Weniger ist mehr: So gelingt echte Service-Automatisierung

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Weniger ist mehr: So gelingt echte Service-Automatisierung | Corinna Kaussen, Head of Operations bei Digital DialogWeniger ist mehr: So gelingt echte Service-Automatisierung | Corinna Kaussen, Head of Operations bei Digital Dialog
Weniger ist mehr: So gelingt echte Service-Automatisierung | Corinna Kaussen, Head of Operations bei Digital Dialog

Mit klarer Strategie und Teamgeist transformierte Corinna Kaussen ein klassisches Contact Center in ein effizientes Digitales Service Center. Der Fokus lag auf gezielter Prozessvereinfachung und sinnvoller Automatisierung statt KI-Hype. Herausforderungen wie Fachkräftemangel, hohe Anrufvolumen und Mitarbeitermotivation wurden durch schlanke Teams, transparente Kommunikation und den Einsatz standardisierter Voicebots gemeistert. Das Ergebnis: verbesserte KPIs, entlastete Mitarbeitende und gesteigerte Kundenzufriedenheit. Ein mutiger Weg zeigt, wie weniger Technik oft mehr Wirkung entfaltet.

Kundenzentrierung, Automatisierung und Teamgeist – mit diesen Zutaten hat Corinna Kaussen, Head of Operations bei Digital Dialog, einen klassischen Contact Center hin zu einem Digitalen Service Center transformiert. Im Interview spricht sie über die Herausforderungen des Fachkräftemangels, warum nicht jede Lösung gleich Künstliche Intelligenz braucht und wie konsequente Prozessvereinfachung nicht nur die Erreichbarkeit, sondern auch die Wertschätzung für das eigene Team nachhaltig steigern kann. Ein Gespräch über Mut, Fehler – und die Kraft, gemeinsam neue Wege zu gehen.

Du hast die Transformation des klassischen Contact Centers hin zu einem Digital Service Center massgeblich gestaltet. Was hat dich an dieser Aufgabe besonders gereizt?

Corinna Kaussen: Mich hat die Herausforderung gereizt, in einer schwierigen Ausgangslage gemeinsam mit meinem Team neue Wege zu gehen. Als ich zu Digital Dialog kam, standen wir an einem Scheideweg: massive Personalengpässe, unzufriedene Kunden und KPIs, die nicht mehr tragbar waren. Es war die berühmte letzte Chance, die Dinge grundlegend zu verändern – und genau das hat uns angespornt, mutig in die Digitalisierung und Automatisierung einzusteigen.

Wie seid ihr konkret an das Projekt herangegangen? Gab es einen Schlüsselmoment zu Beginn?

Corinna Kaussen: Der Schlüsselmoment war die Erkenntnis, dass wir für die enorme Anzahl an Kundenanfragen – rund 500.000 Calls im Jahr – keine ausreichenden personellen Ressourcen mehr hatten. Sprich, besonders in der Telefonie war der Druck enorm. Wir haben dann analysiert, welche Anliegen den grössten Anteil ausmachen und festgestellt, dass etwa 75 Prozent der Anrufe Reklamationen und Lieferunterbrechungen sind. Für diese Standardfälle haben wir gezielt nach Automatisierungslösungen gesucht – und damit den Grundstein für das Projekt gelegt.

Ihr habt euch bewusst gegen den Einsatz von KI und für Automatisierung entschieden. Wie kam es dazu?

Corinna Kaussen: Das war tatsächlich ein Lernprozess. Am Anfang denkt man oft, Künstliche Intelligenz sei das Allheilmittel. Aber wir haben schnell gemerkt: Wenn Prozesse immer gleich ablaufen und Anliegen standardisiert sind, reicht eine Automatisierungslösung völlig aus. KI lohnt sich erst, wenn es um individuelle, komplexe Fälle geht. Für unsere Hauptanliegen – Reklamationen und Urlaubsunterbrechungen – war ein Voicebot, der auf Datenbankwissen basiert, die effizienteste Lösung.

Wie habt ihr das Projektteam zusammengestellt und welche Kompetenzen waren entscheidend?

Corinna Kaussen: Wir haben auf ein schlankes, aber schlagkräftiges Team gesetzt: Zwei IT-Spezialisten, die eng mit den Entwicklern der Telefonanlage zusammengearbeitet haben, und unsere Qualitätsmanagerin, die heute die Bots genauso monitort und trainiert wie unsere Mitarbeitenden. Ich selbst habe die fachliche Richtung vorgegeben und die Prozesse definiert. Die enge Zusammenarbeit und das gegenseitige Verständnis waren entscheidend für den Erfolg.

Gab es Stolpersteine auf dem Weg? Was waren die grössten Herausforderungen?

Corinna Kaussen: Definitiv. Ein grosses Thema war die Identifikation der Anrufenden – zum Beispiel, wenn Kunden statt der Postleitzahl ihre Vorwahl nannten, war das eine grosse Erschwernis für das Matching. Auch die Intenterkennung war herausfordernd, da Menschen sehr unterschiedlich formulieren, wenn sie eine Reklamation melden. Ausserdem haben wir anfangs den Fehler gemacht, unsere Mitarbeitenden nicht ausreichend mitzunehmen. Das führte zu Unzufriedenheit und Missverständnissen. Erst durch regelmässige Meetings und transparente Kommunikation konnten wir das Vertrauen und Verständnis für die neuen Prozesse schaffen.

Wie habt ihr die Mitarbeitenden schliesslich überzeugt und eingebunden?

Corinna Kaussen: Wir haben offen kommuniziert, dass der Bot keine 100 Prozent Erfolgsquote erreicht und dass Eskalationen zum Mitarbeitenden dazugehören. Die Mitarbeitenden haben erkannt, dass sie durch die Automatisierung eine neue, anspruchsvollere Rolle bekommen – sie sind jetzt die Experten für die komplexeren Fälle. Das hat die Akzeptanz deutlich erhöht und das Team motiviert, die Entwicklung aktiv mitzugestalten.

Welche Erfolge konntet ihr mit dem Projekt erzielen?

Corinna Kaussen: Wir haben es geschafft, den Fachkräftemangel abzufedern und die Erreichbarkeit für unsere Kunden deutlich zu verbessern. Die wichtigsten KPIs – wie Bearbeitungszeit, Erreichbarkeit und Kundenzufriedenheit – haben sich spürbar verbessert. Besonders stolz bin ich darauf, dass wir als Team mutig waren, Prozesse zu vereinfachen und konsequent auf Automatisierung zu setzen. Das hat uns nicht nur zukunftssicher gemacht, sondern auch die Wertschätzung für die Arbeit unserer Mitarbeitenden gestärkt.

Was würdest Du anderen Unternehmen raten, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen?

Corinna Kaussen: Mutig sein, die eigenen Prozesse ehrlich analysieren und die Mitarbeitenden von Anfang an mitnehmen. Automatisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss zum Unternehmen und den Kunden passen. Und: Nicht jede Herausforderung braucht gleich KI – manchmal liegt die Lösung in der konsequenten Vereinfachung und Automatisierung. Das Wichtigste ist, gemeinsam als Team zu lernen und sich weiterzuentwickeln.

Meike Tarabori, Chefredaktorin cmm360

Meike Tarabori

Im Januar 2019 übernahm Meike Tarabori die Position als Chefredakteurin des cmm360, das renommierte Schweizer Magazin für Customer Relations Stars und Service Champions. Als erfahrene Expertin für Marketing und Kommunikation mit Abschlüssen in Business, Marketing und deutscher Literatur hat sie wertvolle Erfahrungen unter anderem bei Unternehmen wie KUKA Robotics und zuletzt beim Cybathlon ETH Zürich gesammelt. Im Rahmen eines umfangreichen Rebranding-Projekts verlieh sie dem cmm360 seine aktuelle, moderne Ausrichtung. Seitdem hat sie nicht nur die Onlinepräsenz des Magazins erfolgreich etabliert, sondern kontinuierlich neue Formate wie die Podcasts «Nice To Meet You», «Meike's Raumzeit» und «ICT Talk» entwickelt. Darüber hinaus fungiert sie als Organisatorin des Schweizer Customer Relations Awards, eine Plattform, die innovative Projekte zur Gestaltung nachhaltiger Kundenbeziehungen und einzigartiger Kundeninteraktionen würdigt und auszeichnet.

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