Künstliche Intelligenz verändert die Spielregeln im Marketing – schneller und tiefgreifender, als viele erwartet hätten. Beim Event „bvik meets Industry: King Content – die Zukunft des Content-Marketings im KI-Zeitalter“, das in den Räumlichkeiten der Bühler AG in Uzwil stattfand, gaben hochkarätige Referent:innen aus Wissenschaft, Industrie und Beratung Einblicke, wie Content-Strategien, Tools und Organisationen neu gedacht werden müssen.
Differenzierung schafft Relevanz
Zum Auftakt betonten Gastgeber Burkhard Böndel, Leiter Unternehmenskommunikation bei Bühler, und bvik-Vorstandsmitglied Alexander Bliesalski, dass es im B2B-Marketing mehr denn je um Differenzierung gehe, um für Relevanz zu sorgen. Entscheidend sei es, Inhalte zu schaffen, die echte Kundenbedürfnisse adressieren und spürbaren Mehrwert bieten. Content werde damit zur Währung, die Vertrauen generiert und Kaufentscheidungen vorbereitet.
KI ist nur so gut wie ihre Daten
Prof. Dr. André Klahold von der Universität Siegen nahm das Publikum mit auf eine „Entmystifizierung“ von Künstlicher Intelligenz. KI sei allgegenwärtig, in Autos, Präsentationssoftware oder Suchmaschinen. Im Kern ist KI ein Wahrscheinlichkeitsrechner, der auf Basis von Trainingsdaten den wahrscheinlich nächsten Output errechnet. Gerade darin liege ihre Stärke, aber auch die Gefahr: Fehlerhafte oder veraltete Daten führen zwangsläufig zu fehlerhaften Ergebnissen. Klahold warnte davor, KI unkontrolliert in Prozessen einzusetzen, in denen Fehler fatale Folgen haben könnten. Sein Fazit: KI ist ein grossartiges Werkzeug, solange Unternehmen verstehen, wie sie funktioniert, und klare Regeln für ihren Einsatz aufstellen.
Strategie bleibt das Fundament, KI ist der Beschleuniger
Dass KI-Prozesse beschleunigen, aber keine strategische Grundlage ersetzen kann, machte Valérie Goulévitch, Vizepräsidentin Marketing und Vertrieb bei Bosch Rexroth, deutlich. In ihrem Unternehmen verantworten verschiedene Abteilungen eigene Strategien, die in einer gemeinsamen Storyline zusammengeführt werden. Gleichzeitig beobachten die Teams, dass Endkunden zunehmend selbst Produktspezifikationen definieren. Dieser Wandel zwingt das Marketing, schon am oberen Ende des Sales Funnels Aufmerksamkeit und Nachfrage zu schaffen.
Hier wird KI zum Beschleuniger: Monitoring, Predictive Dashboards und intelligente Analysen helfen, die Wirkung von Content nachzuvollziehen und dem Vertrieb handfeste Hinweise für Kundengespräche zu geben. Für Goulévitch bleibt das Ziel klar: personalisierte, diversifizierte Inhalte, die Kundenzentrierung, Loyalität und Engagement fördern.
Relevanz schlägt Reichweite
Wie stark KI das Kommunikationsverhalten verändern wird, zeigte Burkhard Böndel, Leiter Unternehmenskommunikation bei Bühler, in seiner Keynote. Während klassische Suchmaschinen wie Google vor allem den bestzahlenden Werbetreibenden bevorzugen, entstehen mit KI-Systemen neue, sprachkompetente Dialogpartner. Diese priorisieren Inhalte nach Qualität und Vertrauenswürdigkeit. Böndel nutzte dafür den Begriff „Generative Engine Optimization“ (GEO): Unternehmen müssen künftig nicht nur Menschen, sondern zuerst KI-Systeme überzeugen – und das mit faktenreichen, seriösen und zitierfähigen Inhalten. Damit verschiebt sich die Optimierungslogik radikal: Relevanz ersetzt Reichweite.
Vom Broschüren-Büro zur Lead-Maschine
Wie Marketing vom Kostenfaktor zum Business-Treiber werden kann, zeigte Patrick Herrmann, Leiter Globales Marketing und Schulung bei Mettler-Toledo Laboratory Weighing. Während früher Broschüren dominierten, setzt das Unternehmen heute auf ein globales Programm, das Marketing und Vertrieb eng verzahnt. Ein einheitliches CRM-System bildet das Rückgrat. Besonders hervorzuheben ist die Rolle des Service: Mit einem doppelt so grossen Team wie im Sales ist er ein zentraler USP. Entscheidend ist für Herrmann, dass Inhalte einen konkreten Nutzen für den Kunden schaffen. Nur dann können sie Leads generieren und so direkt zum Geschäftserfolg beitragen.
Marketing als Transformationsmotor
Mit der aktuellen bvik-B2B-Marketing-Studie zeigte Tanja Auernhammer, Leiterin Verbandskommunikation und Pressesprecherin des bvik, dass Marketing im KI-Zeitalter eine Schlüsselrolle in der Transformation von Unternehmen einnimmt. Vier Megatrends prägen die Agenda: Digitalisierung und KI, Dekarbonisierung, Deglobalisierung sowie demografischer Wandel. Gleichzeitig stehen Unternehmen vor Herausforderungen wie knappen Budgets, unklaren Prozessen und mangelhafter Datenqualität.
Die Studie zeigt, dass Content-Produktion zunehmend ins eigene Haus verlagert wird, während Business Intelligence und Datenkompetenz massiv an Bedeutung gewinnen. Die Top-Ziele der Entscheider sind Leadgenerierung, Marketing Automation, Website-Optimierung und Markenpositionierung. Ihr Fazit: Wer künftig erfolgreich sein will, braucht professionelle Transformationskommunikation, strategische Markenarbeit und vor allem eine solide Datenbasis.
Strategie x Kreativität x Handwerk
Prof. Sven Reinecke von der Universität St. Gallen brachte eine kritische Reflexion ein. KI könne vieles schneller, günstiger und skalierbarer machen, von Text- und Bildgenerierung über Programmatic Advertising bis hin zur Marktanalyse. Doch echte Kreativität, Empathie und strategisches Denken bleiben Grenzen, die Technologie nicht überschreiten kann.
Er plädierte für den Dreisprung „Strategie x Kreativität x Handwerk“. KI könne Prozesse und Handwerk beschleunigen, aber weder Strategie noch Kreativität ersetzen. Erfolg entstehe künftig durch ein Tandem von Mensch und Maschine, bei dem beide ihre Stärken ausspielen.
KI als Produktivitätsmotor für Content-Prozesse
Wie eine technische Lösung aussehen kann, präsentierte Manuel Terpelle, Senior Consultant bei InterRed. Mit MarComAI stellte er ein neues Tool vor, das den gesamten Content-Produktionsprozess vereinfacht, von der Planung über die Erstellung bis hin zur multimedialen Ausspielung. Grundlage ist ein Content Hub, der Konsistenz und Effizienz sichert. Besonders spannend: Die Lösung berücksichtigt sowohl klassische SEO als auch die neue GEO-Logik und macht Content so auf allen Kanälen sichtbar.
Digitale Zwillinge revolutionieren Kommunikation
Benjamin Lechler, CEO von cueconcept, verdeutlichte, wie digitale Zwillinge komplexe technische Daten erlebbar machen. Durch 3D-Visualisierungen werden hochkomplexe Engineering-Daten nicht nur verständlich, sondern auch interaktiv nutzbar, wie etwa indem Anlagen oder Produktionslinien in realen Umgebungen erlebbar werden. So können Kunden Produkte nicht nur sehen, sondern im Kontext ihres Alltags erfahren. Messbare Interaktionen auf Websites oder Eventplattformen machen diese virtuellen Erlebnisse zudem wertvoll für Leadgenerierung und Sales.
AI Agents als neue Teammitglieder
Wie KI das Marketing bei Microsoft selbst verändert, erklärte Nadine Nyffenegger, Leiterin des Bereichs Senior Solution, KI-Geschäftslösungen bei Microsoft. Das Unternehmen setzt auf „AI Agents“, die Mitarbeitende, Prozesse und Produktentwicklung unterstützen. In drei Stufen entwickelt sich die Rolle dieser Agenten, von assistierend über teilautonom bis hin zu autonomen Systemen, wobei der Mensch immer Kontrollinstanz bleibt.
Zentrale Schnittstelle ist Microsoft Copilot als User Interface, das Briefings erstellt, Texte und Bilder generiert, kanalübergreifende Kampagnen koordiniert und Kennzahlen integriert. Ein interner Use Case zeigte: Mit KI lassen sich Markteinführungen um mehr als 50 % beschleunigen. Nyffeneggers Rat: KI-Transformation ist immer auch Change-Management. Unternehmen müssen Teams befähigen, Kompetenzen aufbauen und Strukturen schaffen, um KI sinnvoll zu integrieren.
Hyperpersonalisierung als Schlüssel zur Conversion
Den Abschluss machte Marco Wyler, Geschäftsführer von gateB, mit Einblicken in Hyperpersonalisierung. Aus Kundendaten den maximalen Nutzen zu ziehen, sei eine der grössten Chancen von KI. Segmentierung bleibt dabei der Schlüssel. Wyler präsentierte zwei Best Practices aus Consumer Banking und Wealth Management, in denen KI-Agenten personalisierte Inhalte, bis hin zu individuellen Investmentideen generierten. Die Resultate zeigten deutlich: Personalisierung steigert die Conversion und stärkt die Kundenbindung. Entscheidend sei jedoch, dass Unternehmen über die richtige Strategie, Fähigkeiten und Technologien verfügen, um diese Potenziale zu heben.
Fazit: Geduld, Mut und klare Strukturen
Zum Abschluss des Tages schloss Burkard Böndel mit dem Satz von Eric Schmidt, ehemaliger CEO von Google: „Die KI-Revolution ist underhyped! Ihr Impact wird immens sein.“ Das Event machte deutlich, dass KI ein hochemotionales Thema ist und etwas völlig Neues entstehen lässt. Für Unternehmen bedeutet das: Geduld beweisen, Strukturen aufbauen, Datenkompetenz entwickeln und zugleich mutig experimentieren.
Content im KI-Zeitalter verlangt neue Regeln. Wer erfolgreich bleiben will, muss Inhalte schaffen, die sowohl für Menschen als auch für KI relevant, vertrauenswürdig und zitierfähig sind. Relevanz schlägt Reichweite, heute mehr denn je.
bvik
Der bvik bündelt als unabhängiger Verband das Know-how und die Praxiserfahrung von über 3.000 Marketing-Profis aus der Industrie und Kreativbranche. Bei unseren zahlreichen Veranstaltungen und Angeboten rund um die professionelle B2B-Marketing-Kommunikation zeigen wir auf, wie es Ihnen heute perfekt gelingt, mit Ihrer Marke und Ihren Services in allen relevanten Kanälen optimal präsent zu sein. Unser Leitspruch lautet: „Lernen von den Besten im B2B!“