Daten und KI in der Kundenorientierung: Globale Trends

AgilitätCXDatenKIKundenbindung

Daten und KI in der Kundenorientierung: Globale Trends | Dr. Evangelos Avramakis, Corporate Foresight, Intelligence & Development bei Swiss ReDaten und KI in der Kundenorientierung: Globale Trends | Dr. Evangelos Avramakis, Corporate Foresight, Intelligence & Development bei Swiss Re
Daten und KI in der Kundenorientierung: Globale Trends | Dr. Evangelos Avramakis, Corporate Foresight, Intelligence & Development bei Swiss Re

Das Interview beleuchtet die Transformation der Customer Experience in Europa im Vergleich zu Asien. Dr. Evangelos Avramakis analysiert, warum europäische Unternehmen in der digitalen Entwicklung hinterherhinken und wie sie durch datenbasierte Strategien, KI und mobile Lösungen aufholen können. Es wird aufgezeigt, wie wichtig eine ganzheitliche Kontrolle der Wertschöpfungskette ist – vom Kundenkontakt bis zu Rohstoffquellen. Der Fokus liegt auf der Notwendigkeit eines kulturellen und technologischen Wandels, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Führungskräfte stehen vor der Aufgabe, Agilität zu fördern und zugleich Effizienz und Innovationskraft zu stärken.

In diesem Interview spricht Meike Tarabori mit Dr. Evangelos Avramakis, Corporate Foresight, Intelligence & Development bei Swiss Re, über die sich wandelnde Landschaft der Customer Experience und die Herausforderungen, denen sich Unternehmen in Europa gegenübersehen. Von der Bedeutung eines kundenorientierten Ansatzes bis hin zur Notwendigkeit, die gesamte Wertschöpfungskette zu kontrollieren, bietet das Gespräch Einblicke in die strategischen Überlegungen und die möglichen Wege zur Anpassung an die sich rasch entwickelnde digitale Ära.

Wie definierst und erlebst du Customer Experience?

Evangelos Avramakis: Bei Customer Experience geht es letztlich darum, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung, die eine Kundin oder ein Kunde wahrnimmt, einen Mehrwert bietet. Sprich, die Interaktion mit einem Produkt oder Service, muss der Kundin oder dem Kunden einen Nutzen stiften und eine gute Erfahrung hinterlassen. Diese Erfahrung vergleicht dieser dann wiederum mit anderen Interaktionen in seinem Umfeld, aber auch im Vergleich zu anderen Dienstleistungen. Folglich ist dies eine subjektive Wahrnehmung. Der Gradmesser ist demnach nicht, ob ein Dienstleister gut ist im Vergleich zu anderen Dienstleistern derselben Kategorie, sondern im Vergleich zu allen anderen Interaktionen.

Kannst du uns schildern, wie Europa im Vergleich zu Asien in der digitalen Transformation steht?

Evangelos Avramakis: In Asien gibt es seit jeher eine grössere Affinität zur mobilen Nutzung, da das Smartphone oft der einzige Zugang zu vielen Dienstleistungen ist. Die Umstellung auf mobile Dienste erfolgte dort schneller und konsequenter als bei uns in Europa. Wir haben bereits eine Vielzahl von Dienstleistungen, aber sie sind noch längst nicht auf dem gleichen Niveau wie in Asien. Dieser schnelle Wandel und die Anpassungsfähigkeit fehlen uns hier in Europa. Das heisst, wir könnten bald hinterherhinken, wenn wir nicht den gleichen Fokus auf mobile und KI-gesteuerte Lösungen legen. Möglicherweise ist auch unser Anspruch hier in Europa solche digitalen mobile-first Dienstleistungen anzubieten, nicht hoch genug, um mit dem Tempo des Wandels Schritt zu halten.

Wie agieren bzw. reagieren Unternehmen weltweit auf diese Veränderungen? Kannst du uns einige Einblicke geben?

Evangelos Avramakis: Unternehmen müssen sich darauf konzentrieren, kundenorientiert zu handeln und ihre Dienstleistungen entsprechend anzupassen. Daten und künstliche Intelligenz spielen dabei eine entscheidende Rolle. Unternehmen in China sind beispielsweise in Bezug auf KI-Patente weit fortgeschritten. Sie nutzen die Daten ihrer Kunden effektiv, um ihre Produkte und Services zu verbessern. Mit diesem Ansatz, der auf Daten-, KI- und Kundenorientierung sowie Mobilität basiert, verschiebt sich die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens grundlegend. Es ist entscheidend, die Touchpoints genau zu verstehen und sie so zu optimieren, dass die Anpassung von Dienstleistungen und Produkten vereinfacht wird. Dabei muss der Fokus weg von einer reinen Produktorientierung und hin zu den Bedürfnissen und Standorten der Kundinnen und Kunden gerichtet werden. Ein Umdenken ist erforderlich: Statt von innen nach aussen zu denken, muss die Frage lauten, wo sich die Kunden befinden und wie die Kundenschnittstellen entsprechend angepasst werden können. Datenpunkte, der Zugang zu Daten und Modellen sowie KI-Algorithmen spielen hier eine zentrale Rolle, da sie die Optimierung der Kundenreise massgeblich beeinflussen. Je fortschrittlicher und umfassender diese sind, desto besser kann die Unternehmensstrategie darauf ausgerichtet werden. Dieser Trend ist auch im Westen, also den USA erkennbar, und es ist wichtig, dass europäische Unternehmen sich auch darauf einlassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

«Es wird eine Zeit des Wandels sein, aber auch eine Zeit des Lernens und Wachstums.»

Wo steht der europäische Markt denn aktuell?

Evangelos Avramakis: Ich nehme da gerne das Beispiel von Nokia und der Automobilindustrie: Wenn unsere aktuellen europäischen Autos dem Standard von Nokia entsprechen und plötzlich das iPhone auf den Markt kommt, dann streben alle Kundinnen und Kunden nach einem iPhone, weil es eine deutlich bessere Nutzererfahrung und mehr Möglichkeiten bietet. Das zwingt uns folglich dazu, zu überdenken, ob wir wirklich noch die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden verstehen. Wobei die Frage dann nicht mehr lautet «was macht die Konkurrenz», sondern vielmehr «wie sieht die Best-in-Class-Kundenerfahrung» aus? Diese Spitzenklasse ist oft anders, als wir es gewohnt sind, und wird möglicherweise anderswo entwickelt. Wir müssen also prüfen, ob wir diese Standards auch auf den europäischen Markt übertragen können. Nicht alles, was in China relevant ist, hat die gleiche Relevanz für den europäischen Markt. Dennoch gibt es Geschwindigkeiten und Dienstleistungen, die für europäische Kunden an Bedeutung gewinnen werden. Betrachten wir zudem die Wertschöpfungskette: Der Konsument erhält einen datengetriebenen Service, der die Nutzererfahrung optimiert, sei es im Automobilsektor oder in anderen Branchen. Die Produktion von Autos selbst ist stark von Maschinen und Intelligenz geprägt, was eine ähnliche Datenorientierung erfordert, um Effizienz und Qualität zu maximieren. Die Bereitstellung dieser Produkte erfordert ein Verständnis für die spezifischen Marktbedingungen und die Effizienz der Wertschöpfungskette. Dies umfasst den Einsatz von Chips für die Steuerung von Robotern und anderen Interaktionen, was wiederum die Notwendigkeit der Programmierung und des Designs dieser Chips mit sich bringt. Rückblickend auf die Rohstoffe, die für die Herstellung dieser Produkte benötigt werden, wird deutlich, dass die Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette vom Kundenerlebnis bis hin zur Beschaffung der Rohstoffe von entscheidender Bedeutung ist. Dieser Wandel erfordert eine Anpassung an neue Risiken und eine effiziente, nachhaltige Nutzung der gesamten Wertschöpfungskette, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dieser Paradigmenwechsel betrifft nicht nur die Automobilindustrie, sondern hat Auswirkungen auf Unternehmen in verschiedenen Sektoren, die sich schnell anpassen müssen, um die End-to-End-Kontrolle über ihre Prozesse zu gewährleisten.

«Die ständige Veränderung stellt eine Belastung für das Unternehmen dar, sowohl für die Führungsebene als auch für die Mitarbeitenden.»

Müssen europäische Unternehmen folglich ihre Art und Weise, wie Sie wirtschaften und führen, überdenken und sich stärker auf den Kunden konzentrieren? Oder wie können Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben?

Evangelos Avramakis: Grundsätzlich ist es wichtig zu erkennen, dass eine schnelle Reaktion auf Veränderungen erforderlich ist, unter anderem im Hinblick auf die Entwicklung von «Digital Twins». Dies bietet Europa in meinen Augen einen bedeutenden Vorteil, insbesondere wenn eine End-to-End-Implementierung erfolgt. Europa hat nämlich bereits eine starke technologische Basis und kann diese nutzen, um kundenorientiertere Produkte und Services anzubieten. Unternehmen müssen jedoch auch bereit sein, die gesamte Wertschöpfungskette zu kontrollieren, von der Produktentwicklung bis zum Kundenservice. Das erfordert eine Kombination aus technologischem Know-how und kulturellem Wandel. Führungskräfte müssen dabei eine Schlüsselrolle spielen und die nötigen Veränderungen vorleben.

Klingt nach einer rechten Challenge für Führungskräfte. Wie gelingt dieser Shift?

Evangelos Avramakis: Es ist wichtig, dass Unternehmen sich der aktuellen Trends bewusst sind und sich kontinuierlich weiterentwickeln. Das erfordert eine gewisse Agilität und Anpassungsfähigkeit. Führungskräfte müssen die Veränderungen vorantreiben und ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Als Manager ist es heute unerlässlich, ein breites Spektrum an Fähigkeiten zu beherrschen. Neben einem fundierten Verständnis des Marktes und der makroökonomischen Faktoren muss man auch das gesamte Geschäftsmodell im Blick haben und über neue Trends informiert sein. Die Technologie spielt eine zunehmend wichtige Rolle, und CEOs müssen sich in diesem Bereich gut auskennen, um die Geschwindigkeit des Wandels zu verstehen. Es genügt nicht mehr, sich allein auf eine Situation zu verlassen. Hinzu kommt das Thema Kosten-Effizienz, das eine weitere Herausforderung für das Management darstellt. Die ständige Veränderung stellt eine Belastung für das Unternehmen dar, sowohl für die Führungsebene als auch für die Mitarbeitenden. Dies führt zu einem erhöhten Stressniveau, da die Kompetitivität steigt und der Druck zunimmt. Die Bewältigung dieser komplexen Aufgaben erfordert ein hohes Mass an Anpassungsfähigkeit und Kompetenz, da alle Herausforderungen gleichzeitig auftreten und gemeistert werden müssen. Es wird eine Zeit des Wandels sein, aber auch eine Zeit des Lernens und Wachstums.

Meike Tarabori, Chefredaktorin cmm360

Meike Tarabori

Im Januar 2019 übernahm Meike Tarabori die Position als Chefredakteurin des cmm360, das renommierte Schweizer Magazin für Customer Relations Stars und Service Champions. Als erfahrene Expertin für Marketing und Kommunikation mit Abschlüssen in Business, Marketing und deutscher Literatur hat sie wertvolle Erfahrungen unter anderem bei Unternehmen wie KUKA Robotics und zuletzt beim Cybathlon ETH Zürich gesammelt. Im Rahmen eines umfangreichen Rebranding-Projekts verlieh sie dem cmm360 seine aktuelle, moderne Ausrichtung. Seitdem hat sie nicht nur die Onlinepräsenz des Magazins erfolgreich etabliert, sondern kontinuierlich neue Formate wie die Podcasts «Nice To Meet You», «Meike's Raumzeit» und «ICT Talk» entwickelt. Darüber hinaus fungiert sie als Organisatorin des Schweizer Customer Relations Awards, eine Plattform, die innovative Projekte zur Gestaltung nachhaltiger Kundenbeziehungen und einzigartiger Kundeninteraktionen würdigt und auszeichnet.

Mehr zu Agilität

Diskussion

Das könnte Sie auch interessieren