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Kundenerwartungen haben sich ebenso wie Kundenbedürfnisse in den letzten Jahren stark verändert. Zum einen aufgrund von neuen Technologien, welche die Interaktionen zwischen Unternehmen und Kunden stets auf neue Wegen leiteten. Zum anderen auch aufgrund von strukturellen beziehungsweise organisatorischen Veränderungen innerhalb von Unternehmen ebenso wie der Marktlandschaft und der Wettbewerbsverhältnisse. Inwiefern diese Entwicklungen Einfluss auf die Kommunikation eines Unternehmen und die Gestaltung von Kundenbeziehungen haben, darüber habe ich mit Thomas Ruck, Experte für Kundenerlebnisse und Marketing von Accenture Interactive gesprochen.

Können Sie eingangs ein paar Worte zu Ihrer Person und zu Ihrer Tätigkeit sagen?

Ich bin Thomas Ruck, arbeite seit 20 Jahren bei Accenture und bin heute in einer europaweiten Funktion für Marketing Transformation bei Accenture Interactive, der Experience-Agentur von Accenture, tätig. In meiner täglichen Arbeit beschäftigt mich vor allem eine Frage: Wie werden Marken für Kunden noch relevanter? Damit einher geht die Frage, über welche Produkt- und Markenerlebnisse sie sich zukünftig unterscheiden. Ich bin überzeugt, dass klassische Werbung den neuen Ansprüchen nicht mehr gerecht wird. Auf lange Sicht wird sie durch Erlebnisse, die oft mit Hilfe von digitalen Technologien entstehen, ersetzt.

Was zeichnet solche Erlebnisse aus? Und wie haben sich diese in den letzten Jahren verändert?

Mit Kundenerlebnissen bezeichnen wir die Interaktion einer Marke mit dem Kunden. Das geschieht auf unterschiedliche Art und Weise, etwa durch einen Mehrwert, den ein Produkt oder Service im Alltag eines Konsumenten schafft. Das können aber auch neue Wege in der Kommunikation sein, um das Markenerlebnis zu stärken. Der Unterschied zu klassischem Marketing ist, dass solche Erlebnisse bereits beim Produkt und nicht erst der Markenführung anfangen: Bietet es einen konkrete Nutzen? Verbessert es mein Leben? Wie gut ist die User Experience?

Natürlich unterliegen solche Kundenerlebnisse ständigen Veränderungen. In den letzten Jahren haben sich zum eine die Bedürfnisse und die Erwartungen der Konsumenten verändert. Ihre Ansprüche basieren heute vor allem auf den Nutzererfahrungen, die sie in anderen Branchen und in anderen Zusammenhängen mit Anbietern wie Netflix, Amazon oder Google machen. Das hat Folgen für Unternehmen in den eher traditionellen Bereichen: Als Bank genügt es heute nicht mehr, eine mobile App für Online-Banking zur Verfügung zu stellen; die Kunden wollen, dass ein Kreditantrag genauso einfach funktioniert,wie das Abendessen bei einem Online-Lieferdienst zu bestellen.

Zum anderen haben sich die digitalen Technologien sehr stark weiterentwickelt. Ausserdem sind Daten heute in einer grossen Menge verfügbar und können mit Hilfe von KI deutlich sinnvoller ausgewertet werden. Dadurch sind viel individuellere Kundenansprachen möglich. Je stärker diese auf die Präferenzen eines Nutzers zugeschnitten sind, desto relevanter – und damit wirksamer – sind sie auch. Für die Unternehmen liegt die Herausforderung darin, die einzelnen Datenpunkte und Technologien so miteinander zu verzahnen, dass für den Kunden ein einheitliches und durchgängiges Erlebnis entsteht.

Wo sehen Sie Gaps oder Herausforderungen für Unternehmen?

Viele Unternehmen stehen noch an der Schwelle von klassischem Marketing hin zu den eben beschriebenen Kundenerlebnissen. Sie haben die ganze Tragweite dieses «Paradigmenwechsels» noch nicht richtig verinnerlicht. Der Unterschied: Während Marketing von zukunftsgerichteten Versprechen lebt, bieten Erlebnisse einen konkreten Nutzen im Hier und Jetzt. Diese Beobachtung lässt sich auf eine ganz einfache Formel bringen: Der Produktmehrwert ist das neue Branding. 

Um herausragende Kundenerlebnisse umzusetzen, braucht es in den Unternehmen neue Strukturen. Bisher ist jeder Teil der User Journey oftmals ein eigener Silo; für Produktentwicklung, technische Umsetzung, Vertrieb und Marketing sind unterschiedliche Abteilungen zuständig. Unter diesen Voraussetzungen lassen sich integrierte Erlebnisse kaum realisieren. Deshalb ist es wichtig, dass Produktverantwortliche, der CMO und der CIO eng zusammenarbeiten. Besser noch: Unternehmen führen die Rolle eines Chief Experience Officers ein, der über alle Stufen hinweg die Verantwortung für das Kundenerlebnis trägt und die Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen orchestriert.

Wenn man diesen Gedanken nun noch einen Schritt weiter geht, dann landet man dort, wo die grossen digitalen Pure-Player heute stehen: Sie haben das Kundenerlebnis zum Unternehmenszweck gemacht. Wie? Indem sie Produkte und Services geschaffen haben, die ihren Kunden einen klar definierten Mehrwert und eine zusammenhängende Nutzererfahrung liefern. Wir nennen so etwas auch «transformationale Produkte», weil sie eine ganz neue Interaktion zwischen Nutzer und Produkt ermöglichen, neue Verhaltensmuster bei den Nutzern etablieren und damit die Spielregeln ganzer Industrien verändern.

Welchen Tipp geben Sie Unternehmen, um die gewünschten Erlebnissezu kreieren und diese immer wieder neu zu erfinden?

Ein Erlebnis orientiert sich ganz an den Bedürfnissen des Nutzers; und diese entwickeln sich stetig weiter. Wir reden in diesem Zusammenhang auch von den «liquid expectations» der Kunden. Die Erwartungen an ein Unternehmen ergeben sich aus den Erfahrungen, die ein Kunde mit den führenden Erlebnis- Marken in anderen Branchen hat. Hinzu kommt, dass neue Technologien immer mehr Möglichkeiten bieten, das Produkt und damit auch das Erlebnis stetig zu verbessern. Deswegen gilt: Erlebnisse sind nie «fertig», sondern immer im Entstehen. Der Auftrag an die Unternehmen: Experimentieren, experimentieren, experimentieren. Das erfordert agile Prozesse und viel schnellere Entwicklungszyklen.

Herausragende Produkt- und Serviceerlebnisse allein aber genügen meistens nicht. Marken und Produkte müssen auch kommunikativ richtig inszeniert werden. Kreativität ist und bleibt für diesen Teil der Gleichung eine ganz wichtige Grösse. Für uns bei Accenture Interactive war das anfangs ein wunder Punkt; in den letzten Jahren haben wir uns daher mit Kreativagenturen wie Kolle Rebbe, Karmarama oder Droga5 verstärkt.

Inwieweit können Erlebnisse deckungsgleich mit Kundenerwartungen sein? Ist hier die Geschwindigkeit, mit welcher diese sich verändern, nicht eine der grössten Herausforderungen?

Absolut, für Unternehmen, die keine agilen Prozesse haben, ist diese Schnelllebigkeit ein grosser Stressfaktor. Um damit besser umzugehen, sind zwei Dinge nötig: Zum einen braucht es eine belastbare und sehr flexible technologische Infrastruktur, welche die Kundenerlebnisse im Hintergrund ermöglicht. Zum anderen sind, wie eben schon erwähnt, neue Herangehensweisen im Unternehmen gefragt: Kürzere Planungszyklen und eine stets gut gefüllte Pipeline an Ideen sind oberstes Gebot. Ein Erlebnis besteht aus vielen kleinen Stellschrauben, die ständig nachjustiert werden müssen. Wir kennen dieses Prinzip aus der Softwareentwicklung: Es braucht nicht immer ein komplett neues Produkt, um eine Anwendung besser zu machen. Oft genügt ein Update. So ist das bei den Kundenerlebnissen auch.

Wie können Unternehmen diese beiden Herausforderungen am besten meistern?

Geschwindigkeit und Komplexität lassen sich nur meistern, wenn das gesamte Kundenerlebnis aus einer Hand gesteuert wird. Produkt, Service, Marketing und Kommunikation müssen eng verzahnt sein. Nur so können Unternehmen schnell auf Veränderungen bei den Kundenwünschen oder am Markt reagieren. Genau aus diesem Grund ist Accenture Interactive auch als «Experience Agency» und nicht als reine Digital-, Media- oder Kreativagentur am Markt vertreten. Daher mein Rat an Unternehmen: Eine Agentur muss heute weit mehr leisten, als lediglich bei der Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen zu unterstützen. Sie wird zum Partner, die einen Kunden von Anfang bis Ende – also von der Produktentwicklung über die Markteinführung bis hin zur Ausgestaltung der Kundenbeziehung – begleitet und den gemeinsamen Erfolg im Blick hat. Hier geht es nicht um das Erfüllen von beliebigen KPIs.

Wie ist eine langfristige strategische Planung am besten mit Real Time Massnahmen vereinbar?

Covid-19 hat gezeigt, dass Marken sehr schnell auf die neuen Rahmenbedingungen reagiert haben. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass der Kern einer Marke heute stark vom «Purpose» – also ihrem gesellschaftlichen Zweck – bestimmt ist. Statt strategischer Planung rückt vielmehr die Frage in den Vordergrund: Wofür steht die Marke? Aus diesem «Wertegerüst» lassen sich in jeder Situation sehr schnell ganz konkrete Massnahmen ableiten. Das Vertrauen der Konsumenten in eine Marke steht heute im Mittelpunkt der Kundenbeziehung. Dahinter steht kein komplexer Planungsprozess, sondern vor allem das tatsächliche Handeln einer Marke. Oder anders gesagt: Wird das Unternehmen durch seine Taten seinem gesellschaftlichen Anspruch gerecht?

Welche Rolle spielen Daten heute im Unternehmen?

Die grosse Bedeutung von Daten kann ich gar nicht oft genug betonen. Wer verstehen will, wofür sich Kunden interessieren und welche Faktoren ihr Kaufverhalten beeinflussen, braucht dafür die richtigen Daten. Erst dadurch werden personalisierte Kundenerlebnisse möglich. Andererseits führt das auch zu neuen Problemen, denn «viele» Daten bedeutet nicht immer «bessere» Insights. Oft fehlt den Unternehmen eine Strategie, wie die gesammelten Daten genutzt werden sollen, um daraus einen konkreten Mehrwert für die Marke und letztlich den Kunden abzuleiten. Das führt zu einer Kettenreaktion, denn die ungezielte «Sammelwut» der Unternehmen verunsichert viele Menschen. Deshalb sehen wir seit einiger Zeit eine Gegenreaktion: Die Konsumenten sind nicht mehr bereit, persönliche Daten ohne Vorbehalt für kommerzielle Zwecke zu teilen.

Um dieser Zwickmühle zu entkommen, müssen Unternehmen ihre Kunden transparent über die Verwendung persönlicher Daten aufklären. Es muss immer klar sein, zu welchem Zweck sie verwendet werden. Andererseits sollten sich Unternehmen freiwillig dazu verpflichten, nur die nötigsten Daten zu sammeln. Mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung liegt die Latte für Unternehmen sehr hoch. Allerdings ist das keine unüberwindbare Hürde: Wenn Kunden sehen, dass ihre Daten genutzt werden, um wirklich relevante und speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Services und Angebote zu entwickeln, werden sie auch weiterhin ihre Daten teilen. Der Kundennutzen ist in dieser Hinsicht das entscheidende Argument. Diese Hypothese haben wir kürzlich auch in einer Umfrage überprüft. Das Ergebnis: Fast drei von vier Befragten wären bereit, persönliche Informationen weiterzugeben, wenn die Unternehmen transparent aufzeigen, was sie mit diesen Daten machen. Vertrauen durch Transparenz ist das entscheidende Kriterium.

Welche Trends sehen Sie für die nähere Zeit, derer sich Unternehmen unbedingt annehmen sollten?

Covid-19 hat unter anderem dazu geführt, dass der gesellschaftliche Zweck eines Unternehmens bei der Kaufentscheidung noch wichtiger wird: Setzt es sich für die Umwelt ein? Kämpft es gegen soziale Ungerechtigkeit an? Engagiert es sich für mehr Gleichheit zwischen den Geschlechtern? Haltung zeigen und mit Taten belegen – daran, und nicht an ihren Werbeversprechen, messen die Konsumenten heute ein Unternehmen.

Darüber hinaus hat Covid-19 die Digitalisierung weiter beschleunigt. Virtuelle Kundenerlebnisse sind nun mehr gefragt denn je. Augmented Reality und Virtual Reality werden ein Comeback erleben. Gerade wenn es darum geht, Events mit vielen Teilnehmern wegen der Ansteckungsgefahr virtuell zu replizieren, sind diese beiden Technologien die richtige Alternative. Ein weiterer Trend: eCommerce wird auch nach dem Lockdown eine zentrale Rolle spielen. Kein Unternehmen kommt heute ohne Online-Shop aus.

Ich bin weiterhin überzeugt, dass wir von Künstlicher Intelligenz im Marketing noch viel hören werden. Diese Technologie wird fast alle heutigen Prozesse verändern, von der personalisierten Kundenansprache über die Automatisierung von Marketingmassnahmen bis hin zur genaueren Messung des Erfolgs einer Kampagne. Und, das wird gerne übersehen, KI wird auch neue Impulse in der Kreation setzen.

Doch auch die Bedeutung der "eigenen vier Wände" wird langfristig zunehmen. Gemäss einer Accenture Umfrage erwarten wir „Ein Jahrzehnt des Zuhauses“. Durch die Pandemie verbringen viele Menschen wieder mehr Zeit daheim und besinnen sich verstärkt auf das nähere Umfeld. Unternehmen müssen sich auf diese Entwicklung einstellen.

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