Charlie Chaplin und AI

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Principles of IdeationPrinciples of Ideation
Principles of Ideation

Seit über 15 Jahren beschäftigt sich Claudio Mirti mit Informations-Management und der Transformation von ICT-Anforderungen zwischen Business und IT. Er begleitet Grossunternehmen weltweit bei AI-Projekten, ist an internationalen Studien beteiligt und unterrichtet in der Schweiz und den USA an renommierten Universitäten und Hochschulen. Irgendwo zwischen New York, San Francisco und Wallisellen konnten wir mit ihm über AI sprechen.

Claudio Mirti ist als Principle Solution Specialist im Bereich Data & AI bei Microsoft Schweiz tätig.

Du hast bereits viele erfolgreiche Umsetzungen und Projekte basierend auf AI begleiten dürfen, aber wahrscheinlich auch einige Fehlinvestitionen?

Es ist immer eine Frage des gesunden Menschenverstandes. Früher haben wir gelernt, wie wir die Technologie für uns nutzen können. Mit Artificial Intelligence lernt die Technologie von uns und hilft uns, neue Möglichkeiten zu entdecken, wie wir Tätigkeiten effizienter angehen oder auf der Basis von Daten neue Erkenntnisse gewinnen. Häufig werden Projekte allerdings ins Leben gerufen, weil gewisse Buzzwords aufgegriffen werden, ohne zu hinterfragen, was diese wirklich für einen Nutzen stiften können und sollen. Wer ist der Enduser und wo wollen wir ihn mit AI auf seiner User Journey begleiten?

Gerne würde ich von dir wissen, welchen Impact AI deiner Meinung nach auf Unternehmen heute schon hat und in zehn Jahren haben wird.

Gemäss einer Studie der Stanford University wird AI in den nächsten zehn Jahren bedeutende Aspekte des Alltags von Beschäftigung und Bildung bis zu Transport und Unterhaltung auf den Kopf stellen. Grossunternehmen haben schon heute viele Investitionen getätigt. Dienstleistungsbranche, Gesundheitswesen und Technologielieferanten nutzen AI und werden es auch weiter einsetzen.

Müssen wir also tatsächlich damit rechnen, dass Roboter künftig unsere Bestellungen aufnehmen oder unsere Support-Anfragen und Anliegen in Servicecentern bearbeiten?

Ich nehme gerne das Charlie-Chaplin Beispiel. Bei einem seiner Filme (Modern Times) arbeitet er an einem Förderband und macht immer die gleichen Bewegungen. Zieht die Schraube an, nächste Station, zieht die Schraube an usw. Irgendwann verliert er den Rhythmus und kommt aufs Förderband und gelangt dabei in das Innere der Maschine. Nun, dies ist zum Glück ein Film. In der Realität würde es so aussehen, dass gewisse Bewegungen von Robotern übernommen werden, aber die Person, welche früher einen Schraubenschlüssel in der Hand hielt, nun ein Tablet hält und so spezifische Bewegungen des Roboters steuert.

Ein weiteres Beispiel sind Support-Anfragen. Wieso sollten gewisse Anfragen, welche immer wieder auftreten, sogenannte Frequently Asked Questions, nicht von einem Chatbot übernommen werden? Somit hätte der Agent mehr Zeit, um sich um komplexere Anfragen zu kümmern. Ich kann dies mit ruhigem Gewissen sagen, denn als ich nach der Lehre bei Swisscom Mobile als Call Center Agent angefangen habe, hätte ich gerne einen solchen digitalen Assistenten gehabt, um genau solche häufig gestellten Fragen an ihn zu delegieren.

Wo siehst du AI-basierte Projekte in Unternehmen angesiedelt, damit diese erfolgreich lanciert werden können? Gibt es eine Schlüsselstelle, eine Schlüsselfunktion oder wie siehst du die Rolle und deren Zuständigkeit im Unternehmen?

(Lacht) Diese Frage stellen mir meine Studierende auch immer. Die Antwort darauf: Wir haben uns damals mit der Rolle des CIO schon gefragt, ob dieser nun direkt an den CEO rapportieren oder beim CFO angehängt werden soll. Ob nun AI oder IT, dies ist aus meiner Sicht eine Stabsfunktion und die zuständige Person im Unternehmen sollte direkt unterhalb des Geschäftsführers angesiedelt sein. Doch dies alleine wird nicht genügen, um erfolgreich zu sein. Vielmehr sollte die Vision und übergeordnete Strategie sein, diese Themen im Sinne einer digitalen Transformation bei allen Geschäftsleitungsmitgliedern zu verankern. Mein Motto ist: Betroffene zu Beteiligten machen.

Design Thinking

Wenn sich ein Unternehmen überlegt, einen Chatbot oder irgendein anderes «Digital AI based Project» einzuführen, was rätst du diesen Firmen dann als Erstes?

Die erste Frage, die ich stelle, ist: Geht es um Effizienzsteigerung oder um ein neues Geschäftsmodell? Die zweite Frage wäre dann, basierend auf der ersten, worum geht es, Produktivitätssteigerung durch Unterstützung der Mitarbeitenden oder um den Endkunden? Bei der dritten Frage wäre dann eine User Journey fällig, um herauszufinden, wo die unterschiedlichen Berührungspunkte beziehungsweise Kontaktpunkte mit der Dienstleistung des Unternehmens sind und wo diese mit der Nutzung von AI optimiert beziehungsweise positiv gestaltet werden können, so dass dies zu einem guten Kundenerlebnis führt.

Gibt es einen Prozess, den du empfehlen kannst, um den Erfolg, die Tragweite und damit auch die zielgerichtete Lösung solcher Projekte und Entwicklungen sicherzustellen? Kannst du uns diesen Prozess erläutern und uns auf eine geistige Reise mitnehmen?

Ich nutze einen etwas verkürzten Design Thinking-Ansatz: Inspiration, Ideation, Implementation. Die erste Phase (Inspiration) dient dazu, generell die Augen zu öffnen. Darüber, was heute schon möglich ist, was bereits existiert und was andere Unternehmen machen. Anbieter einladen und sich auf die Reise des Möglichen mitnehmen lassen. Habe ich mich nun inspirieren lassen, dann starte ich die nächste Phase (Ideation). Hier empfehle ich, unterschiedliche Teilnehmer einzuladen aus verschiedenen Bereichen. Wichtig an diesem Punkt ist es, Kritiker miteinzubeziehen. Die Räumlichkeiten spielen in dieser Phase eine wichtige Rolle. Ich empfehle: nicht im Daily-Business-Bereich, sondern auf die richtige Atmosphäre setzen. Wurden dann einige gute Ideen generiert, sollten diese vor einem Gremium gepitcht werden, zu welchem auch Start-Ups sowie Hochschulen eingeladen werden. Dies hat zwei Vorteile, erstens sie sind unbelastet, können entsprechend neutral urteilen, da sie die Historie sowie die internen politischen Diskussionen nicht kennen und zweitens kommen weitere Inputs, neue Ansichten rein. Sobald drei Ideen priorisiert sind, startet die dritte Phase (Implementation). Da es heutzutage möglich ist, AI schon auf Basis von vorgefertigten, vortrainierten Bausteinen zu nutzen, können rasch erste Resultate erzielt werden. Sogenannte «Cognitive Services» bieten sich an, Apps oder Webseiten mit intelligenten Algorithmen zu ergänzen oder das Bot Framework, um eigene Chatbots zu entwickeln.

Was gibst du deinen Studenten mit auf den Weg, wenn du sie nach stunden- oder tagelanger Wissensaufnahme, dem Brüten über unendlichen Case Studies und dem Führen von Diskussionen wieder in den Arbeitsschluss entlässt?

Kurz: Think big, act small but do it. Klein anfangen, künstliche Intelligenz nutzen und dabei Betroffene zu Beteiligten machen. Kunden sowie Mitarbeiter einbinden ist ein Muss!


Design Thinking

Design Thinking ist ein menschenzentrierter Innovationsansatz, der durch den richtigen Einsatz der Technologie auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht.

Die abgekürzte Version in Anlehnung an den Design Thinking Ansatz:

Inspiration

  • Beachten Sie: Menschzentrierte Aktivitäten im Fokus
  • Problem oder Chance, die die Suche nach einer Lösung motiviert
  • Schau auf die Welt − beobachte, was die Leute denken, was sie brauchen und wollen

Ideation

  • Prozess des Generierens, Entwickelns und Testens einer Idee, die zur Lösung führen kann
  • Experimentieren, Prototyping, Zusammenarbeit

Implementation

  • Weg vom Projektraum zum Markt
  • Erstellen Sie ein Erlebnis
Meike Tarabori, Chefredaktorin cmm360

Meike Tarabori

Im Januar 2019 übernahm Meike Tarabori die Position als Chefredakteurin des cmm360, das renommierte Schweizer Magazin für Customer Relations Stars und Service Champions. Als erfahrene Expertin für Marketing und Kommunikation mit Abschlüssen in Business, Marketing und deutscher Literatur hat sie wertvolle Erfahrungen unter anderem bei Unternehmen wie KUKA Robotics und zuletzt beim Cybathlon ETH Zürich gesammelt. Im Rahmen eines umfangreichen Rebranding-Projekts verlieh sie dem cmm360 seine aktuelle, moderne Ausrichtung. Seitdem hat sie nicht nur die Onlinepräsenz des Magazins erfolgreich etabliert, sondern kontinuierlich neue Formate wie die Podcasts «Nice To Meet You», «Meike's Raumzeit» und «ICT Talk» entwickelt. Darüber hinaus fungiert sie als Organisatorin des Schweizer Customer Relations Awards, eine Plattform, die innovative Projekte zur Gestaltung nachhaltiger Kundenbeziehungen und einzigartiger Kundeninteraktionen würdigt und auszeichnet.

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