Nach der Abspaltung von ABB musste Hitachi Energy eine völlig neue IT-Infrastruktur aufbauen. Gemeinsam mit Accenture und ServiceNow entstand eine moderne Serviceumgebung, die später durch gezielten Einsatz von KI und Automatisierung optimiert wurde. Mit GenAI, Virtual Agent und intelligenten Tools sank das Anfragevolumen im Service Desk deutlich, Bearbeitungszeiten wurden verkürzt und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden stieg spürbar. Das Projekt zeigt, wie Technologie zum Business Case wird: effizienter, kostengünstiger und nutzerfreundlicher. Erfolgsfaktoren wie Datenqualität, Change-Management und ein schrittweises Vorgehen liefern wertvolle Impulse für andere Unternehmen.
Wie gelingt es, eine globale IT-Landschaft zu transformieren, Servicekosten zu senken und gleichzeitig die Nutzerzufriedenheit zu steigern? Hitachi Energy zeigt gemeinsam mit Accenture, wie der gezielte Einsatz von KI und Automatisierung die Serviceorganisation auf das nächste Level hebt.
Von der Transformation zur Optimierung
Nach der Abspaltung von ABB im Jahr 2020 stand Hitachi Energy vor der Aufgabe, eine komplett neue IT-Infrastruktur aufzubauen. Schritt für Schritt wurde eine moderne ServiceNow-Landschaft implementiert, zunächst für IT Service Management (ITSM), später für HR- und Finanzprozesse. Spätestens ab 2022 lag der Fokus darauf, rund 40.000 Mitarbeitende in die neue Umgebung zu überführen, ein Mammutprojekt, das trotz seiner Komplexität nahezu termingerecht abgeschlossen wurde.
Doch damit war die Reise nicht zu Ende. Ab 2023 rückte die Optimierung in den Vordergrund: Supportkosten sollten sinken, das Nutzererlebnis verbessert und Automatisierungspotenziale ausgeschöpft werden. «Wir wollten nicht nur migrieren, sondern echten Mehrwert schaffen, und das natürlich für unsere Mitarbeitenden wie auch für unsere Serviceorganisation», erklärt Oliver de Wilde, Global Service Integration Manager bei Hitachi Energy.
KI als Gamechanger im Service
Der Durchbruch kam mit der Einführung von GenAI-basierten Lösungen. Zunächst im Pilotbetrieb getestet, folgte 2023 die breite Einführung von AI Search und einem Virtual Agent. Letzterer bündelt Serviceanfragen über ein zentrales Portal oder direkt in Microsoft Teams und ermöglicht eine dialogbasierte Bearbeitung von Anfragen. Erkennt die KI ihre Grenzen, erfolgt eine nahtlose Weiterleitung an den menschlichen Service Desk, inklusive automatischer Übersetzung in verschiedene Sprachen.
«Der virtuelle Agent ist für uns ein echter Wendepunkt», betont Wild. «Bereits in der ersten Woche nach dem Go-Live konnten wir die eingehenden Service-Desk-Anfragen um 25 Prozent reduzieren. Das hat nicht nur die Effizienz gesteigert, sondern auch die Zufriedenheit unserer Teams und Anwender deutlich verbessert.»
Parallel dazu wurden auch KI-gestützte Funktionen für die Agenten eingeführt, etwa «Incident-Summarization», automatische Priorisierung und die Generierung von Change-Plänen. Damit verkürzte sich die durchschnittliche Bearbeitungszeit von Incidents spürbar.
Ergebnisse, die überzeugen
Nach zwei Jahren intensiver Arbeit mit ServiceNow, Accenture und einem klaren Fokus auf KI und Automatisierung zeigt sich bei Hitachi Energy ein messbarer Mehrwert. Die Transformation ist längst nicht nur ein technisches Projekt, sondern ein echter Business Case geworden: weniger Aufwand, höhere Produktivität und eine spürbar bessere User Experience.
So konnten gleich mehrere zentrale Kennzahlen deutlich verbessert werden:
- Deflection-Rate Service Desk: Nach Einführung des Virtual Agents sank das Volumen eingehender Service-Desk-Anfragen um 25% innerhalb der ersten Woche und blieb dauerhaft auf diesem Niveau.
- 26.000 eingesparte Stunden durch Automatisierung und Self-Service.
- 88% der Anwender bewerten die neuen Lösungen als hilfreich.
- Deutlich reduzierte Supportkosten, da Partnerverträge dank höherer Effizienz neu verhandelt werden konnten.
Auch aus Sicht von Accenture war der partnerschaftliche Ansatz entscheidend für den Erfolg. Luca Garreffa, GenAI Delivery Lead bei Accenture, fasst zusammen: «Das Projekt war kein klassisches Lieferanten-Mandat, sondern echte Teamarbeit. Wir haben von Anfang an Ziele, Prioritäten und Herausforderungen gemeinsam definiert, und das hat den Unterschied gemacht.»
Lessons Learned und Blick nach vorn
Aus dem Projekt lassen sich einige zentrale Erkenntnisse ableiten, die für andere Unternehmen ebenso relevant sind. An erster Stelle steht die Datenqualität. Nur wenn Wissensdatenbanken aktuell, konsistent und gut gepflegt sind, können KI-gestützte Funktionen ihre volle Wirkung entfalten. «AI ist nur so gut wie die Daten, die ihr zugrunde liegen», betont Oliver Wild und verweist darauf, dass die Relevanz der Suchergebnisse direkt mit der Qualität der hinterlegten Informationen zusammenhängt.
Ebenso wichtig ist das Change-Management. Neue Tools und Prozesse entfalten ihren Nutzen nur dann, wenn die Mitarbeitenden verstehen, wie sie funktionieren, und bereit sind, sie im Alltag anzuwenden. Hitachi Energy hat daher frühzeitig auf Kommunikation, Schulung und Akzeptanzförderung gesetzt, gerade auch beim Service Desk, wo anfänglich Skepsis herrschte. Erst als die Teams den praktischen Mehrwert selbst erlebt hatten, stieg die Nutzung sprunghaft an.
Der dritte Erfolgsfaktor lautet: klein anfangen, schnell skalieren.
Anstatt hunderte Use Cases gleichzeitig anzugehen, startete Hitachi Energy bewusst mit einigen wenigen, die rasch Mehrwert zeigten, und baute diese dann Schritt für Schritt aus. Dieses Vorgehen erleichterte die Akzeptanz und lieferte früh Erfolge.
Der Blick nach vorn ist bereits klar skizziert
Für 2025 plant das Unternehmen die Ausweitung von KI-gestützten Anwendungsfällen in den Bereichen HR und Finance. Darüber hinaus soll mit autonomen KI Agenten experimentiert werden. Menschen greifen dann nur noch bei Entscheidungen oder Freigaben ein. Das langfristige Ziel ist ein hybrides Workforce-Modell, in dem Mensch und KI nahtlos zusammenarbeiten und sich gegenseitig ergänzen.

Meike Tarabori
Im Januar 2019 übernahm Meike Tarabori die Position als Chefredakteurin des cmm360, das renommierte Schweizer Magazin für Customer Relations Stars und Service Champions. Als erfahrene Expertin für Marketing und Kommunikation mit Abschlüssen in Business, Marketing und deutscher Literatur hat sie wertvolle Erfahrungen unter anderem bei Unternehmen wie KUKA Robotics und zuletzt beim Cybathlon ETH Zürich gesammelt. Im Rahmen eines umfangreichen Rebranding-Projekts verlieh sie dem cmm360 seine aktuelle, moderne Ausrichtung. Seitdem hat sie nicht nur die Onlinepräsenz des Magazins erfolgreich etabliert, sondern kontinuierlich neue Formate wie die Podcasts «Nice To Meet You», «Meike's Raumzeit» und «ICT Talk» entwickelt. Darüber hinaus fungiert sie als Organisatorin des Schweizer Customer Relations Awards, eine Plattform, die innovative Projekte zur Gestaltung nachhaltiger Kundenbeziehungen und einzigartiger Kundeninteraktionen würdigt und auszeichnet.