Der Einzelhandel in Europa steht vor einem tiefgreifenden Wandel: Obwohl Kaufkraft und Umsätze steigen, schrumpft der Anteil der Konsumausgaben, der in den Einzelhandel fliesst, seit drei Jahren. Besonders deutlich zeigt sich das in der Schweiz, wo nur noch weniger als jeder vierte Euro in den Einzelhandel geht – der niedrigste Wert in Europa. Im Kontrast dazu investieren Verbraucher in Osteuropa weiterhin einen grossen Teil ihrer Ausgaben in den Handel. Die aktuelle Studie beleuchtet diese Entwicklungen, regionale Unterschiede sowie die Rolle von Inflation, Generationenverhalten und Kaufkraft für die Zukunft des europäischen Einzelhandels.
Der Anteil am privaten Konsum, der in den Einzelhandel fliesst und nicht für Rücklagen, Dienstleistungen oder Freizeit aufgewendet wird, beläuft sich in der Schweiz auf 24,6 Prozent. Damit belegen die Schweizer unter den 31 betrachteten Ländern in Europa den letzten Platz – nirgendwo sonst wird anteilig weniger im Einzelhandel ausgegeben. EU-weit sind es 32,6 Prozent, aber auch hier ist in den letzten drei Jahren ein Abwärtstrend zu beobachten. Das zeigt die neue und kostenfreie Studie von NIQ Geomarketing, die einen umfassenden Überblick über die Einzelhandelstrends in Europa bietet.
Obwohl die Kaufkraft und der Einzelhandelsumsatz europaweit steigen, nimmt der Anteil der Konsumausgaben, der in den Einzelhandel fliesst, seit drei Jahren kontinuierlich ab. Im Jahr 2024 entfielen EU-weit nur noch 32,6 Prozent des gesamten privaten Konsums auf den Einzelhandel. Allerdings bestehen weiterhin erhebliche regionale Unterschiede: Besonders Verbraucher in osteuropäischen Ländern verwenden einen deutlich grösseren Anteil ihrer Kaufkraft für Ausgaben im Einzelhandel.
Unter allen 31 betrachteten europäischen Ländern liegt Kroatien mit einem Einzelhandelsanteil von 48,0 Prozent an der Spitze und verzeichnete sogar einen Anstieg um 0,5 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Es folgen Bulgarien (46,3 Prozent) und Ungarn (45,3 Prozent), auch wenn beide Länder leichte Rückgänge im Jahresvergleich verzeichneten. Grund dafür ist die gestiegene Kaufkraft, die es den Konsumenten ermöglichte, mehr Geld für Ersparnisse oder nicht-einzelhandelsbezogene Ausgaben zu verwenden. Den letzten Platz belegt die Schweiz, wo lediglich 24,6 Prozent der Konsumausgaben und damit nur weniger als jeder vierte Euro im Einzelhandel ausgegeben werden.
«Der Einzelhandel bleibt ein zentraler Bestandteil des Konsums in Europa, auch wenn sein Anteil weiter zurückgeht», erklärt Studienleiter Philipp Willroth. «Das Verbrauchervertrauen ist seit der Pandemie fragil geblieben, da viele Europäer besorgt über die wirtschaftliche Lage ihres Landes sind. Inflation, steigende Lebenshaltungskosten und der Klimawandel gehören zu den grössten Sorgen und führen zu einem vorsichtigeren Ausgabeverhalten.»
In der kostenfreien Studie «Einzelhandel Europa» hat NIQ Geomarketing die Schlüsselindikatoren des europäischen Einzelhandels für das Jahr 2024 untersucht. Die Studie bietet umfangreiche Trendanalysen für zahlreiche europäische Länder und ist damit eine wichtige Orientierungshilfe für Einzelhändler, Investoren und Projektentwickler.
Weitere wichtige Ergebnisse im Überblick
- Kaufkraft: Die Kaufkraft in Europa stieg 2024 weiter an, jedoch deutlich langsamer als in den beiden Vorjahren. Die durchschnittliche pro-Kopf-Kaufkraft in der EU lag bei 21.008 Euro, was einem nominalen Anstieg von 3,0 Prozent gegenüber den revidierten Zahlen von 2023 entspricht. Insgesamt verfügten die Einwohner der 27 Mitgliedstaaten über rund 9,5 Billionen Euro für Ausgaben wie Lebensmittel, Einzelhandel, Wohnen, Dienstleistungen, Energiekosten, private Altersvorsorge, Versicherungen, Urlaub und Mobilität.
- Einzelhandelsumsatz: Nach einem deutlichen Anstieg von 5,5 Prozent im Jahr 2023 verlangsamte sich das Wachstum des Einzelhandelsumsatzes in der EU auf 3,0 Prozent im Jahr 2024. Die stärksten Zuwächse wurden in Osteuropa verzeichnet, angeführt von Rumänien (+14,9 Prozent), gefolgt von Bulgarien (+9,9 Prozent), Kroatien (+9,3 Prozent) und Slowakei (+9,2 Prozent). In Estland gab es hingegen einen Rückgang um 1,3 Prozent, bedingt durch politische Unsicherheiten und zunehmende Verbraucherskepsis.
- Inflation: Nach starken Preissteigerungen in den Vorjahren zeigte die Inflation in der EU 2024 weitere Anzeichen der Stabilisierung und lag im Durchschnitt bei 2,6 Prozent. Die höchsten Inflationsraten gab es dabei in Rumänien (5,8 Prozent), Belgien (4,3 Prozent) und Ungarn (4,0 Prozent). In Litauen fielen die Preissteigerungen mit nur 0,9 Prozent am niedrigsten aus. Für 2025 wird für die EU eine Inflation von 2,3 Prozent prognostiziert.
- Wie Generationen einkaufen: In Europa lassen sich generationsspezifische Unterschiede im Konsumverhalten beobachten. Generation X (44–59 Jahre) verfügt über die höchste Kaufkraft und zeigt sich relativ offen gegenüber neuen Produkten – offener als die Babyboomer (60+), aber weniger als die Millennials (28–43 Jahre). Millennials bevorzugen Erlebnisse zu Hause, wie Kochen und Unterhaltung, was durch die Pandemie verstärkt wurde. Generation Z (unter 28 Jahre) ist stark bequemlichkeitsorientiert und kauft häufig To-Go-Lebensmittel. Babyboomer bleiben die vorsichtigsten Konsumenten: Sie greifen bevorzugt zu Eigenmarken, konzentrieren sich auf Grundbedürfnisse und kaufen oft Produkte im Angebot, um Geld zu sparen.