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Happy Birthday ChatGPT!

Geschrieben von Beat Hochuli - Business ICT-Strategien | 14. März 2024

KI hat mithilfe des auf dem Large Language Model basierenden Sprach Bots endgültig den Publikums-Durchbruch geschafft. Der Golden Globe Oscar for Business Cleverness geht diesbezüglich an: Microsoft!

Vor etwas mehr als einem Jahr wurde die KI-Software ChatGPT in die freie Markt-Wildbahn entlassen. Für die Allermeisten kam dies einer Sensation, wenn nicht einer Art «Revolution» gleich, hatten sie doch bis zu diesem Zeitpunkt «Künstliche Intelligenz» mehrheitlich mit dystopischen Science- Fiction-Filmen oder -Romanen assoziiert. Dass KI spätestens seit den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in den einschlägigen IT-Akademien ein Dauerthema war, wurde in der breiten Öffentlichkeit kaum bis gar nicht zur Kenntnis genommen. Bis es nicht mehr anders ging. Also bis vor rund einem Jahr.

Auftritt auf dem Boulevard

Feiern wir jetzt also den einjährigen Geburtstag von ChatGPT aus dem Hause OpenAI! Oder besser gesagt: aus dem Hause Microsoft. Hat sich doch der immer schon äusserst clevere Software- Riese aus Seattle im US-Bundesstaat Washington recht- und vor allem frühzeitig einen geschäftsbeherrschenden Anteil an der ursprünglich als «Non-Profit»- und «Open»-Organisation aufgestellten KI-Spezialistin OpenAI (sic!) gesichert. Personell das aufregendste Drama des vergangenen
Jahres veranstaltete deshalb folgerichtig deren Gründer und CEO Sam Altman, der sich in der Frage «Profit oder Non-Profit?» klar auf die Business und eben Microsoft-logische Profit-Seite schlug, kurz zurücktrat – und dann auf Druck der Belegschaftsmehrheit von OpenAI – sprich Microsoft – mit Pauken und Trompeten wieder auf den Thron zurückkehrte. Das war eine erstklassige Story, die sich sogar in den Boulevard-Blättern und auf den entsprechenden Websites fantastisch verkaufte. Beste Werbung also für KI, ChatGPT, OpenAI – und vor allem für Microsoft.

Die zweite KI-Mainstream-Geschichte der vergangenen zwölf Monate war eher ein Flop. Der «Aufruf» von KI-Bossen selber, in der Forschung und Entwicklung ein halbjähriges Moratorium zu erklären und auch tatsächlich einzuhalten, war als PR-Aktion sogar den üblichen Weltuntergangs-Propheten zu durchsichtig, weil total unglaubwürdig. Lanciert wurde dieser Flop natürlich aufgrund von Befürchtungen seitens der KI-Business-Bubble, «die Politik» könnte ihr «übereilte und übertriebene» Restriktionen in Gestalt von «Überregulierungen» aufzwingen und damit Abermilliarden potenzieller Dollargewinne im Keim ersticken. Die Befürchtungen erwiesen sich schliesslich als unbegründet. Zwar wurde und wird in den Kommissionen in Brüssel und in entsprechenden Gremien auf jeweils nationaler Regierungs- und Parlaments-Ebene an KI-Regulierungen gebastelt.

Copilot erobert die User-Hardware

Aber die KI-Privatwirtschaft darf beruhigt sein: Da auf dem politischen Feld niemand weiss, was überhaupt «reguliert» werden soll und weshalb, stehen die Tore für die KI-Konzerne bis auf Weiteres sperrangelweit offen. Dies erstaunt auch insofern nicht, als «die Politik» logischerweise keinerlei Interesse daran haben kann, eine soeben geschlüpfte und äusserst vielversprechende Knowlegde-Service-Industrie auszubremsen. Vor allem nicht im eigenen Land und/oder im überstaatlichen Wirtschaftsraum, dem man vertraglich angehört. Deshalb nochmals kurz zurück zum gegenwärtig cleversten KI-Zampano: Catrin Hinkel, ihres Zeichens Chefin von Microsoft Schweiz, hat sich unlängst lobend zum hiesigen KI-Stand der Dinge geäussert. So würden seit November 2023 immer mehr «ausgewählte» Schweizer Firmen die hauseigene, auf ChatGPT basierende KI-Funktion Copilot nutzen. Zweck des Interviews in der «NZZ am Sonntag» vom 7. Januar 2024 war für Hinkel allerdings dies: Auf den kommenden Frühling hin werden neue Tastaturen für Windows Computer mit einer eigenen KI-Copilot-Taste ausgestattet sein. Mit anderen Worten: ChatGPT erobert die weltweit am meisten verbreitete Benutzer-Hardware. Happy Birthday ChatGPT! Ich ziehe - einmal mehr - meinen Hut vor Microsofts brillanter Business-Cleverness!

KI ist potenzierte instrumentelle Vernunft

Zum Schluss dieser Lobeshymne erlaube ich mir noch eine Nachbemerkung: 1947 publizierte der Verlag Oxford University Press, Inc., New York die Abhandlung «Eclipse of Reason» von Max Horkheimer, des vor der Nazi- Herrschaft in die USA geflüchteten Soziologen, Philosophen und Mitgründers des Frankfurter Instituts für Sozialforschung. Erst 1967 wurde der Text unter dem Titel «Kritik der instrumentellen Vernunft» in deutscher Sprache vom Fischer-Verlag veröffentlicht. Weshalb dieser Hinweis? Ganz einfach: Sobald Vernunft – mit dem impliziten Einverständnis der meisten - eindimensional zur rein zweckmässig verwertbaren und hochgradig standardisierten Funktions-Intelligenz zusammenschnurrt, erübrigt sich eh die Unterscheidung gegenüber jeglicher Art von künstlicher Intelligenz.