Wie gelingt der Spagat zwischen Hightech und Herzlichkeit? Das Traditionsunternehmen Interhome gibt spannende Einblicke in die digitale Transformation der Ferienhausbranche. Im Interview erklärt Co-CEO Sylvia Epaillard, wie sich das Gästeverhalten verändert hat, welche Rolle Daten spielen, warum lokale Präsenz ein Wettbewerbsvorteil ist und weshalb trotz aller Technologie die persönliche Betreuung weiterhin zentral bleibt. Eine Reise durch Touchpoints, Trends und konkrete Learnings – praxisnah, inspirierend und zukunftsweisend für KMUs in der Schweiz.
Digitalisierung, Daten und persönliche Betreuung – wie gelingt der Spagat zwischen Digitalisierung und Gastfreundschaft in der Ferienhausbranche? Sylvia Epaillard, Co-CEO und Chief Commercial & Digital Officer von Interhome, gibt im Interview exklusive Einblicke in die Transformation eines Schweizer Traditionsunternehmens. Sie spricht über die veränderten Erwartungen der Gäste, den intelligenten Einsatz von Daten, die Chancen und Herausforderungen für Schweizer KMUs und warum am Ende trotz aller Technik der Mensch im Mittelpunkt der Customer Experience stehen muss.
Du bist Co-CEO und Chief Commercial & Digital Officer bei Interhome, einem der traditionsreichsten Unternehmen im Bereich Ferienwohnungsvermittlung. Wie würdest Du Deinen beruflichen Weg und Deine Rolle bei Interhome beschreiben?
Sylvia Epaillard: Ich habe meine berufliche Laufbahn in unterschiedlichen Branchen verbracht, immer mit einem starken Fokus auf Digitalisierung, Vertrieb, Marketing und Technologie. Diese Schnittstellen faszinieren mich, weil viele Herausforderungen und Lösungsansätze branchenübergreifend ähnlich sind. Seit über zwei Jahren bin ich nun in der Reisebranche tätig, und zwar im Short Term Rental-Segment, also der Vermittlung von Ferienhäusern und – wohnungen.
Interhome feiert dieses Jahr sein 60-jähriges Bestehen – eine beeindruckende Zeitspanne in einer sich stetig wandelnden Branche. Wie hat sich das Kundenverhalten in dieser Zeit verändert?
Sylvia Epaillard: Tatsächlich ist es bemerkenswert, wie sich Unternehmen wie Interhome über Jahrzehnte hinweg immer wieder neu erfinden. Wir bewegen uns seit jeher in einem B2B2C Markt, da wir zwei Kundengruppen haben: zum einen die Eigentümerinnen und Eigentümer der Ferienobjekte, zum anderen die Gäste, die ebendiese Objekte buchen. Beide Gruppen haben sich in ihren Erwartungen und Bedürfnissen stark verändert.
Betrachten wir die Veränderungen im Buchungsverhalten unserer Endkunden: Früher lief die Buchung von Ferienhäusern fast ausschliesslich über Reisebüros und gedruckte Kataloge. Diese Kataloge wurden sogar bis vor wenigen Jahren noch produziert – ein Relikt aus einer anderen Zeit. (lacht)
Mit dem Aufkommen unserer Website 1999 begann allerdings schon ein Wandel hin zum Direktvertrieb, zusätzlich zum Vertrieb über Partner. Der wirklich grosse Umbruch kam jedoch erst mit den Online Travel Agencies (OTAs) wie Booking.com, Airbnb, HomeToGo oder Expedia. Diese Plattformen haben mit ihren massiven Investitionen in Marketing und einer konsequent digitalen Customer Journey die Branche grundlegend verändert und viele Kunden für sich gewonnen.
Gleichzeitig beobachten wir eine starke Professionalisierung aufseiten der Eigentümerinnen und Eigentümer, die ihre Objekte über uns anbieten: Immer mehr Menschen sehen in der Vermietung von Ferienimmobilien eine attraktive Möglichkeit, Rendite zu erzielen. Ein echtes Investment eben. Dieser Wandel führt dazu, dass heute vermehrt nach professionellen Partnern für Verwaltung und Distribution der Ferienobjekte gesucht wird.
Wie begegnet Interhome diesen veränderten Erwartungen und der Präsenz der grossen Plattformen?
Sylvia Epaillard: Wir setzen weiterhin auf ein starkes Direktgeschäft über unsere eigene Website, sind aber auch auf den relevanten OTAs präsent. Das Direktgeschäft ist für uns essenziell und nach wie vor erfolgreich. Die Digitalisierung ist bei uns weit fortgeschritten – der gesamte Buchungsprozess läuft digital ab. Dennoch endet die Customer Journey nicht mit der Buchung: Nach dem digitalen Kauf folgt das analoge Ferienerlebnis, das wir mit Serviceleistungen vor Ort begleiten. Die Herausforderung besteht darin, digitale Services und persönlichen Kundenkontakt sinnvoll zu verknüpfen. Das erfordert viel Koordination und Kommunikation zwischen den Teams – und die Bereitschaft, sich immer wieder auf neue Erwartungen einzustellen.
Wie gelingt es Interhome, diese Balance zwischen digitalem Service und persönlichem Kontakt zu halten? Gibt es Unterschiede zwischen den Kundengruppen bei Euren buchenden Kunden?
Sylvia Epaillard: Das ist tatsächlich eine grosse Herausforderung, die uns ständig begleitet. Die Erwartungen sind sehr unterschiedlich: Ältere Gäste greifen gerne zum Telefon, während jüngere lieber per Chat oder WhatsApp kommunizieren. Manche Gäste schätzen es, bei der Ankunft persönlich begrüsst zu werden, andere erwarten – geprägt durch Airbnb – eine unkomplizierte Schlüsselbox und möglichst wenig Kontakt.
Wir bieten daher verschiedene Kommunikationskanäle an und versuchen, für jede Zielgruppe das passende Angebot zu machen. Das gelingt nicht immer perfekt, aber wir arbeiten kontinuierlich daran. Es ist auch eine Frage der Unternehmenskultur: Viele unserer Mitarbeitenden in der Reisebranche schätzen den direkten Kontakt zu den Gästen sehr. Dieses positive Erlebnis – jemandem schöne Ferien zu ermöglichen und dafür Dankbarkeit zu erfahren – ist für viele ein wichtiger Motivator. Wir möchten dieses Verhältnis erhalten, aber gezielt und sinnvoll einsetzen, nicht an jedem Touchpoint.
Die Touchpoints verändern sich ständig. Wichtig ist, dass wir ungeliebte oder überholte Kontaktpunkte zurücknehmen und gleichzeitig neue, relevante schaffen. Das ist ein fortwährender Spagat, aber auch das Spannende an unserer Arbeit.
Welche Touchpoints sind für Interhome besonders relevant und wie orchestriert ihr diese?
Sylvia Epaillard: Für unsere Gäste sind drei Touchpoints zentral:
- Unsere Website als Shop: Sie ist der wichtigste Einstiegspunkt. Hier gewinnen wir wertvolle Erkenntnisse über das Such- und Buchungsverhalten unserer Kunden. Die Website ist nicht nur Buchungsplattform, sondern auch ein Datenpool. Wir analysieren, welche Kategorien wichtig sind, wie lange die Suche dauert, ob und wann ein Abschluss erfolgt. Unsere Ferienobjekte sind komplexe Datenpakete mit vielen Kategorien, Labels und Historien. Vieles davon stellen wir auf der Website dar – hier gibt es aber noch Potenzial, die Experience weiter zu verbessern.
- Der Customer Service: Unsere Kunden können uns telefonisch oder digital erreichen. Wir legen Wert darauf, dass unsere Telefonnummer sichtbar ist und Fragen persönlich beantwortet werden. Das unterscheidet uns von vielen Plattformen, die diesen Service gar nicht bieten können oder möchten. Oft kommen sehr spezifische Fragen, etwa zur Ausstattung eines Objekts oder ob E-Bikes geladen werden können. Wir haben die Informationen und können schnell reagieren, weil unser Team die Objekte gut kennt.
- Lokale Teams vor Ort: Hier sehen wir einen echten USP. Über ganz Europa verteilt betreiben wir sogenannte «Local Service Offices» mit kleinen, lokal vernetzten Teams. Sie kennen die Objekte und die Umgebung in- und auswendig, organisieren Reinigung, Reparaturen, Schlüsselübergaben und vieles mehr. Sie sind die Problemlöser vor Ort – wenn etwa eine Klimaanlage ausfällt, reagieren sie sofort, haben Lösungen parat und organisieren auch zusätzliche Dienstleistungen. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Guest Experience, den reine Plattformanbieter so nicht leisten können.
Du erwähnst die Bedeutung von Datenanalysen auf Eurer Website. Wie nutzt Interhome diese Erkenntnisse konkret, um die Customer Journey zu optimieren?
Sylvia Epaillard: Unsere Website ist nicht nur ein Buchungskanal, sondern ein zentrales Instrument für die Datenanalyse. Wir analysieren detailliert, wie Kunden nach Objekten suchen:
- Suchverhalten: Welche Filter (Preis, Ausstattung, Lage) werden am häufigsten genutzt?
- Konversionsraten: An welchen Stellen brechen Nutzer den Buchungsprozess ab?
- Saisonale Trends: Wann und wie lange planen Gäste ihre Reisen?
Diese Daten fliessen direkt in die Optimierung unserer Plattform ein. Wir haben beispielsweise festgestellt, dass hochauflösende 360-Grad-Bilder die Buchungsbereitschaft steigern – daraufhin haben wir diese systematisch eingeführt. Gleichzeitig nutzen wir Machine Learning, um personalisierte Empfehlungen zu generieren, etwa für Familien, die nach kinderfreundlichen Objekten mit Spielgeräten suchen.
Ein besonderer Fokus liegt auf der Datenqualität: Jedes unserer 40.000 Objekte verfügt über bis zu 150 attribuierte Merkmale – von der Steckdosenanzahl bis zur Nähe zum nächsten Supermarkt. Diese Informationen validieren wir kontinuierlich mit Feedback der lokalen Teams und Gäste.
Stichwort: Herausforderungen für Schweizer KMUs in der Digitalisierung: Was rätst Du anderen Schweizer KMUs, die ähnliche technologische Umbrüche bewältigen müssen?
Sylvia Epaillard: Der Schlüssel liegt für mich in drei Bereichen:
- Agilität statt Perfektionismus: KMUs sollten iterative Ansätze wählen – etwa mit MVP-Lösungen (Minimum Viable Products) starten und diese basierend auf Kundenfeedback optimieren. Bei Interhome haben wir zunächst Chatbots nur für einfache FAQs eingesetzt und schrittweise erweitert.
- Partnerschaften eingehen: Statt alle Technologien selbst zu entwickeln, lohnt es sich, mit spezialisierten Anbietern zu kooperieren. Wir nutzen unter anderem Cloud-Lösungen für die Datenverwaltung und setzen auf Schnittstellen zu OTAs.
- Kundenzentrierung als Kompass: Jede Digitalisierungsentscheidung muss am Nutzen für den Kunden gemessen werden. Ein Beispiel: Wir haben die Zahl der Klicks bis zur Buchung von sieben auf drei reduziert – das erhöhte unsere Konversionsrate um 22%.
Für Schweizer Unternehmen ist zudem die Balance zwischen Tradition und Innovation entscheidend. Unser USP liegt in der Kombination aus digitaler Effizienz und lokalem Service – diese Hybridlösung lässt sich aber auch auf viele Branchen übertragen.
Wie nimmst Du das Zusammenspiel von KI und menschlicher Expertise in der Reisebranche wahr? Seid ihr auch am «Testen»?
Sylvia Epaillard: Künstliche Intelligenz übernimmt bei uns zunehmend Routineaufgaben, wie etwa die Berechnung von Preisdynamiken oder das Beantworten standardisierter Anfragen. Sobald es jedoch um komplexere Situationen geht, etwa Umbuchungen aufgrund von Unwettern oder ganz individuelle Gästewünsche, bleibt der Mensch unverzichtbar. Wir setzen dabei auf eine Kombination aus Technologie und persönlicher Betreuung: KI hilft uns, Auslastung und Wartungsbedarf besser vorherzusagen, während unsere Mitarbeitenden die Vorschläge der Systeme prüfen und final entscheiden.
Unsere lokalen Teams vor Ort ergänzen dies, indem sie als echte «Experience-Kuratoren» agieren und Gästen mit individuellen Empfehlungen und persönlichem Service ein einzigartiges Ferienerlebnis ermöglichen.
Wie definiert Ihr bei Interhome eine herausragende Guest Experience? Gibt es eine Vision, die Euch antreibt?
Sylvia Epaillard: Unsere Objekte sind einzigartig und erzählen jeweils ihre eigene Geschichte – von historischen Burgen über Windmühlen bis zu modernen Villen mit Infinitypool. Diese Vielfalt unterscheidet uns von der Hotellerie, wo vieles standardisiert ist. Unsere Gäste suchen kein durchorganisiertes Programm, sondern möchten ihre Ferien individuell gestalten. Sie reisen oft mit dem eigenen Auto an, bringen ihre Sachen mit und wollen ihre Tage frei planen.
Unsere Aufgabe ist es, den Rahmen für dieses individuelle Erlebnis zu schaffen. Das bedeutet: Das Objekt muss den Erwartungen entsprechen, sauber sein und alle Versprechen einlösen, die wir im Vorfeld gemacht haben – von der Beschreibung bis zu den Fotos. Wenn das gelingt, haben wir unseren Job gut gemacht. Wir wollen, dass unsere Gäste sich willkommen fühlen und einen unbeschwerten Aufenthalt geniessen.
Wie stellt Ihr sicher, dass die Kommunikation zwischen den verschiedenen Teams und mit den Gästen reibungslos funktioniert?
Sylvia Epaillard: Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Wir arbeiten eng mit unseren lokalen Teams zusammen und setzen auf regelmässigen Austausch. Die Informationen über die Objekte sind zentral erfasst, sodass unser Customer Service schnell auf Fragen reagieren kann. Gleichzeitig geben die lokalen Teams Rückmeldungen, wenn es Verbesserungsbedarf gibt – etwa bei der Ausstattung oder bei wiederkehrenden Fragen.
Wir schulen unsere Mitarbeitenden regelmässig, um sicherzustellen, dass sie auf dem neuesten Stand sind und die Erwartungen der Gäste erfüllen können. Zudem setzen wir auf digitale Tools, um Prozesse zu vereinfachen und Informationen transparent zu halten. Trotzdem bleibt der persönliche Austausch wichtig – sowohl intern als auch mit den Gästen.
Wie siehst Du die Zukunft der Customer Experience in der Ferienhausbranche?
Sylvia Epaillard: Die Erwartungen der Gäste werden weiter steigen – insbesondere in Bezug auf Flexibilität, Transparenz und Servicequalität. Die Herausforderung liegt für uns folglich darin, den digitalen Wandel konsequent voranzutreiben, ohne den persönlichen Service zu verlieren, der uns von reinen Plattformanbietern unterscheidet. Die Orchestrierung der Touchpoints und die Fähigkeit, individuelle Bedürfnisse zu erkennen und zu bedienen, werden entscheidend sein.
Ich bin überzeugt, dass Unternehmen, die diese Balance meistern, auch in Zukunft erfolgreich sein werden. Es geht darum, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen und gleichzeitig die Menschlichkeit und das persönliche Erlebnis nicht aus den Augen zu verlieren.
Abschliessend: Was motiviert Dich persönlich, diesen Wandel aktiv mitzugestalten?
Sylvia Epaillard: Mich motiviert die Möglichkeit, etwas zu bewegen und die Branche aktiv mitzugestalten. Die Verbindung von Technologie, Service und persönlicher Erfahrung ist für mich eine spannende Herausforderung. Es begeistert mich, gemeinsam mit meinem Team innovative Lösungen zu entwickeln und unseren Gästen unvergessliche Ferienerlebnisse zu ermöglichen. Die Reisebranche ist im Wandel – und ich freue mich, Teil dieser Entwicklung zu sein.
Hören Sie den gesamten Podcast mit Silvia Epaillard.

Meike Tarabori
Im Januar 2019 übernahm Meike Tarabori die Position als Chefredakteurin des cmm360, das renommierte Schweizer Magazin für Customer Relations Stars und Service Champions. Als erfahrene Expertin für Marketing und Kommunikation mit Abschlüssen in Business, Marketing und deutscher Literatur hat sie wertvolle Erfahrungen unter anderem bei Unternehmen wie KUKA Robotics und zuletzt beim Cybathlon ETH Zürich gesammelt. Im Rahmen eines umfangreichen Rebranding-Projekts verlieh sie dem cmm360 seine aktuelle, moderne Ausrichtung. Seitdem hat sie nicht nur die Onlinepräsenz des Magazins erfolgreich etabliert, sondern kontinuierlich neue Formate wie die Podcasts «Nice To Meet You», «Meike's Raumzeit» und «ICT Talk» entwickelt. Darüber hinaus fungiert sie als Organisatorin des Schweizer Customer Relations Awards, eine Plattform, die innovative Projekte zur Gestaltung nachhaltiger Kundenbeziehungen und einzigartiger Kundeninteraktionen würdigt und auszeichnet.