Von Holakratie haben die meisten vielleicht schon einmal gehört, die wenigsten wissen jedoch wirklich konkret etwas damit anzufangen. Dabei steckt für Unternehmen darin durchaus grosses Potenzial. Um entscheiden zu können, ob und inwiefern der Ansatz für das eigene Unternehmen sinnvoll ist, ist es zunächst einmal wichtig, ihn zu verstehen.
Die Holakratie oder ein Unternehmen mit holakratischen Strukturen versteht sich als eine Organisation ohne klassischer Top-down Hierarchie. Holakratie folgt also nicht den konventionellen Entscheidungsstrukturen, sondern ist darauf ausgelegt, dass alle in einer Organisation Entscheidungen treffen können und selbstorganisiert handeln. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zugleich „Follower“ als auch „Leader“ und können sich dank ihrer flexiblen und agilen Arbeitsweise schnell auf Veränderungen anpassen und darauf reagieren. So gibt es bei Boldare anstatt klassischer Teams sogenannte ineinander greifende Kreise. In diesen Kreisen gibt es keine üblichen Managerinnen und Manager – alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben flexible Rollen.
Die Grundeinheit einer holakratischen Struktur ist der Kreis. In einem Kreis befindet sich immer eine Gruppe, die ein gemeinsames Ziel verfolgt, gemeinsam Verantwortung trägt und dasselbe Interessengebiet innerhalb einer Organisation teilt. Sie sind selbst dafür verantwortlich, eine Reihe an Aufgaben zielführend und in einem bestimmten zeitlichen Rahmen zu erledigen, da jeder Kreis unabhängig ist und alle Entscheidungen und Handlungen selbst verwaltet werden. Was normalerweise die Aufgabe eines Managers wäre, ist in einer Holakratie die Aufgabe aller.
Jeder Kreis deckt einen anderen Bereich der Unternehmenstätigkeit ab – etwa den Vertrieb, die PR usw. Diese können je nach Bedarf erstellt oder aufgehoben werden. Die Anzahl der Kreise ist an sich nicht begrenzt und kann zudem jederzeit erweitert werden, indem sich weitere Kreise innerhalb eines grossen bilden – diese verstehen sich als kleinere Abteilungen innerhalb der Organisation.
Was auf den ersten Blick etwas chaotisch wirken mag, fusst auf ein paar grundlegenden Strukturen, die ein effizientes Arbeiten ermöglichen. Der sogenannte Ankerkreis – auch Hauptkreis genannt –, ist dem Gesamtziel, genauer gesagt dem Zweck der Organisation gewidmet. Innerhalb des Ankerkreises gibt es zwei weitere übergreifende Unterteilungen, wie etwa der General Company Circle (GCC). Dieser enthält die wertschöpfenden Funktionen des Unternehmens, also die Aktivitäten, die direkt zu den Geschäftszielen beitragen.
Wir wissen nun also, dass Kreise unabhängig, geformt und selbstbestimmt sind. Welche genauen Rollen befinden sich aber in den Kreisen?
Im Gegensatz zu den Berufsbezeichnungen, die man in traditionellen Strukturen findet, enthält jeder Holakratie-Kreis eine Reihe von Rollen. Jede Rolle hat einen klaren Zweck mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten. Zu den Schlüsselrollen in jedem Kreis gehören:
Die Rollen werden wie die Kreise je nach Bedarf geformt und verteilt. Solche Rollen können von mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgefüllt werden, die von den einzelnen Teammitgliedern gewählt werden – denn all das funktioniert ohne feste Managerinnen und Manager.
Bei einer Holakratie gibt es keine Managerinnen oder Manager im traditionellen Sinne. Die Verantwortlichkeiten werden nämlich auf die folgenden vier gewählten Rollen aufgeteilt: Rep Link, Secretary, Facilitator (Diese werden jeweils von den Teammitgliedern gewählt) und Lead Link (Dieser wird von dem Lead Link des höhergestellten Kreises gewählt). Teams agieren dadurch viel selbstorganisierter und sind in der Lage eigene Autoritäten und Verantwortungen auszuüben. So ist es also für keinen der Teammitglieder ein Problem, wenn der Lead Link wegen Urlaub oder Krankheit ausfällt, denn jeder Mitarbeitende hat die Freiheit und die Befugnis im eigenen Zuständigkeitsbereich proaktiv Entscheidungen zu treffen.
Die tägliche Kommunikation ist in einer Organisation mit holakratischen Strukturen ganz besonders wichtig; ob durch viele Meetings oder mit der Hilfe von digitalen Tools – das bleibt den Kreisen selbst überlassen. Es gibt allerdings zwei Meetings, die jeder Kreis abhalten muss, das taktische und das Governance-Meeting. Bei diesen beiden Treffen werden folgende Dinge besprochen:
Es können bspw. auch Scrum-Massnahmen genutzt werden wie z.B. die sogenannten Dailys, um die holakratische Strukturen zu ergänzen.
Herausfordernd mag die holakratische Struktur vor allem bei kniffligen Themen wie Gehalt scheinen. In der Praxis verläuft eine Gehaltsverteilung bei Boldare wie folgt: Zunächst schätzt der Mitarbeitende ein, welchen Wert er seiner eigenen Kompetenz beimisst. Daraus erfolgt der erste Gehaltsvorschlag des Teams mit einer vorab festgelegten Gehaltsspanne. Um die Fähigkeiten genau einschätzen zu können, werden Expertinnen und Experten aus dem jeweiligen Bereich zur Beurteilung der fachlichen Kompetenzen hinzugezogen. Auf Grundlage der Selbst- und Fremdeinschätzung wird nach einer gründlichen Analyse mittels Algorithmen anschliessend das Gehalt in einem eigens dafür zuständigen Team berechnet. Somit hängt das Gehalt nicht von der subjektiven Meinung einer einzelnen Person ab, sondern wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst, die den Prozess deutlich objektiver gestalten. Zudem erhält jedes Teammitglied einen speziellen Fragebogen mit einer Skala und Bewertungskriterien, die letztlich bei der Auswertung und Bestimmung helfen sollen.
Bei Gehaltsgesprächen spielen nicht nur die reinen Fähigkeiten und das Fachwissen eine Rolle, sondern auch Softskills. Dazu gehört Flexibilität, d. h. die Fähigkeit, in einem sich ständig wandelnden Umfeld zu arbeiten und reibungslos zwischen verschiedenen Fächern zu wechseln. Auch die Fähigkeit, selbstständig zu lernen, gehört dazu, sowie die Fähigkeit effektiv Ergebnisse zu liefern und gesetzte Ziele zu erreichen.
Das Beste daran ist allerdings, dass diese Methode einen grossen Einfluss auf die Zufriedenheit und die Motivation jedes einzelnen hat. Denn anstatt nach Perfektion in allen erdenklichen Kriterien zu streben, kann sich jeder Mitarbeitende auf seine oder ihre Stärken konzentrieren und das entwickeln, was er oder sie am besten kann. Auch eine von uns getätigte interne anonyme Umfrage zeigte deutlich, dass diese Art der Gehaltsbestimmung einen positiven Einfluss auf die Mitarbeitenden hat. 85 % der Befragten gaben an, dass sich die Bewertung ihrer Arbeit von dem ganzen Team positiv auf ihre Motivation auswirkt. Ganze 61 % bemerkte eine tatsächliche Veränderung im Engagement des Teams bezogen auf ihre Arbeit und 56 % gaben an, dass ihr eigenes Handeln einen direkten Einfluss auf die Ergebnisse innerhalb des Teams haben können.
Das heutige Geschäftsumfeld erfordert eine flexible Vorgehensweise. Starre Organisationsstrukturen mit ihren eingeschränkten Entscheidungskompetenzen sind immer weniger geeignet für die moderne VUCA-Welt. Die agile Arbeitsweise nach dem holakratischen Modell fördert folgende Arbeitsweisen:
Holakratie ist nicht nur ein New Work Ansatz, der für Transparenz, Klarheit und effektive Entscheidungsprozesse im Unternehmen sorgt. Es ist auch eine Arbeitsweise, die Mitarbeitende ermutigt, sich selbst einzubringen und ihre Eigenständigkeit zu fördern. Holakratie verteilt die Autorität, die sonst bei Führungspersonen oder Managern liegt, auf Kreise, die aus Rollen zusammengesetzt sind. Der Ansatz mag bei herausfordernden Themen wie Gehalt schwierig scheinen – doch auch hierfür gibt es gut funktionierende Prozessansätze. Schlussendlich sollte jeder Mitarbeitende sich jedoch selbst entscheiden, ob Holakratie eine Form ist, die für ihn oder sie funktioniert. Der holakratische Ansatz kann auch dabei helfen, dass sich neue Mitarbeitende nicht in erster Linie für eine Stelle bewerben, wegen des Gehaltes, sondern wegen eines modernen Arbeitsmodells, dass ihre Kompetenz und Selbstständigkeit fördert und fordert.