetzen, um dort Anfragen automatisiert zu bearbeiten. Doch das gilt nur für einfache Anfragen und den Erstkontakt – denn in Sachen Emotionen und Empathie macht ein Bot seinen menschlichen Kollegen noch immer nichts vor.
Über den Autor
Timoor Taufig ist Mitgründer und Geschäftsführer von Userlike. Die Software für Live-Chat und Messaging hat der Kölner 2011 mit seinem langjährigen Geschäftspartner David Voswinkel noch während des Studiums gegründet. Inzwischen vertrauen mehr als 10.000 Unternehmen in 50 Ländern auf die Chatsoftware von Userlike, darunter BMW, die Targo Bank, Hermes und Globetrotter.